2011 mussten deutsche Arbeitgeber in der Privatwirtschaft (Industrie und privater Dienstleistungsbereich) 30,10 Euro pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden. Höher liegen die Arbeitskosten in sechs Ländern: In den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich, Dänemark, Schweden und Belgien müssen zwischen 31 und 39,30 Euro pro Stunde ausgegeben werden. Praktisch auf gleichem Niveau wie in der Bundesrepublik sind die Arbeitskosten in Finnland (29,80 Euro), etwas niedriger in Österreich (28,90 Euro). Italien wies 2011 Arbeitskosten von 26,80 Euro auf. In den übrigen südeuropäischen EU-Staaten betragen sie zwischen 20,60 Euro (Spanien) und 12 Euro (Portugal). Die portugiesischen Arbeitskosten liegen damit unter denen im EU-Beitrittsland Slowenien, wo 14,40 Euro aufgewendet werden müssen. In der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen liegen die Stundenwerte zwischen 10,60 und 7,10 Euro. Schlusslicht ist Bulgarien mit Arbeitskosten von 3,50 Euro pro Stunde.

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Knapp 20 Prozent Abstand zwischen Industrie und Dienstleistungen

Im Verarbeitenden Gewerbe betrugen 2011 die Arbeitskosten in Deutschland 34,30 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde. Im EU-Vergleich steht die Bundesrepublik damit wie im Vorjahr an fünfter Stelle als Teil einer größeren Gruppe von Industrieländern, die mit knapp 31 bis knapp 41 Euro pro Stunde über dem Euroraum-Durchschnitt liegen. Dazu zählen auch Belgien mit industriellen Arbeitskosten von 40,70 Euro, Schweden (40,50 Euro), Dänemark (37,50 Euro) und Frankreich (35,50 Euro) sowie Finnland, die Niederlande, und Österreich (32,30 bis 30,90 Euro). Dabei ist nicht berücksichtigt, dass das Verarbeitende Gewerbe in der Bundesrepublik stärker als in jedem anderen EU-Land von günstigeren Vorleistungen aus dem Dienstleistungsbereich profitiert.

2011 stiegen die industriellen Arbeitskosten in Deutschland um 3,9 Prozent. Das ist etwas mehr als der Durchschnitt in EU und Euroraum (3,1 Prozent). Im ersten Halbjahr 2012 wuchsen die Arbeitskosten der Industrie dagegen nur um 1,1 Prozent. Im Mittel des Euroraums waren es 1,9 Prozent, im Durchschnitt der EU 2,2 Prozent.

Im privaten Dienstleistungssektor lagen die deutschen Arbeitskosten 2011 mit 27,50 Euro an neunter Stelle nach den Benelux-Ländern, den nordischen EU-Staaten, Frankreich und Österreich. Den höchsten Wert wies Dänemark mit 40 Euro aus, der Durchschnitt im Euroraum beträgt 27,10 Euro. Gegenüber 2010 stiegen die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor um 2,5 Prozent. Das entsprach dem Durchschnitt von Euroraum und EU. In der ersten Hälfte 2012 beschleunigte sich der Anstieg in Deutschland auf 3 Prozent. Dagegen stiegen im Euroraum -Durchschnitt die Arbeitskosten im Dienstleistungssektor nur um 1,8 und im EU-Mittel um 1,9 Prozent.

Industrie kann Vorleistungen günstiger einkaufen

Der Rückstand der Arbeitskosten im Dienstleistungssektor hinter denen im Verarbeitenden Gewerbe ist in Deutschland nach wie vor größer als in jedem anderen EU-Land. Er beträgt knapp 20 Prozent. Vom vergleichsweise niedrigen Arbeitskostenniveau in den deutschen Dienstleistungsbranchen profitiert auch die Industrie, die dort Vorleistungen nachfragt. Die Kosteneinsparung für die Industrie durch den "Vorleistungseffekt" liegt nach Schätzungen verschiedener Institute bei knapp sechs bis 13 Prozent. Das IMK hält einen Vorleistungseffekt für realistisch, der zwischen diesen Werten liegt. Während der Dienstleistungssektor die Industrie hierzulande bei den Arbeitskosten entlaste, sei es insbesondere in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern umgekehrt, betonen die Forscher: "Das relativiert die Unterschiede bei den Arbeitskosten zwischen Deutschland und diesen Ländern erheblich."

Lohnstückkosten: Jährlich 0,7 Prozent Zunahme von 2000 bis 2011

Die Lohnstückkosten, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung setzen, sind in Deutschland zwischen Anfang 2000 und Mitte 2012 um lediglich knapp 0,7 Prozent im Jahresmittel gestiegen - und damit deutlich langsamer als im Euroraum insgesamt (+1,8 Prozent). Zwischen 2000 und dem Beginn des Jahres 2008 stagnierten sie sogar. Im Zuge der Wirtschaftskrise, als Unternehmen die Arbeitszeit verkürzten und so Beschäftigung hielten, stiegen die deutschen Lohnstückkosten dann deutlich stärker als im Euroraum-Durchschnitt. Mit dem Ende der Krise im Jahr 2010 hat sich der Zuwachs wieder verlangsamt.

2011 betrug der Zuwachs in Deutschland 1,3 Prozent, im Euroraum-Durchschnitt 0,9 Prozent. Im ersten Halbjahr 2012 sind die Lohnstückkosten in Deutschland gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,5 Prozent gestiegen, im Mittel des Euroraums um 1,5 Prozent. Auch wenn sich der über Jahre aufgelaufene Abstand zwischen Deutschland und seinen Euro-Partnern dadurch etwas verringere, sei das "für die Krisenländer zu gering, um nennenswert an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen", schreiben die Forscher. Gefordert sei eine symmetrische Anpassung, der sich Deutschland letztlich nicht entziehen dürfe, wenn die Krise überwunden werden soll.

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Ulrike Stein, Sabine Stephan und Rudolf Zwiener: Zu schwache deutsche Arbeitskostenentwicklung belastet Europäische Währungsunion und soziale Sicherung. Arbeits- und Lohnstückkosten in 2011 und im 1. Halbjahr 2012. IMK Report Nr. 77, November 2012. Download: http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_77_2012.pdf

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