Der AfW setzte letztinstanzlich im Rahmen eines Wettbewerbsprozesses durch, dass die AOK Nordost es zukünftig zu unterlassen hat, ohne die notwendige Erlaubnis nach § 34 d Gewerbeordnung private Krankenzusatzversicherungen anzubieten, zu ermöglichen und/oder mit einem derartigen Angebot zu werben. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden mit bis zu 250.000 € oder Ordnungshaft an den Vorständen der AOK Nordost geahndet.

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In der Vorinstanz vor dem Brandenburgische Oberlandesgericht (Az. 6 U 20/11) war der Verband noch unterlegen.

Der Rechtsstreit erfolgte vor folgendem Hintergrund: Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. ist der Berufsverband unabhängiger Finanzdienstleister. Seine Mitglieder sind qualifizierte und registrierte Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler. Der Verband sah in der Vermittlung von privaten Versicherungen durch Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkasse AOK Nordost einen Verstoß gegen Paragraf 34 d Gewerbeordnung (GewO).

Der § 34 d GewO wurde 2007 insbesondere eingeführt, damit Verbrauchern nur noch qualifizierte, registrierte und mit einer Berufshaftpflichtversicherung ausgestattete Versicherungsvermittler gegenüber treten. Nach dieser Vorschrift bedarf es zur Vermittlung von privaten Versicherungsverträgen einer gewerberechtlichen Erlaubnis und einer Registrierung bei der örtlich zuständigen IHK. Weder die AOK Nordost noch die einzelnen Mitarbeiter haben eine solche Erlaubnis und Registrierung.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht als Vorinstanz war noch der Auffassung, dass die AOK Nordost nicht der Erlaubnispflicht des 34 d GewO unterliegt. Dort hieß es, dass der AOK die Vermittlung privater Zusatzversicherungen mit dem bereits seit 2003 existierenden § 194 Abs. 1a SGB V als spezialgesetzliche Regelung gestattet ist, welche den erst 2007 eingeführten § 34 d GewO verdrängt. Diese Vorschrift aus dem Sozialgesetzbuch erlaubt den gesetzlichen Krankenkassen die Vermittlung privater Zusatzversicherungen, wenn die Satzung dies – wie bei der AOK Nordost - vorsieht.

„Der BGH würdigte nun – im Gegensatz zu den Vorinstanzen - den Umstand, dass die gewerberechtliche Regulierung der Versicherungsvermittlung erst später erfolgte. Er schloss sich damit unserer Meinung an, dass die 2007 eingeführte, verbraucherschützende Regulierung selbstverständlich auch schon bestehende Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherungen mit einbezog.“ kommentiert Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Norman Wirth von der prozessführenden Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. „Da die für alle Versicherungsvermittler notwendige Erlaubnis nicht vorlag, verschaffte sich die AOK Nordost einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.“

Kritisch zu hinterfragen ist nunmehr sicherlich die Rolle der für die AOK Nordost zuständigen Aufsichtsbehörde Bundesversicherungsamt (BVA). Aber auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), welche als Aufsichtsbehörde für das private Versicherungsunternehmen zuständig ist, deren Versicherungen durch die AOK Nordost vermittelt wurden, muss sich Untätigkeit vorwerfen lassen. Wie schon früher, bei der letztlich unzulässigen Versicherungsvermittlung in Supermärkten (Penny, Urteil des LG Wiesbaden, Az.: 11 O 8/08) und von Tchibo im Internet (Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 12.12.2012, Az. 5 U 79/10, noch nicht rechtskräftig), schritt die BaFin auch hier nicht ein, obwohl dies angezeigt war.

Rechtsanwalt Norman Wirth hierzu: „Dass damit der mit Einführung des Paragraf 34 d Gewerbeordnung beabsichtigte Verbraucherschutz - im Sinne einer Beratung durch qualifizierte Versicherungsvermittler - völlig auf der Strecke blieb, war scheinbar für die beteiligte private Versicherungsgesellschaft, die AOK Nordost aber wohl auch für die untätige BaFin nicht relevant. Zumindest auf den BGH ist Verlass.“

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Die ausführliche Begründung des Urteils des BGH liegt noch nicht vor.

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