Die Bundesregierung will die Betriebsrenten als Baustein der Altersvorsorge stärken – so steht es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Und nun, ein Jahr vor der Bundestagswahl 2017, drückt Bundessozialministerin Andrea Nahles aufs Tempo. Laut einem Bericht von dpa diskutiert sie heute bei einem internen Treffen mit Sozialpartnern und Experten, wie die Bundesbürger und Betriebe bei der Altersvorsorge stärker in die Pflicht genommen werden können.

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Opt-Out-Lösung: Jeder Beschäftigte schließt Betriebsrente ab – wenn er nicht widerspricht

Dass die betriebliche Altersvorsorge bisher keine flächendeckende Versorgung gewährleisten kann, zeigen die nackten Zahlen. 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben keine Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben. Vor allem Gering- und Niedriglöhner nutzen diese Vorsorgeform kaum, obwohl sie im Alter besonders von Armut bedroht sind.

Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) arbeitet an einer Rentenreform. Quelle: BMAS/ Werner Schuering.

Nun soll eine Art sanfter Zwang für mehr Absicherung sorgen. Andrea Nahles bevorzugt ein sogenanntes Opting-Out-Verfahren für Betriebsrenten. Das bedeutet, jeder Arbeitnehmer muss in eine Betriebsrente einzahlen – solange er nicht explizit widerspricht. Der Vorteil einer solchen Regelung: auch jene Beschäftigten, die sich nicht aktiv um eine Altersvorsorge kümmern und deshalb keinen Vertrag abschließen, wären zunächst automatisch mit im Boot. Aufschieberitis ade!

Sozialpartnermodell Betriebsrente – mehr Macht den Tarifparteien

Die Opt-Out-Regelung soll für alle Beschäftigten gelten, unabhängig davon, ob sie Teil einer Tarifvereinbarung sind oder nicht. Hierin zeigt sich ein Problem im bevorzugten bAV-Modell von Andrea Nahles. Anfang 2015 präsentierte sie ein „Sozialpartnermodell Betriebsrente“, das vorsieht, gemeinsame Pensionskassen und -fonds zwischen den Tarifpartnern aushandeln zu lassen und bei Versorgungswerken anzusiedeln. Arbeitgeber und Gewerkschaften wären dann neue Herren über die Betriebsrenten.

Nicht nur die privaten Versicherer wären damit von der Betriebsrente ausgeschlossen. Es stellt sich auch die Frage, wo die Pensionskassen jener Arbeitnehmer angesiedelt werden sollen, die nicht Teil eines Tarifvertrags sind. In Ostdeutschland betrifft das mehr als jeden zweiten Beschäftigten, in Westdeutschland immerhin noch gut 40 Prozent. Es droht ein Flickenteppich verschiedener Einrichtungen, abhängig nach Branchen: etwa ein Versorgungswerk für Chemiearbeiter und eines für die Metallindustrie.

Wie können Pensionskassen auf den Niedrigzins reagieren?

Debattiert werden soll auf dem Treffen laut dpa ein weiterer Punkt: Wie können Pensionskassen in Zeiten des Niedrigzinses höhere Renditen erwirtschaften? Bisher sehen sie sich gezwungen, ihr Geld sehr konservativ anzulegen, und das heißt: einen Großteil der Mitgliedsbeiträge in festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen zu investieren. Diese werfen aber in Zeiten des Niedrigzinses kaum noch Renditen ab. Wer zum Beispiel Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zeichnet, muss seit Juni 2016 erstmals eine Gebühr zahlen.

Hier könnte eine Reform Abhilfe schaffen, auf Kosten der Sicherheit. Zukünftig soll den Sparern keine Garantierente mehr genannt werden, sondern nur noch eine sogenannte Zielrente. Damit wäre den zukünftigen Pensionären kein fester Betrag mehr zugesichert, sondern dieser nur als Ziel genannt. Der Vorteil: Die Pensionskassen könnten ihr Geld auch in lohnendere Aktiengeschäfte investieren, die Kapitalmarktchancen wären zum jetzigen Zeitpunkt höher. Der Nachteil: den Einzahlern wären nicht einmal die angesparten Beiträge als Rente sicher.

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Nachdem ein Jahr lang so gut wie nichts in Sachen bAV-Reform passiert ist, will Andrea Nahles nun endlich liefern, noch in dieser Legislaturperiode. Im Herbst geplant sind ein Spitzentreffen zur Rente sowie zwei weitere Veranstaltungen dieser Art. Am Ende soll ein tragfähiges Reformmodell stehen - für die private, betriebliche und gesetzliche Altersvorsorge.

dpa

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