Kaum zu glauben, aber mit der deutschen Gesetzesversion der Finanzmarkt-Richtlinie der Europäischen Union (MiFid II) schraubt der Gesetzgeber die Regulierung vor allem der Banken zurück, wenn es um den tätigen Verkaufsrat der Banker in Richtung des Geldanlage suchenden Kunden geht. Statt wie bisher, immerhin seit 2010, dem Kunden am Ende des Gesprächs ein Protokoll zu übergeben, das den Gesprächsverlauf und den besprochenen Produktgegenstand beschreibt, soll der Banker dem Verbraucher künftig eine „Geeignetheitserklärung“ in die Hand drücken.

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Ein getauschtes Wort hätte große Wirkung

Dieses Stück Papier, so steht es bisher im Gesetzentwurf zur Umsetzung der MiFid II, soll dem Verbraucher „die erbrachte Beratung nennen sowie erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde“. Diese Worte schreibt der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) in eine Pressemitteilung. Knackpunkt ist die Gewerbeordnung, die Rat und Tat fast aller Finanzverkäufer reguliert. Dort soll im Paragraph 34 das Wort „Beratungsprotokolle“ durch das Wort „Geeignetheitserklärungen“ ersetzt werden.

Der Ort des juristischen Geschehens ist das unter Federführung des Bundesfinanzministers im Entstehen befindliche Finanzmarkt-Novellierungsgesetz. Und weil der Paragraph 34 neben Bankern und Finanzverkäufern verschiedener Art außerdem für Versicherungs-Vermittler gilt, sorgt sich der BVK um das ihm zwischenzeitlich so unlieb gewonnene Beratungsprotokoll, dass die Verkäufer von Policen bereits seit 2008 für ihren Kunden ausfüllen. Schließlich gibt es ja noch ein anderes EU-Gesetz, für das eine deutsche Version gebraucht wird, die EU-Vertriebsrichtlinie IDD (vormals bekannt als Vermittler-Richtlinie).

Vordruck bleibt Vordruck

Und eine Geeignetheits-Erklärung, zunächst eigentlich nur für den Wertpapierbereich gedacht und nun auch für „reine Versicherungsprodukte“ (BVK), aber nun ins deutsche Mifid-Gesetz geschrieben, widerspricht aus Sicht des BVK der Vertriebsrichtlinie IDD. In Konsequenz könnte durch den Tausch von Protokoll gegen Geeignetheits-Erklärung „zudem die im Gesetz (in § 61 Versicherungs-Vertragsgesetz) weiterhin vorgesehene Beratungspflicht mit Verzichtsmöglichkeit ausgehebelt werden“, schreibt der BVK. Und einen Verkauf ohne Beratung, auf die der Kunde verzichtet, diese Option will der Vermittlerlobby offenbar behalten.

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Andererseits: Da der Kunde schon in der Vergangenheit nicht wirklich an der Erstellung der Beratungsprotokolle zu seiner gekauften Versicherung beteiligt wurde, würde ein Tausch dieses Protokolls in eine Geeignetheitserklärung nichts an den Tatsachen ändern: Der Berater führte weiter das Gespräch und die Gesprächsstruktur. Der Kunde bliebe weiterhin der fachliche Unterlegene. Vordruck bliebe Vordruck. Aber einen Vorteil hätten die Kunden, wenn die Geeignetheitserklärung käme: Sie müssten kein Protokoll mehr unterschreiben, das sodann auch keine Beweisurkunde mehr wäre. Vor Gericht und im Streit um eine vermeintliche Falschberatung hätte der Verkäufer wieder die Beweislast!

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