Stopp. Der Reihe nach. Stopp. Ein Unternehmer stirbt plötzlich. Stopp. Die Witwe steht mangels Passwörtern ohne Zugang zu den Bankkonten dumm da. Stopp. Weil sie keine Gehälter überweisen könne. Stopp. Hinzu käme ferner das Finanzamt, das Steuern nachforder. Stopp. Der tote Unternehmer hinterlasse seiner Witwe ein Chaos. Stopp. „Zahlungsunfähigkeit“. Stopp. So etwa beschreibt Autor Markus Sobau in der „Wirtschaftswoche“ (WiWO) ein durchaus betrübliches Szenario, das entstehe, wenn ein Unternehmer sozusagen nachrichtenlos, ohne einen Notfallordner zu hinterlassen, verstirbt. Stopp!

Anzeige

Untaugliches Unister-Beispiel

Dieses Chaos wie oben etwa konstruiert sehe man auch am „jüngsten Beispiel Unister“. Dessen Chef ist bekanntlich vor einigen Wochen bei nach einem dubiosen Deal in Italien mit dem Flugzeug tödlich verunglückt. Im Anschluss fielen die Unister-Firmen reihenweise um – und in die Insolvenz. Deswegen, wegen Wagners Schicksal und dem Szenario des plötzlichen Todes des eingangs beschriebenen Unternehmer- und Witwenschicksals sollen, so Autor Sobau, „Selbständige und Geschäftsführer oder Vorstände eine Notfallakte mit den Kopien der wichtigsten Dokumente anlegen.“

Zunächst zu Thomas Wagner und dessen Unister-Gruppe. Wagners Hinterlassenschaft krankt nicht, jedenfalls nicht bekanntlich und in der Presse auch nicht berichtet, an einem fehlenden Notfallordner, sondern am innerbetrieblichen Chaos bei Unister inklusive massiver Geldprobleme. Weswegen ja nach Wagners Tod die Unister-Unternehmen wie Dominosteine umfielen. Insolvent mangels Geld (wohl auch mangels Masse im Sinne des Insolvenzrechts? Der Ausgang ist vorläufig offen).

Nicht aber wurde oder wird die Situation bei Unister von einem etwa fehlenden Notfallordner bestimmt. Allenfalls als bekannt kann gelten, dass der Nachlass des unverheirateten und kinderlos gewesenen Thomas Wagner wohl an die Erben fällt. Wagners Schicksal ist zwar traurig, aber untauglich in Bezug auf Argumente pro Notfallordner.

Die Bank hilft. Doch!

Und der beschriebene Fall der Witwe des plötzlich verstorbenen Unternehmers? Dessen Notärzte hätten – im WiWo-Text wohl als unappetitliches Aperçu gedacht – „nach 53 Minuten“ aufgegeben. Wie viele Minuten nach dem Hirntod des Patienten ist das? Zurück zur Sache: Fehlten der Witwe PIN-Nummern und Zugang zu den Bankkonten, dann hätte ein Besuch bei ihrer Bank das Problem der Überweisungen schnell gelöst.

Neben den Gehältern hätte die Frau auch das Finanzamt mit Geld ausstatten können. Es sei ja lediglich die fehlende Bank-PIN das Problem der Witwe, Geld sei schließlich ausreichend auf der Bank gelegen, so das konstruierte Beispiel in der WiWo. Steuerprobleme (Stichwort Nachforderung des Finanzamts) hätte der Steuerberater für die Witwe lösen und ihr erklären können. Was der Autor in der WiWo (wohl?) meint, das ist die psychologische Komponente.

Psychologische Komponente nicht erwähnt

Mit einem übersichtlichen Notfallordner, der PIN-Nummern, wichtigste Verträge und Ansprechpartner in einer kompakten Sammlung bündelt, wüsste die Witwe – zumal nach dem plötzlichen Tod ihres Gatten – was wann wo mit wem zu tun ist. Aber dieser psychologische Aspekt, Beruhigung und Ordnung für eine geschockte Frau, steht nicht in dem Beitrag zu lesen. Dabei ist eine To-do-Liste wie sie ein guter Notfallordner bietet, für die Witwe mehr als eine Orientierung, gar ein Halteseil.

Der WiWO-Autor, im Zustand „IHK-zertifizierter Erbschaftsplaner und Generationenberater“ berichtet zu fehlenden Notfallordnern nach dem Tod des Unternehmers für noch viel Schlimmeres als seine Leser es möglicherweise befürchten. Zeuge sei der Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Dieser gehe nämlich davon aus, dass „bundesweit in den kommenden Jahren allein mehr als 200.000 Arbeitsplätze vernichtet werden, weil Chefs sich nicht die Mühe machen, für ihren plötzlichen Todesfall rechtzeitig vorzusorgen.“

Notfallordner ist aktuell. Seit 1998

Ob die „vernichteten“ Arbeitsplätze mit einem fehlenden Notfallordner zu tun haben oder ob „rechtzeitig vorsorgen“ etwa mit mangelndem Versicherungsschutz der „Chefs“ zu tun haben, das bleibt, liest man den Text in der WiWo kritisch eine Chiffre, ist aber kein differenziertes Argument zu Notfallordner beziehungsweise Versicherungsschutz der Höhe nach.

Kaum beeindruckend im Jahr 2016 ist der Hinweis des Autors, wonach die „Notfallakte nicht zwingend in Papier vorliegen“ muss. Digitale Notfallordner gibt es bereits. Aber in einem hat Autor Sobau recht. Der Notfallordner ist aktuell und wichtig. Seit 1998, als F.A.Z.-Autor ihn erstmals und seitdem ungezählte Male forderte, um Hinterbliebene zu unterstützen.

Anzeige


Anzeige