„Nur wenn eine ,deutliche Verschlechterung’ der wirtschaftlichen Lage Amerikas eintrete, werde die Fed auf ihrer Sitzung im September auf eine Erhöhung des Leitzinses verzichten.“ So zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) auf ihrer Internetseite einen hochrangigen Vertreter der US-Notenbank Fed. Börsianer nennen solche Aussagen der Fed ein Zinssignal. Die Zinsen, gemeint sind vor allem die Staatsanleihen und damit die Lieblingspapiere deutscher Lebensversicherer in ihren Klassikpolicen, werden tendenziell wohl wieder steigen.

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Zwei Prozentpunkte mehr Zins wären problematisch

Die vorstehende Aussage zum Schicksal des Zinses könnte auch für deutsche Sparer relevant werden. Denn die US-Fed hat ihr „Tapering“, das Fluten des Finanzmarktes durch den Aufkauf von (Staats-) Anleihen, seit Herbst 2014 zurückgefahren. Bis dahin kaufte die Fed jahrelang monatlich für umgerechnet gut 80 Milliarden Euro Geld auf, um das einmal flapsig zu formulieren. Unter anderem, um neben dem teuren Irak-Krieg die Bankenrettung zu finanzieren. Der Welt-Zinstrend zeigt inzwischen leicht nach oben.

Am globalen Zinstrend ändert zumindest mittelfristig auch das Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) nur wenig, die seit diesem März monatlich 60 Milliarden Euro frisches Geld in den Anleihenmarkt pumpt. Bis Ende September 2016 sollen auf diese Weise 1,16 Billionen oder 1.160 Milliarden Euro den EU-Finanzmarkt fluten. Vor allem, um die Zinsen und damit die Schuldenlast der Staaten niedrig zu halten, die sich für die Bankenrettung massiv verschuldeten.

Merke weiterhin: Finanzkrise ist Bankenkrise

Zum logischen Schluss des Gesamtzusammenhangs und zum Verständnis der globalen Zinspolitik der Regierungen: Die Finanzkrise war und ist eine Bankenkrise. Dies ist eine nüchterne, kommentarfreie Feststellung. Versicherer haben das Weltwirtschaftssystem nämlich nicht ins Wanken gebracht. Einzige Ausnahme war die inzwischen wieder profitable, wenn auch zunächst für gut 180 Milliarden (!) US-Dollar sanierte AIG-Versicherung, die aber ausschließlich wegen Bankgeschäften in Schieflage geriet.

2016 steigen die Zinsen - und die Probleme der Lebensversicherer

In einem Jahr etwa, wenn die EZB kein Geld mehr in die Anleihemärkte pumpen wird, dürfte der Zins nach makroökonomischen Gesetzen steigen. Um wie viel exakt der Zins wächst, das steht in den Sternen. Aber Fachautoren der Deutschen Bundesbank verorten die kommenden Probleme namentlich der deutschen Lebensversicherer bei einem Plus der Zinsen von zwei Prozentpunkten. Stiege der Zins tatsächlich, kämen die Lebensversicherer unter Umständen in die Bredouille.

Lebensversicherer in Cash-Lock

Die Bredouillen-These vertreten die beiden Wissenschaftler Mark Feodoria und Till Förstemann in einem Diskussionspapier der Deutschen Bundesbank. Ihnen zufolge würden bei einem Zinsanstieg um mehr als zwei Prozentpunkte viele Lebensversicherungskunden von ihren bisher niedrig verzinsten Verträgen auf dann mutmaßlich rentablere Bankanlagen wechseln. Und: Der These der Wissenschaftler nach könnten die Versicherer ihrerseits keine höheren Überschussbeteiligungen nachlegen, weil sie in dem so genannten Cash-Lock säßen.

Der Spatz in der Hand ...

Die Lebensversicherer haben in der andauernden Niedrigzinsphase ihre Bilanzen mit lange laufenden Wertpapieren regelrecht einbetoniert, damit sie überhaupt noch anständig hohe Zinsen für ihre Kunden vereinnahmen und in der Folge in deren Verträge ausgießen können. Die Liquiditätspositionen der Versicherer, auch Bargeld genannt, sind dementsprechend gering bis Null. Für attraktive, mündelsichere und gemäß Solvency II eigenkapitalschonende Neuanlagen fehlt den Lebengesellschaften schlicht frisches Geld.

... oder die Taube auf dem Dach

Für besser verzinste Anlagen, frische und höher verzinste Anleihe-Kohorten der Staatsemittenten (der ersehnten „Taube auf dem Dach“, so eine alte deutsche Redewendung für unerreichbare Alternativen oder Chancen) fehlten den meisten Versicherern wohl die Mittel. Die Kombination aus „einbetonierten“ Mitteln und mutmaßlich neuen Anlage-Chancen ab 2016 nennt man „Cash-Lock“.

Wobei es zur „Wechselthese“ der Wissenschaftler Feodoria und Förstemann (Bundesbank-Papier) fraglich ist, ob Lebensversicherungssparer in Marktbreite wirklich rational handeln und tatsächlich in Massen zu besser verzinsten Bankanlagen wechseln würden! Dagegen sprechen rein logisch Milliarden Euro auf mit quasi null Prozent Zins „verzinsten“ Sparbüchern. So gesehen scheinen Feodoria und Förstemann zwar zins-logisch analysiert, aber das unlogische Finanzverhalten – nicht nur – der Deutschen (wissenschaftlich englisch „Financial Literacy“ genannt) eher nicht berücksichtigt zu haben.

Basis sind Daten von 2005 bis 2013

Feodoria und Förstemann wollen für die Bundesbank aus empirisch erhobenen Daten der Jahre 2005 bis 2013 erhoben haben, ab welchem Marktzins die größten deutschen Lebensversicherer Schwierigkeiten bekommen könnten. Ihr Urteil: "Das Aggregat größerer deutscher Lebensversicherer wäre Ende 2013 bei einem Zinsanstieg von mehr als 2,1 Prozentpunkten von einem Run bedroht gewesen." Dieser drastischen Formulierung ist zu widersprechen!

Ein Run? Kein Run!

Ein „Run“?! Dies impliziert oder unterstellt logisch und im Bild gesehen, als würden tausende Versicherungsnehmer mit ihren Policen vor der Allianz oder der Ergo Leben stehen und in langen Schlangen ihre Rückkaufswerte abheben wollen – wie bei einem so genannten „Bank Run“. Nach den Gesetzen der wirtschaftlichen Wahrscheinlichkeit analysiert, ist das kompletter Blödsinn; um einmal die zwischen die Zeilen des Bundesbank-Papiers geschriebenen mutmaßlichen Folgen eines Zinsanstiegs nicht zu kommentieren, aber zumutbar vernünftig einzuordnen.

Nach den Thesen, die im Bundesbank-Papier verbreitet werden, wären, so formuliert es aktuell „Spiegel Online“, bei einem Anstieg des Zinsniveaus um über zwei Prozentpunkte „die Kapitalpuffer bei der Hälfte der großen Versicherer aufgebraucht“. Diese Analyse des Hamburger Nachrichtenmagazins ist allerdings nicht ganz ohne fachliches Fundament; beruht sie doch auf dem bekannten Finanzstabilitätsbericht 2014 der Bundesbank. Dennoch gelten die genannten Zahlen auf Branchenwerten und sind (im einzelnen unbekannt) für jeden Versicherer im (öffentlich unbekannten) Einzelnen zu betrachten!

Auch die Aufsicht BaFin warnt

Ebenso, und weil direkt zuständig, hat die Versicherungsaufsicht der BaFin das für die Branche und ihre Kunden hohe Risiko von Dauertiefzinsen auf ihrem Prüfradar und wird "Wackelkandidaten" unter den Lebensversicherern genauer unter die Lupe nehmen. Branchenweit macht de BaFin 12 Milliarden Finanzierungslücken bei den Lebensversicherern aus. Dies hatte die Aufsicht Ende Juli mitgeteilt.

BaFin: Erst fehlten 15 Milliarden, nun nur noch 12 Milliarden Euro?

Eine gute Nachricht dazu? Noch im Herbst 2014 rechnete die BaFin mit 15 Milliarden Unterdeckungen bei den Versicherern. Wie immer gilt: Marktweit. Einzelne Unternehmen, also Namen der „Wackelkandidaten“, verschweigt die Behörde. Weil sie meint, es zu dürfen. Bis der erste solvente Pressekonzern namentliche Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz, dem die BaFin als Bundesbehörde zweifelsfrei unterliegt, einklagt.

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Garantiezahlungen wohl sicher

Und nun? „Man werde mit diesen Versicherern reden und ‚ihnen klarmachen, was bis wann geändert werden muss’", sagte BaFin-Chef Felix Hufeld laut Spiegel Online. Und weiter: „Dass in den nächsten Jahren Versicherer die versprochene Garantieverzinsung nicht mehr zahlen können, halte er aber ,derzeit für unwahrscheinlich’". Die Bilanzen der Versicherer hätten "noch ausreichend Puffer", je nach Länge und Andauern der Niedrigzinsphase, schreibt das Hamburger Nachrichtenmagazin in seiner Online-Ausgabe.

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