In Deutschland gibt es einen bedenklichen Trend. Ob in München, Offenbach oder Leipzig: Kliniken und Krankenhäuser bauen bundesweit tausende Personalstellen ab, weil die Einrichtungen teils notorisch unterfinanziert sind. Fast die Hälfte der deutschen Krankenhäuser sei nicht ausreichend investitionsfähig und werde folglich harte Sparmaßnahmen ergreifen müssen, warnte jüngst das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

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Doch das ist eine Politik, die im Zweifel Menschenleben kosten kann, wie eine aktuelle Studie unter Federführung des Center for Health Outcomes and Policy Research der University of Pennsylvania zeigt. Die Forscher haben untersucht, welche Auswirkungen Arbeitsbelastung und Ausbildung des Pflegepersonals auf das Patientenwohl in Krankenhäusern hat. Das Ergebnis: Mit jedem Patienten, den eine Krankenschwester zusätzlich betreuen muss, steigt nach einem chirurgischen Eingriff die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient binnen 30 Tagen nach Krankenhauseinlieferung stirbt.

Korrelation zwischen stationärer Mortalität und Personalschlüssel

Wie das Ärzteblatt berichtet, hat das internationale Forscherteam die Daten von mehr als 420.000 Patienten ab einem Alter von 50 Jahren untersucht, die sich in neun europäischen Ländern schweren chirurgischen Eingriffen unterzogen haben. Die Arbeitsbelastung der Krankenschwestern wurde mit der sogenannten Patient/nurse-Ratio abgebildet: dem Zahlenverhältnis, um wieviele Patienten sich eine Fachkraft gleichzeitig kümmern muss.

Der Ausbildungsstand des Personals wurde anhand der Zahl jener Pflegekräfte und Schwestern ermittelt, die einen Bachelorabschluss haben. Dies ist freilich umstritten, sagt doch ein Bachelor wenig darüber aus, von welcher Qualität die praktische Ausbildung der Pfleger ist. Entsprechend der Definition müsste Spanien und Norwegen das am besten ausgebildete Krankenhauspersonal haben (100 Prozent Bachelor-Krankenschwestern), England und die Schweiz das am schlechtesten ausgebildete Personal (28% und 10% Bachelor-Abschlüsse).

Das Ergebnis der Studie: Mit der Arbeitsbelastung der Pflegerinnen und Pfleger steigt auch die Sterberate der Patienten. Mit jedem zusätzlichen Patienten, den eine Schwester versorgen müsse, nehme auch die Wahrscheinlichkeit um 7 Prozent zu, dass der Patient innerhalb von 30 Tagen nach der Einlieferung sterbe.

Auch zwischen der Höhe des Bildungsabschlusses und dem Patientenwohl konnten die Wissenschaftler eine Korrelation beobachten, erläutert die Ärztezeitung. Um 7 Prozent nehme demnach die Patientensterblichkeit ab, wenn die Zahl der Schwestern mit Bachelor-Abschluss um zehn Prozent höher liege. In Kliniken, in denen sogar 60 Prozent des Krankenpersonals einen Bachelor haben und sich im Schnitt um sechs Patienten kümmern, liege die Sterblichkeit um 30 Prozent unter jenen Kliniken, in denen nur 30 Prozent einen Bachelor haben und eine Fachkraft gleichzeitig 8 Patienten betreuen muss.

Arbeitsbelastung und Qualifikation der Pfleger wichtig für Behandlungsqualität

Die Studie legt nahe, dass Patienten im Krankenhaus von einer möglichst niedrigen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals ebenso profitieren wie von einer guten Ausbildung der Pflegekräfte. In Deutschland vollzieht sich jedoch gerade die entgegen gesetzte Entwicklung: Immer weniger Krankenschwester und -pfleger müssen sich um immer mehr Patienten kümmern. Das haben Untersuchungen wie z.B. das "Pflege-Thermometer" des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung gezeigt.

Die hohe Belastung fordert ihren Tribut. „Im Bundesdurchschnitt bleiben Kranken- und Altenpfleger sieben Jahre lang in ihrem Beruf. Danach wechseln sie aufgrund der Belastung in einen anderen Job“, berichtete Martin Wieth, Betriebsratsvorsitzender des Seniorenpflegeheims in Zwickau, bei einem Pflegekongress. Oft könnten die Pfleger es auch moralisch nicht verantworten, länger in ihrem Job zu bleiben.

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Prof. Dr. Daniel Grandt vom Universitätsklinikum Saarbrücken gibt jedoch zu bedenken, dass die Ergebnisse der Studie nicht einfach auf das deutsche Gesundheitssystem anwendbar seien. „In Deutschland gibt es im Unterschied zu den untersuchten Ländern bisher keine Akademisierung der praktisch Pflegenden“, sagte Grandt der Ärztezeitung. Übertragbar sei jedoch zwingend die Erkenntnis, dass zwischen Personalschlüssel und Behandlungsqualität im Krankenhaus ein Zusammenhang bestehe.

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