Wer umfangreich zum Thema Krankenversicherung beraten will, der muss sich auch mit Themen wie Kostenerstattungsprinzip, wahlärztliche Behandlung und der Medikamentenversorgung auskennen. Diese These hat Gesundheitsexperte Hagen Engelhard im ersten Teil des Versicherungsbote-Interviews vertreten. Im zweiten Teil fordert er eine Spezialisierung der Vermittler.

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VB: Müssen Vermittler auch Experten für das Gesundheitssystem sein? Also nicht nur die Tarife kennen, sondern auch mit den Abläufen in Krankenhäusern sich vertraut machen? Das ist ja ein gewaltiger Themenkomplex, mit dem oft schon die Gesundheitsdienstleister vor Ort überfordert sind.

Hagen Engelhard ist Mitbegründer des Versorgungsnetzwerkes Medi-Kost-Net. Er gibt Seminare und hält Vorträge vor Ärzten, Versicherern, Pools und Gesundheitsdienstleistern. Engelhard: So unangenehm das für den ein- oder anderen sein mag, ich glaube, dass die Kenntnis allein der Tarife nichts bringt. Wenn man sich mit der Thematik Krankenversicherung auseinandersetzt, muss man tatsächlich ein weiteres Spektrum abdecken. Ich könnte mich mit Ihren Begriff „Experten im Gesundheitssystem“ durchaus anfreunden. Ich glaube, dass diejenigen Vermittler innerhalb der Krankenversicherung, egal ob Zusatz- oder Vollversicherung, die sich mit den Themen auskennen und weiterbilden, in Zukunft einen Vorteil haben werden. Der Verbraucher wird dann irgendwann merken, wer sich auskennt und wer nur weiterverkaufen will.

VB: Das heisst aber auch, von den Vermittlern wird eine fachliche Spezialisierung verlangt!

Engelhard: Auch das ist wieder eine These, die im Versicherungsvertrieb nicht so gerne gehört wird, das weiß ich. Aber ich bin Anhänger von Spezialisierungen. Ich glaube, dass ein Vermittler, der mir gegenübertritt und sagt: „Ich kann die Krankenversicherung, ich kann alle anderen biometrischen Produkte, ich kann Sach- und ich kann Altersvorsorge und auch noch Geldanlage“, irgendwo Defizite hat. Da sag ich: „Stopp, das glaub ich einfach nicht! Du kratzt nur an der Oberfläche!“

VB: Auch unser Magazin empfiehlt oft eine ganzheitliche Beratung, von Anlageberatung bis hin zu Sach- und Krankenversicherung. Aber Sie meinen, dass die ganzheitliche Beratung aus einer Hand eine Illusion ist, weil eine Vertiefung der einzelnen Themen oft nicht stattgefunden hat?

Engelhard: Ich glaube, das ist eine Illusion, zumal ich viele Vermittler, die sich mit Krankenversicherungen beschäftigt haben, auf den Markt schon gesehen habe. Also ich sage mal: 30.000 bis 40.000 Vermittler habe ich schon gesehen. Da hat eine hinreichende Zahl gesagt, wir verfolgen den ganzheitlichen Beratungsansatz und hatten aber speziell in der Krankenversicherung Wissensdefizite. Wenn ich dann hochrechne, was sie in anderen Bereichen, zu denen sie beraten, vermutlich auch nicht alles wissen! Dann fühle ich mich bei diesen Generalisten nicht mehr so gut aufgehoben. Es ist auch ungerecht zu fordern, dass die „Kollegen und Kolleginnen“ alles können! Was ich sehr wohl nachvollziehen kann, ist, wenn Vermittlerbüros sagen: wir machen eine ganzheitliche Beratung und haben unter unserem Dach mehrere Spezialisten für die einzelnen Themen. Ich kann mir auch vorstellen, dass man z.B. die Biometrie-Risiken unter einem Dach vereint. Eine Notwendigkeit zur Vertiefung sehe ich auf jeden Fall.

Ich möchte aber die Kollegen, die mit einem guten Ansatz und gutem Gewissen diesen ganzheitlichen Beratungsvorsatz ausprobieren, nicht beleidigen und sagen: „Ihr habt alle keine Ahnung, hört auf damit“. Ich glaube aber, viele dieser Kollegen sollten sich fragen, ob sie bei all diesen Themen wirklich gut sind und im Zweifel auch mal die Entscheidung treffen: “Ich ziehe einen Kollegen zu Rate, der vielleicht mit den Thema mehr verwachsen ist als ich.“

VB: Das muss sich dann auch in der Beratungsdokumentation des Vermittlers widerspiegeln. Sollte der Vermittler sich vom Kunden bescheinigen lassen, dass er nur zu bestimmten Themen beraten will? Weil eventuell ein Haftungsrisiko lauert, wenn Risiken nicht angesprochen werden?

Engelhard: Da gehe ich zu 100 Prozent mit. Ich bin ein sehr großer Freund von Makleraufträgen, weil man die Beratung damit inhaltlich abgrenzen kann. Ich rate auch den Kollegen, Aufträge zu machen und vorher mit den Endverbraucher ganz offen zu klären: „Thema ist heute nur erstens, zweitens, drittens“.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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