Die Jury hat entschieden: 2018 darf sich die Schülerversicherung der Württembergischen Gemeindeversicherung (WGV) und der Badischen Versicherung (BGV) mit dem Preis „Versicherungskäse des Jahres“ schmücken. Ob sich der Versicherer über die Auszeichnung freuen wird, ist aber fragwürdig.

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Vergleichbar mit der „Goldenen Himbeere“ für den schlechtesten Film des Jahres, der als Gegenpart der begehrten Oscar-Verleihung anzusehen ist, handelt es sich bei der vom Verbraucherverband BdV verliehenen Auszeichnung um einen Schmähpreis. Ihn erhalten Produkte, die aus Sicht der Kuratoren besonders nutzlos sind. Seit 2015 wird der Versicherungskäse jährlich von einer Fachjury gekürt.

Lehrer verticken Versicherung - und sammeln Prämien gleich selbst ein

Beim diesjährigen Preisträger handelt es sich um ein sehr etabliertes Produkt. Seit 1971 bereits werden die Zusatzversicherungen für Schüler im Land Baden-Württemberg vertrieben. Auch über eine große Zielgruppe darf sich der öffentliche Versicherer freuen. Beinahe 1,5 Millionen Schüler besitzen die Unfallversicherung des öffentlichen Versicherers WGV.

Der hohe Verbreitungsgrad hat mit einer besonders fragwürdigen Vertriebspraxis zu tun. Die Versicherungen werden nämlich von den Lehrern des Landes Baden-Württemberg vermittelt. Oder anders formuliert: an alle Schüler ausgeteilt. Die Lehrer sammeln auch die Beiträge für den Versicherungsschutz ein. Die Schulverwaltungen überweisen dann das Geld an die öffentlichen Versicherer.

Was die Pädagogen dazu berechtigt, überhaupt als Versicherungsvermittler tätig zu sein, bleibt unklar. Wer sich in Deutschland derart betätigt, muss laut Gesetzgeber eine entsprechende Zulassung und Qualifikation nachweisen. Zuerst hatte „Der Spiegel“ im Januar über die Verträge berichtet.

“Versicherer und andere Finanzdienstleister haben aus Sicht der Jury an Schulen nichts zu suchen. Weder als Sponsor von Unterrichtsmaterialien noch als Vertreiber von Versicherungen für SchülerInnen. Dies muss erst Recht für Verträge gelten, deren Unsinn nur so zum Himmel schreit”, begründet nun die Versicherungskäse-Jury ihre Entscheidung. Auch sind die Juroren der Ansicht, dass Lehrer weder Versicherungen vertreiben können noch dürfen.

Zusatz-Unfallversicherung für Schule + X

Immerhin: Teuer sind die Policen mit Namen „Versicherungsausweis für Schüler-Versicherungen“ nicht. Es handelt sich um eine Mischung aus Haftpflicht-, Unfall- und Sachschadenversicherung, der Grundschutz kostet einen Euro pro Schuljahr. Darüber hinaus können die Eltern zusätzliche Bausteine einschließen, zum Beispiel eine Versicherung für die Garderobe (ein Euro pro Jahr), das Fahrrad (sechs Euro), und Musikinstrumente (sechs Euro).

Trotz des geringen Preises gilt: der Nutzen der Verträge ist fragwürdig. So sind Schüler in der Schule ohnehin gesetzlich unfallversichert. Auch sind die Versicherungssummen gering. Die vereinbarte Grundsumme bei Invalidität beträgt 50.000 Euro – hier muss bedacht werden, dass eine niedrige Invalidität diese Summe deutlich mindert. Bei Vollinvalidität sind mit vereinbarter Progression maximal 112.500 Euro drin.

Die Badischen Versicherungen werben auf ihrer Webseite hingegen damit, dass die Policen bestehende Lücken des gesetzlichen Unfallschutzes schließen könnten. So würde der Unfallschutz zum Beispiel auch greifen, wenn die Erwerbsminderung dauerhaft weniger als 20 Prozent betrage: in diesem Fall würde die gesetzliche Unfallversicherung keine Leistung erbringen.

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Die Jury für den "Versicherungskäse des Jahres" bestand in diesem Jahr aus Kerstin Becker-Eiselen (Verbraucherzentrale Hamburg), Edda Castelló (Expertin), Lars Gatschke (Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.), Peter Schütt (Versicherungsberater) und Barbara Sternberger-Frey (Redaktionsbüro Sternberger-Frey)

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