Solvency II ist ein Projekt der EU-Kommission zum Zwecke einer grundlegenden Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa. Es beinhaltet insbesondere Neuregelungen hinsichtlich der Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen. Vor Solvency II mussten Lebensversicherer nur ihre Versicherungsrisiken mit Eigenmitteln abdecken. Zukünftig sollen sie jedoch auch für Veränderungen im Kapitalanlagebereich gerüstet sein, was letztlich bedeutet, dass die Bewertung der getätigten Kapitalanlagen zu Marktpreisen zu erfolgen hat.

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Für Lebensversicherer ergibt sich aus Solvency II eine zumindest eigenartige Konstellation

Der am Boden liegende Zinsmarkt würde es eigentlich erfordern, dass Lebensversicherer z. B. mehr in Aktieninvestments investieren. Andererseits müssen derartige Aktieninvestments mit entsprechendem Eigenkapital der Versicherer hinterlegt werden (wohl bis zu 39 Prozent). Um wirklich marktgerecht am Aktienmarkt zu investieren, dürfte es den meisten Versicherern jedoch genau an diesem erforderlichen Eigenkapital mangeln. Letztlich verbleibt den Versicherern dadurch nur die Möglichkeit am derzeit unattraktiven Markt der Staatsanleihen zu investieren oder Policen zu bevorzugen, bei welchen der Altersvorsorgesparer selbst das Kapitalanlagerisiko trägt. Bei diesen Produkten stellt sich allerdings die Frage, warum Verbraucher einen teuren Versicherungsmantel wählen sollen, wenn die gleiche Anlage ohne teuren Versicherungsmantel in Form offener Investmentfonds getätigt werden kann.

Sind Staatsanleihen risikolos?

Besonders merkwürdig ist, dass laut Solvency II Investitionen der Versicherer in Staatsanleihen ein Risiko von Null haben, also nicht mit Eigenkapital der Versicherer hinterlegt werden müssen. Sollte die EU-Kommission dies tatsächlich ernst meinen, und danach sieht es aus, dann handelt es sich vermutlich um den größten Treppenwitz seit Bestehen anlagebasierter, klassischer Lebens- und Rentenversicherungen.

Wahrheitsverdrängung oder wissentliche Enteignung?

Augenscheinlich hat die EU-Kommission die Staatsschuldenkrise, einhergehend mit dem Ertragsverfall von Staatsanleihen und deren Bonitätsherabstufung, im Großteil von Europa nicht bemerkt. Oder man hat es doch bemerkt und versucht auf diesem Wege die Staaten zu entschulden und die bei den Verbrauchern bestehenden Geldmengen bewusst abzuschöpfen. Zur Erinnerung sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich hier um die private Altersvorsorge der Bürger handelt.

Zumindest die Deutsche Bundesbank legt ihr Veto ein

Im Finanzstabilitätsbericht 2014 Deutsche Bundesbank ist zu lesen (in verständliches Deutsch übersetzt): „Der Geldbedarf der Staaten führt zu einer Privilegierungen staatlicher Verbindlichkeiten in der Regulierung des Finanzsektors. Diese Bevorzugung sollte mittel- bis langfristig beendet werden. Forderungen gegenüber staatlichen Schuldnern sollten angemessen mit Eigenmitteln unterlegt werden.“ Dies ist in Anbetracht der Brisanz solchen Vorgehens und den möglichen Folgen sehr vornehm ausgedrückt. Eine deutlichere Formulierung zu einem derart unglaublichen Vorgang wäre sicher wünschenswert gewesen.

Wie viele Lebensversicherer müssten den Markt verlassen?

Die eigentlich erforderliche, sofortige Abkehr von der angeblichen Risikolosigkeit bei Staatsanleihen würde schlagartig zu einem enormen Eigenkapitalbedarf bei den Versicherern führen. Ein Beispiel: Die Renditen italienischer Staatsanleihen rentieren laut Grafik von markt-daten.de seit 1980 grob gesehen von über 20 Prozent bis unter 3 Prozent. Andere, neuere Staatsanleihen sind derzeit gar im negativen Zinsbereich. Das sind Schwankungsbreiten, die unter objektiver Betrachtungsweise sofort eine Eigenkapitalhinterlegung der Versicherer bei Investitionen in Staatsanleihen einfordern müssten (wie z. B. bei Aktien).

Dass alle Lebensversicherer dazu unmittelbar in der Lage sind, darf sicher bezweifelt werden, Insolvenzen von Versicherern wären die Folge. Die Schutzeinrichtung der Lebensversicherer (Protektor) wäre wohl mit einer Vielzahl von Insolvenzen überfordert. Darüber hinaus könnten die satzungsmäßigen Nachschusspflichten von Protektor dazu führen, dass eigentlich gesunde Versicherer ebenfalls in die Insolvenz gerissen werden.

Also doch eine Mogelpackung

Aus meiner Sicht ist Solvency II eine aus staatlichem Interesse geschaffene Mogelpackung, welche Inhabern von klassischen Lebens- und Rentenversicherungspolicen eine Sicherheit vorgaukelt, die in Wirklichkeit nicht einmal ansatzweise vorhanden ist. Die Lebensversicherer selbst können dafür nicht wirklich etwas, denn auch sie sind in diesem Falle Spielball staatlicher Interessen der EU-Gemeinschaft. Ein Teufelskreis, dem Altersvorsorgesparer nur durch fachlich versierte, persönliche Beratung entfliehen können.

Verbraucher sollten schnellstens selbst aktiv werden

Unbestritten ist private Altersvorsorge unverzichtbar! Verbraucher müssen aber sehr schnell lernen, dass Geld selbst eben nicht arbeiten kann, dass es keine(!) Anlage ohne Risiko gibt und dass die nachhaltige Wertsteigerung einer Anlage nur durch tatsächliche Schaffung von Mehrwerten möglich ist. Dies bedeutet nichts anderes, als die Investition in Produktiv- und Sachwerte, also vorzugsweise die Investition in offene(!) Aktien- und Immobilienfonds. Die Auswahl ist riesig, die Ansätze sind verschieden. Gerade deshalb sollten Verbraucher hier keinesfalls auf persönliche Beratung verzichten.

Beratung ja, aber wo?

Beratungen zu Sparverträgen, sonstigen Geldanlagen und zur Altersvorsorge sollten Verbraucher eher nicht bei ihrer Sparkasse oder ihrer Hausbank in Anspruch nehmen. Eine von Produktgebern unabhängige Beratung erhalten Verbraucher bei freien, ungebundenen Finanzanlagenvermittlern oder unabhängige Honorarberatern. Dies gilt im Übrigen auch für die Prüfung schon bestehender Verträge.

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Verbraucher sollten im Beratungsgespräch unbedingt die schriftliche Beratungsdokumentation einfordern und diese sorgfältig vor Unterschrift lesen. Im Weiteren sollten sie bedenken, dass Anlagen im grauen Kapitalmarkt (z. B. stille Beteiligungen, Venture-Capital, Schiffsbeteiligungen, geschlossene Fonds etc.) oder hochriskante Anlagen z. B. in Optionen oder Zertifikaten zur Altersvorsorge ungeeignet sind …

meint Ihr
Freddy Morgengrauen

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