Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im August 2014 ein Expertengremium ins Leben rief, um den Investitionsstau in Deutschland zu bekämpfen, rieben sich viele Beobachter verwundert die Augen. Erklärtes Ziel ist es, mehr private Geldgeber für Infrastruktur-Projekte zu gewinnen. Doch die Gabriel-Kommission scheint alles andere als unabhängig. Als einschlägige Experten sitzen mehrheitlich Wirtschaftsvertreter mit am Tisch – darunter der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, Ergo-Vorstand Torsten Oletzky sowie Helga Jung von der Allianz. “Der Wirtschaftsminister plant ein Milliardengeschenk für Versicherungen und Banken“, polemisierte Zeit Online-Redakteur Fabian Lindner auf dem Blog „Herdentrieb“.

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Regionale Infrastrukturfonds sollen mehr Investitionen ermöglichen

Nun nehmen die Pläne der Gabriel-Kommission immer konkretere Formen an – und tatsächlich könnte am Ende eine Teilprivatisierung von Infrastruktur und kommunalen Einrichtungen stehen. Auf den ersten Blick scheinen die Pläne verlockend. Durch den sogenannten „Nationalen Investitionspakt für Kommunen“ sollen zwischen 2016 und 2018 rund 15 Milliarden Euro zusätzlich für marode Straßen und Schulen fließen. Allein der Bund will die Städte mit fünf Milliarden Euro entlasten, heißt es in einem Zwischenbericht der Kommission. Geld, das dringend gebraucht wird.

Als Gegenleistung müssen sich die Kommunen quasi verpflichten, private Geldgeber mit ins Boot zu holen. Hierfür werden sogenannte „regionale Infrastrukturfonds“ geschaffen, die sich an den Bauprojekten der Städte beteiligen sollen. Das Ziel dieser Infrastrukturfonds sei es, die Kosten an Investoren wie „Pensionsfonds, Stiftungen, mittelgroße Versicherungen und private Sparer“ weiterzugeben, berichtet die Welt am Sonntag. Gerade bei kleineren Bauvorhaben wie Schulen oder Kitas könnten so die Finanzierungskosten gesenkt werden.

Das muss zunächst nichts Schlechtes bedeuten. Speziell die Einrichtung von Bürgerfonds findet beim Deutschen Städte-und Gemeindebund Zustimmung. „Private Sparer könnten hier ihr Geld anlegen, was öffentlichen Investitionen zugute kommt“, sagt DstGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Welt am Sonntag. Werden also die Städte und Gemeinden von den jetzigen Plänen profitieren – und damit auch die Steuerzahler?

Experten bemängeln hohe Kosten und fehlende Transparenz

Das Problem: Private Geldgeber werden für öffentliche Investitionen nur zu gewinnen sein, wenn sie auch davon profitieren. Das heißt, wenn die Projekte eine ausreichend hohe Rendite abwerfen, möglichst über eine lange Zeit hinweg. "Ohne Renditeanreize geht es nicht, das weiß Gabriel, der neue Wirtschaftsfreund“, kommentierte das Handelsblatt bereits im August. „Die Finanzbranche gibt ihre Milliarden nicht ohne staatliche Gegenleistung."

Nach Angaben des Bundesrechnungshofes sind die meisten PPP-Projekte tatsächlich teurer als rein öffentliche Lösungen. Anstatt versprochener Einsparungen von circa 40 Prozent kosteten einzelne Projekte bis zu 46 Prozent mehr, so ein Gutachten im Auftrag des Bundestages. Zudem seien Kredite für private Unternehmen derzeit teurer als für den Staat, was von vorn herein die Kosten erhöhe. Auch die ausgeschütteten Gewinne müssten vom Steuerzahler erwirtschaftet werden.

Ein weiteres Problem: Das neue Modell erlaubt es den Kommunen, ihre Schulden vor den Rechnungsprüfern zu verstecken. Da die Kosten häufig über einen Zeitraum von 30 Jahren verteilt werden, tauchen sie in den Bilanzen nicht auf bzw. werden nicht als Verschuldung gerechnet. „Neue Finanzierungswege zur Stärkung der öffentlichen Investitionen dürfen nicht zur Intransparenz der öffentlichen Haushalte führen“, kritisiert Christoph Weiser, Chef der Konferenz der Rechnungshöfe von Bund und Ländern. Im Zweifel sind PPP-Projekte für Kommunen ein Anreiz, sich immer höher zu verschulden.

Sigmar Gabriel sind diese Einwände bekannt. Und so sollen den Städten eine „Kommunale Infrastrukturgesellschaft“ an die Seite gestellt werden, die sie bei Infrastrukturprojekten berät. Ziel sei es, „die Wirtschaftlichkeit von Infrastrukturprojekten sicherzustellen und Effizienzgewinne zu ermöglichen“, zitiert WamS aus dem Zwischenbericht.

Autobahn-Maut könnte kommen

Weit fortgeschritten sind laut „Welt am Sonntag“ bereits die Pläne der Kommission für die Autobahn-Finanzierung. Auch diese dürften vielen Steuerzahlern nicht gefallen. Die Expertenkommission plädiert demnach für die Einführung einer allgemeinen PKW-Maut wie in Frankreich und Österreich. Die Höhe der Maut soll durch eine Aufsichtsbehörde reguliert werden, „um einen potentiellen Missbrauch von Monopolmacht zu vermeiden“.

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Eine sogenannte „Bundes-Autobahnen-Infrastrukturgesellschaft“ (BautIG) soll dann für den Ausbau und Betrieb der Autobahnen zuständig sein. Dieses Organ finanziert sich über Mauteinnahmen und private Investoren, auch die Aufnahme von Schulden ist ihm erlaubt. „Damit werden idealerweise keine Steuermittel mehr benötigt“, heißt es, weshalb der Autobahn-Ausbau nicht unter die Schuldenbremse falle. Eine gewagte These: Sowohl die Maut als auch die Gelder für private Investoren werden vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen.

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