Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll noch in dieser Wahlperiode der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen einerseits und mit kognitiven und psychischen Einschränkungen (insbesondere Demenzkranke) andererseits soll dadurch wegfallen. Im Zentrum steht der individuelle Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen. Dadurch wird die Pflegeversicherung auf eine neue Grundlage gestellt. Zur Finanzierung der Leistungsverbesserungen werden mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz die Beiträge zur Pflegeversicherung um weitere 0,2 Prozentpunkte angehoben.

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Bereits das erste Pflegestärkungsgesetz, das zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll, sieht Leistungsverbesserungen vor, die auch schon umsetzen, was mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gewollt ist: eine bessere Berücksichtigung der individuellen Situation von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen und einen Abbau von Unterschieden im Umgang mit körperlichen und geistigen Einschränkungen.

Fünf Pflegegrade, die der individuellen Pflegebedürftigkeit besser gerecht werden

Statt drei Pflegestufen soll es künftig fünf Pflegegrade geben, die der individuellen Pflegebedürftigkeit besser gerecht werden. Bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit soll nicht mehr zwischen körperlichen, geistigen und psychischen Beeinträchtigungen unterschieden werden.

Ausschlaggebend dafür, ob jemand pflegebedürftig ist, wird der Grad der Selbstständigkeit sein: Was kann jemand noch alleine und wo benötigt er oder sie Unterstützung? Davon profitieren alle Pflegebedürftigen - Demenzkranke und Menschen mit körperlichen Einschränkungen - gleichermaßen. Ausgehend von der Selbstständigkeit einer Person wird das Stadium der Einschränkung in fünf Grade eingestuft, von geringer Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (Pflegegrad 1) bis zur schwersten Beeinträchtigung, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergeht (Pflegegrad 5).

Um den Grad der Selbstständigkeit einer Person zu messen, werden Aktivitäten in sechs pflegerelevanten Bereichen untersucht. Das Verfahren berücksichtigt erstmals auch den besonderen Hilfe- und Betreuungsbedarf von Menschen mit kognitiven oder psychischen Einschränkungen. Bei dem neuen Begutachtungsverfahren wird nicht wie bei der bisher geltenden Methode die Zeit gemessen, die zur Pflege der jeweiligen Person durch einen Familienangehörigen oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt wird, sondern es werden Punkte vergeben, die abbilden, wie weit die Selbstständigkeit eine Person eingeschränkt ist. Anhand der Ergebnisse der Prüfung werden die Pflegebedürftigen in einen der fünf Pflegegrade eingeordnet.

Schritte vor der Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs

Vor der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs muss sicherstellt werden, dass sich das neue Begutachtungssystem in der Praxis bewährt und die Verbesserungen auch wirklich bei den Pflegebedürftigen ankommen. Das wird im Laufe diesen Jahres erprobt und dient als Basis für das zweite Pflegestärkungsgesetz.

Ablauf der Erprobung

Die Erprobung wird im Rahmen von zwei Modellprojekten geschehen, die durch den GKV-Spitzenverband koordiniert werden.

In einem Modellprojekt – der „Praktikabilitätsstudie zur Einführung des Neuen Begutachtungsassessments“ – wird untersucht, ob sich das neue Begutachtungsverfahren in der Praxis bewährt. Dadurch sollen durch den Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2013 vorgeschlagene Modifizierungen (z.B. bei Kinderbegutachtungen, bei besonderen Bedarfskonstellationen – Härtefällen, und bei der Klärung des Rehabilitationsbedarfs) überprüft und mögliche Probleme bei der neuen Begutachtung frühzeitig aufgedeckt werden. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbands.

In einem zweiten Modellprojekt zur „Evaluation des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) – Erfassung von Versorgungsaufwänden in stationären Einrichtungen“ wird untersucht, welche Leistungen mit welchem Zeitaufwand für die einzelnen Pflegebedürftigen erbracht werden. Außerdem wird untersucht wie die Pflegebedürftigen nach dem neuen System eingestuft würden. Daraus ergibt sich ein Bild, wie sich heutiger Pflegeaufwand und zukünftiger Pflegegrad in der stationären Pflege zueinander verhalten. Dies sind wichtige Hinweise für die Gesetzgebungsarbeit. Mehr Informationen auch zu diesem Modellprojekt finden Sie auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbands.

Modellprojekt ist bereits gestartet

Mit der Umsetzung der Modellprojekte wurde bereits begonnen: zunächst werden die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung auf die neuen Regeln geschult. Anschließend werden insgesamt 4.000 Pflegebedürftige in ganz Deutschland, Erwachsene und Kinder, zu Hause und in Pflegeheimen begutachtet – und zwar nach den geltenden und den künftigen Regeln. Parallel wird durch Pflegekräfte begleitet und erfasst, welche konkreten Leistungen in Pflegeheimen mit welchem Zeitaufwand erbracht werden.

Die Ergebnisse der beiden Studien werden Anfang 2015 vorliegen und können dann im Gesetzgebungsprozess zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs berücksichtigt werden. Begleitet wird die Arbeit an diesen beiden Studien durch ein Begleitgremium, in dem neben Vertretern des BMG, des BMSFJ, des BMAS sowie des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, und dem GKV-Spitzenverband, weitere Institutionen aus Wissenschaft, den Ländern, Leistungserbringerorganisationen, dem Deutschen Pflegerat, dem Patienten- bzw. Verbraucherschutz und der Pflegekassen vertreten sind.

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Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff soll noch in dieser Wahlperiode eingeführt werden.

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