Die aktuellen Pegelstände in Sachsen, Bayern und Thüringen weisen auf einen neuen Hochwasserrekord hin, der sogar die letzte Jahrhundertflut in den Schatten stellen könnte. Die Versicherungsgesellschaften wird diese Flut aber weitaus weniger treffen, denn viele Hausbesitzer in den betroffenen Gebieten sind gegen Elementarschäden wie Hochwasser nicht versichert. Glück haben meist nur die, deren Haus bei den letzten Hochwasserkatastrophen noch nicht betroffen war.

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Versicherungsgesellschaften verweigern den Schutz in Risikogebieten

Dass bei der Versicherung von Hochwasserschäden Wunsch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen, zeigt eine Umfrage der Verbraucherzentrale Sachsen aus dem Jahr 2010. Wieder einmal hatte damals ein Hochwasser in Ostdeutschland für schwere Schäden gesorgt. Die Reaktionen waren ebenfalls erwartbar: Reflexartig forderten die Politiker mehr Eigenvorsorge vom Bürger, das heißt, sie sollten eine Elementarversicherung abschließen. Gegen Überschwemmungsschäden könne man sich versichern, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich im August 2010. Die dahinterstehende Mahnung: Die Hochwasseropfer seien doch selbst dran schuld, wenn sie keine Police gegen die Folgekosten abgeschlossen haben.

Nur in jenen Regionen, die auch jetzt wieder am stärksten von Überschwemmungen betroffen sind, stimmt der Vorwurf eben nicht. Wie die Verbraucherzentrale Sachsen bei einer Anfrage an 40 Versicherer herausfand, verweigerten die Versicherungen ihren Schutz, wenn sich das Haus in einer hochgefährdeten Überschwemmungszone - genannt ZÜRS 4 - befand. Entweder gab es für dort gar kein Angebot oder nur eines ohne Überschwemmungsschutz.

Auch für die weniger gefährdete Zone 3 boten einige Versicherer keine Absicherung oder diese nur gegen extrem hohe Eigenbeteiligungen. Betroffen waren unter anderem Anschriften in den sächsischen Städten Grimma und Zwickau, die auch jetzt wieder von Hochwasser heimgesucht werden. Da kann der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) noch so sehr betonen, dass 98 Prozent aller Häuser in Deutschland versicherbar seien. Den Menschen in den Risikoregionen nützen schöne Statistiken wenig, wenn sie keine Versicherung finden. Sie bleiben im schlimmsten Fall auf den Kosten sitzen.

Aus den letzten Hochwasserkatastrophen haben die Versicherungsgesellschaften gelernt und wählen sich ihre Kunden sehr genau aus. Zuvor waren sie mit der Einstufung der Risiken wie Hochwasser noch recht salopp umgegangen. Meist hatte die Einstufung nach Postleitzahl zur Berechnung der Versicherungsprämie gereicht. Heute schauen die Gesellschaften aber genauer hin. Bis auf die Hausnummer genau werden die Prämien berechnet. Für extrem gefährdete Regionen wird der Versicherungsschutz abgelehnt, die andern Risikoregionen bekommen entsprechend hohe Prämien berechnet. Vielen Hausbesitzern ist das schlichtweg zu teuer.

Kann eine allgemeine Versicherungspflicht der Ausweg sein?

Für die Lösung des Problems gibt es verschiedene Wege. Ein Weg besteht darin, einfach keine Häuser in solchen Regionen zu bauen oder nach einer Katastrophe die Menschen zum Umsiedeln zu bewegen. Umsetzbar scheint der Gedanke jedoch nicht, von manchen Städten würde wenig übrig bleiben. Ganze Regionen müssten befürchten, ihre Bevölkerung zu verlieren. Viele bedrohte Städte sind zudem wichtige regionale Wirtschaftszentren - oftmals wegen ihrer Lage am Wasser.

Der andere Weg ist die Pflicht zur Elementarschadenversicherung. Wenn alle Hausbesitzer bundesweit zur Absicherung gegen Elementarschäden verpflichtet werden, dann sinken auch die Prämien. Denn dann schliessen auch Hausbesitzer eine Versicherung gegen Hochwasser ab, die davon gar nicht betroffen sind.

In der Diskussion war diese Pflicht zu Versicherung bereits schon nach der letzten Hochwasserflut, nur umgesetzt hat sie keiner. In anderen Ländern, wie Frankreich und Spanien, ist so eine Versicherung schon lange Pflicht. Auch in der ehemaligen DDR war die Elementarschadenversicherung eine Pflichtversicherung. Ein Grund auch, weshalb die von der Allianz damals übernommen Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen dies mit eingeschlossen hatten. In den Jahren 1997 und 2002 half das noch vielen Betroffenen.

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Der Bund der Versicherten (BdV) fordert schon seit Jahren eine Versicherungspflicht. Er schlägt vor, die Versicherungssumme zu begrenzen, zum Beispiel bei der Hälfte des Neubauwertes. Selbstbeteiligungen und Zuschläge, die sich nach den individuellen Wünschen richten, sind ebenfalls denkbar. SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten in verschiedenen Bundesländern bereits vor Jahren eine Debatte zur Pflichtversicherung geführt, konnten sich aber nicht durchsetzen. Die FDP steht der Pflicht zur Elementarversicherung skeptisch gegenüber. Bewohner in hochwasserfernen Gebieten sei es nur schwer zu erklären, warum sie dafür zahlen sollten, argumentieren die Liberalen durchaus nicht unberechtigt. Wenn nicht ganze Landstriche veröden sollen, weil immer mehr Einwohner wegziehen, muss aber eine Lösung gefunden werden.

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