Nach den jüngsten Hochwassern und Überschwemmungen, die zum Jahreswechsel mehrere Bundesländer heimgesucht hatten, war der Streit um eine Elementarschaden-Pflichtversicherung für Hausbesitzer wieder aufgeflammt. In Deutschland ist nicht einmal jedes zweite Haus gegen Hochwasserrisiken versichert. Das merken Bund, Länder und Kommunen spätestens dann, wenn wieder Forderungen nach Milliardenhilfen laut werden - bezahlt von Steuergeldern auch jener Hausbesitzer, die sich privat abgesichert haben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte den Status quo „unerträglich“ und verwies darauf, dass die Hilfszahlungen Länder und Kommunen an den Rand der Handlungsunfähigkeit brächten, weil das Geld für andere Aufgaben fehle.

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Die CDU verwies darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Einführung einer solchen Versicherungspflicht versprochen habe. Doch warum kommt sie dann nicht? Die Antwort: Vor allem die FDP stemmt sich dagegen. Und sie stellt den Bundesjustizminister, der das Vorhaben angehen müsste: Marco Buschmann. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums hat nun gegenüber dem Fachportal cash-online.de bestätigt, dass man an dem Nein zu einer Versicherungspflicht festhalten wolle. Und Gründe hierfür genannt.

Mehr Bürokratie - kein Schutz vor Schäden

“Aus Sicht des BMJ löst die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung das Problem der Gefahr für Schäden an Gebäuden und die damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger nicht. Eine Elementarschadenpflichtversicherung kann den Eintritt von Elementarschadenereignissen nicht verhindern und deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht reduzieren. Sie kann auch den Bau von Wohngebäuden in Risikogebieten nicht unterbinden oder präventive bauliche Schutzmaßnahmen zur Verringerung von Gebäudeschäden ersetzen“, positioniert sich Benjamin Hoh, Pressesprecher des Bundesjustizministeriums, gegenüber cash-online.de.

Diese Einschätzung überrascht insofern, als es bei der Versicherungspflicht gegen Elementarschäden ja gerade darum geht, dass sich Hausbesitzer in Zeiten zunehmender Naturgefahren durch den Klimawandel gegen die finanziellen Folgen absichern. Dass eine Versicherung Schäden im Vorfeld verhindern kann, war gar nicht Ausgangspunkt der Diskussion. Die Verbreitung solcher Policen soll gerade gefördert werden, weil immer häufiger mit Schäden zu rechnen ist - und zu wenige Hausbesitzer hierfür vorsorgen.

Doch auch eine andere Erwartung, die mit der Pflichtversicherung verbunden ist, wird nach Ansicht des Justizministeriums enttäuscht werden. Eine Versicherungspflicht führe nicht flächendeckend zu niedrigeren Versicherungsprämien, weil das Risiko auf mehr Schultern verteilt werde, gibt das Bundesjustizministerium zu bedenken. „Sie führt aber zu mehr Bürokratie, da die Einhaltung der Versicherungspflicht kontrolliert werden muss. Diese Kontrolle ist bei vielen Millionen Wohngebäuden in Deutschland und der zur Prüfung notwendigen versicherungsrechtlichen Expertise überaus aufwendig und kostenintensiv“, argumentiert Hoh.

Für die Mehrheit der Hausbesitzer wird es sogar teurer

Tatsächlich haben auch die Aktuare von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) durchgerechnet, dass es für die Mehrheit der Hausbesitzer teurer werde. Und dennoch bezahlbar bleibt: eine Art Einheitsprämie würde bei 190 Euro im Jahr liegen. „An der Kalkulation wird eine elementare Pflichtversicherung nicht scheitern“, MSK-Beraterin Carina Götzen Ende Januar bei der Vorstellung der Studie. Für mindestens acht von zehn Hausbesitzern könnte sich die Versicherungsprämie für den Elementarschutz verteuern, weil ihr Grundstück in der niedrigen Hochwassergefährdungsklasse 1 oder 2 eingestuft wird: Sie zahlen aktuell Jahresprämien von 80 bis 120 Euro.

Aktuarin Götzen wies aber auch darauf hin, dass die Prämien in höheren Gefährdungsklassen zum jetzigen Zeitpunkt viele Hausbesitzer völlig überfordern. So müssten Hausbesitzer in gefährdeten Risikozonen Zürs 3 und 4 zwischen 2.600 und 3.000 Euro Jahresprämie einkalkulieren, wenn sie Elementarschaden mitversichern wollen. Für viele ist das unerschwinglich. Gerade sie würden von einer Versicherungspflicht profitieren.

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Aber eine Einheitsprämie scheint das Bundesjustizministerium ohnehin nicht anzustreben. Aus dem Statement des Pressesprechers geht hervor, dass die Versicherer weiterhin das individuelle Risiko einpreisen dürfen, wenn es nach dem Willen der FDP geht. "Ein Versicherungszwang für Elementarschäden würde das Wohnen in ganz Deutschland teurer machen – für Eigentümerinnen und Eigentümer und für Mieterinnen und Mieter. Die Versicherungsbranche schätzt, dass die Kosten je Einfamilienfamilienhaus bei 100 bis 2.000 Euro jährlich liegen würden", positioniert sich entsprechend Hoh. Ohnehin würden die Beiträge für Wohngebäudeversicherungen derzeit infolge der Inflation und dem noch stärkeren Anstieg des Baupreisindexes steigen und Hausbesitzer belasten, gibt er zu bedenken.

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