Zuwächse im Kundenstamm lassen sich auf drei Wegen generieren, und zwar

Anzeige

  • durch die eigenaktive Neukunden-Akquise,
  • durch Mundpropaganda und Empfehlungsmarketing, durch das Reaktivieren verlorener Kunden.

Während die Neukundenakquise und das Empfehlungsmarketing regelmäßig im Fokus stehen, sind verlorene Kunden oft geradezu tabu. Sie sind die ungeliebten Kinder im Verkauf. Denn sie haben unangenehme Wahrheiten parat. Sie führen uns Niederlagen und persönliches Versagen vor Augen. Sie können der Karriereplanung im Weg stehen. Oder einen Schatten auf die eigene Herrlichkeit werfen. Vor allem aber: Den Abtrünnigen nachzulaufen hat einen entwürdigenden Beigeschmack. Für Siegertypen ist das nichts.

So kommt es, dass der gleiche Verkäufer, der sich für einen mittelmäßig erfolgversprechenden Neukunden mächtig ins Zeug legt, einen ehemals hochprofitablen Kunden einfach ziehen lässt, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Dabei bietet die systematische Kundenrückgewinnung oft ungeahnte Chancen. Denn im Ex-Kundenkreis schlummert ein beträchtliches Potenzial. Die professionelle Kundenrückgewinnung muss somit stärker in den Brennpunkt rücken. Sie kann sich zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil entwickeln. In vielen Punkten ist sie der Neukunden-Akquise deutlich überlegen.

Jäger nach dem verlorenen Schatz

Vor einer ausgesprochenen Kündigung steht meist die innere Kündigung. Erkennen Sie Zeichen dafür, dass ein Kunde auf dem Absprung ist? Dann reagieren Sie sofort!

So werden unzufriedene Kunden oft zunächst mit einer Kündigung drohen. Dies geschieht im Allgemeinen in Zusammenhang mit einer Reklamation. Ein unprofessionelles Beschwerdemanagement ist ein überaus häufiger Abwanderungsgrund. Wer also Profi in Sachen Reklamationsbearbeitung ist, kann sich so manche unliebsame Kündigung ersparen.

Hat ein Kunde (dennoch) gekündigt, ergeben sich zwei Ansatzpunkte:

Sofort: Verträge haben in aller Regel eine Kündigungsfrist. Zwischen Kündigung und Vertragsende liegt demnach eine angemessene Zeit, in der man reagieren kann. Nicht immer wurde bereits ein neuer Vertrag unterschrieben. Somit ergibt sich für den Kunden die Möglichkeit, seine Kündigung rückgängig zu machen. Bestätigen Sie die Kündigung also nicht postwendend. Machen Sie zu­nächst einen Rückholversuch. Je schneller Sie dabei reagieren, desto besser.

Viel später: Für den Fall, dass der Kündiger bereits einen neuen Vertrag unterschrieben hat, lässt sich das Ende der neuen Vertragszeit ermitteln. Nun bleibt man mit dem Abtrünnigen in Kontakt, um ihn rechtzeitig vor Vertragsende wieder anzusprechen. Vielleicht ist Ihr Ex-Kunde ernüchtert von seiner neuen Wahl, der ‚Honeymoon-Effekt’ ist vorbei, und er weiß endlich zu schätzen, was er einst an Ihnen hatte. Signalisieren Sie dem Kunden, dass Ihre Türen jederzeit für ihn offen stehen. Natürlich nur, wenn Sie diesen Kunden tatsächlich gerne zurück haben wollen.

Souverän reagieren

Reagieren Sie auf eine Kündigung niemals beleidigt oder angesäuert. Selbst ein Kundenverlust lässt sich mit Freundlichkeit verbinden. Lesen Sie beispielsweise einmal aufmerksam das Anschreiben durch, das Sie verwenden, um den Eingang einer Kündigung zu bestätigen. Ist es ein liebloser, mürrischer, in Amtsdeutsch gehaltener Formbrief? Die Kündigungsbestätigungen mancher Versicherungsgesellschaften sind, weil automatisch erstellt, oftmals nicht einmal unterschrieben! Was für ein Mangel an Wertschätzung für einen meist langjährigen Kunden!

Kunden, deren Kündigung ohne weitere Bemühungen angenommen wird, fühlen sich schlecht. Und das mit Recht, denn man signalisiert ihnen, dass sie nicht von Bedeutung sind. Hingegen fühlen sich Kunden gut, wenn sie erleben, dass ein Rückholversuch unternommen wird. Denn dies signalisiert: Lieber Kunde, Sie sind uns wirklich wichtig.

Stellen Sie unbedingt sicher, dass der womöglich letzte Eindruck, den der Kunde von Ihnen erhält, ein positiver ist. Was demnach absolut tabu sein sollte: angeblich verschlampte Kündigungsschreiben, absichtlich nicht bearbeitete Reklamationen, Beschimpfungen und Beleidigungen, üble Nachrede. Dem Kunden muss es beinahe Leid tun, dass er die Entscheidung getroffen hat, Sie zu verlassen. So können Sie etwa anfragen, ob Ihr Ex-Kunde auch weiterhin Ihren Newsletter oder eine etwaige Kundenzeitschrift beziehen möchte. Oder Sie senden ihm ein kleines Erinnerungsgeschenk. Die Amerikaner nennen das einen ‚Beautiful Exit‘. Hierbei schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe:

  1. Der Ex hat allen Grund, positiv über Sie zu sprechen. Vielleicht hatte Ihre Leistung ja Mängel, aber die Art und Weise, wie Sie sich verabschiedet haben, die hatte Stil.
  2. Sie bleiben in guter Erinnerung und halten die Türe ein wenig offen für eine spätere Rückkehr beziehungsweise einen zweiten Wiedergewinnungsversuch.

Lassen Sie also eine Brücke stehen! Es ist schon vorgekommen, dass solch rührendes Bemühen noch Kunden zurückgelockt hat, die zunächst nicht rückkehrbereit waren.

Wie Sie systematisch vorgehen

Im Rückholmanagement benötigen Sie schriftlich definierte Ziele, einen schlagkräftigen Plan und Systematik. Grundsätzlich gibt es zwei Zielrichtungen: Oberstes Ziel sollte es sein, ein Maximum an lukrativen verlorenen Kunden zurück zu gewinnen. Daneben können die gewonnenen Erkenntnisse genutzt wer­den, um zukünftige Kundenverluste weitestgehend zu vermeiden. Folgende Unterziele lassen sich bilden:

  • Hohe Neuakquise-Kosten zum Ersatz der verlorenen Kunden sollen vermieden werden.
  • Das Image als kundenfokussiertes Unternehmen am Markt soll gefestigt werden. Negative Mundpropaganda soll eingedämmt werden.
  • Die dem Abwandern zugrunde liegenden Mängel sollen behoben werden.
  • Das Leistungsangebot soll verbessert und kundenfreundlicher gestaltet werden.
  • Die Prävention von Kundenverlusten soll verbessert werden.
  • Eine gute Basis für die ‚2. Loyalität’ der Kunden soll gelegt werden.

Sind die Ziele definiert, benötigen Sie nun einen Umsetzungsplan. Folgende Entscheidungen sind dabei zu treffen:

  • Welche Kunden wollen Sie überhaupt zurück?
  • Wer soll die verlorenen Kunden ansprechen?
  • Was wollen Sie diesen anbieten?
  • Wann soll dies erfolgen?
  • Wie soll das Reaktivierungsgespräch verlaufen?

Wen wollen Sie zurück?

Nicht jeden Kunden wollen Sie zurück. Und nicht jeder Kunde will zu Ihnen zurück. Zu den erfolgskritischen Faktoren gehört daher auch die Vorauswahl solcher Kunden, die lukrativ und zurückholbar sind. Die Abwanderung wertarmer Kunden ist durchaus erwünscht. Und es gibt Kunden, die wünschen Sie der Konkurrenz viel lieber als sich selbst. Das sind:

  • im Firmenkundengeschäft: Kunden kurz vor der Insolvenz,
  • untragbare, hochproblematische, ernst­haft schwierige Kunden,
  • Schnäppchenhopper, Rosinenpicker und Konditionenhascher, die nur auf unrentable Billigangebote aus sind.

Bevor Sie sich an die Rückgewinnung der Abtrünnigen machen, müssen Sie also die Spreu vom Weizen trennen. Dabei wollen Sie sich nicht von subjektiven Einschätzungen oder persönlichen Vorlieben leiten lassen, Sie brauchen vielmehr ein objektives Bewertungssystem.

Anne M. Schüller gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und zehnfache Buch- und Bestsellerautorin lehrt an mehreren Hochschulen. Sie zählt zu den besten Speakern im deutschsprachigen Raum. Kontakt: www.anneschueller.de. Das Buch zum Thema: Anne M. Schüller, Come back! Wie Sie verlorene Kunden zurückgewinnen, Orell Füssli Verlag.

Anzeige


Anzeige