Ob Platte oder Großwohnsiedlung: Bestimmte Stadtviertel haben ein eher schlechtes Image. Doch laut einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Institutes für Urbanistik (Difu), die im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und in Kooperation mit dem jüngst verstorbenen Stadtforscher Hartmut Häußermann durchgeführt wurde, ist in vielen deutschen Großstädten tatsächlich eine soziale Spaltung der Wohngegenden nachweisbar.

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So würden sich Haushalte, die von Armut betroffen sind, überproportional in Großwohnsiedlungen am Stadtrand wiederfinden. Mit anderen Worten: Wohlhabende Bürger ziehen in die Innenstadt, wo gerade in den letzten Jahren viel alte Bausubstanz renoviert wurde. Die ärmeren Familien aber werden nicht nur im sprichwörtlichen Sinn an den Rand gedrängt, sie finden sich auch in den Randzonen der Metropolen wieder. Städte im Süden Deutschlands seien von dieser Entwicklung weniger betroffen als Städte im Norden, Westen und Osten.

Große regionale Unterschiede

Für den Städtevergleich wurden Daten aus 19 deutschen Großstädten gesammelt, darunter Berlin, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Halle, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Köln, Koblenz, Leipzig, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg, Oberhausen, Saarbrücken und Stuttgart. Untersucht wurde die Situation der Arbeitslosigkeit, der Kinderarmut und des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Hinblick auf die Ungleichverteilung innerhalb einer Stadt. Die Daten bezogen sich auf die Jahre 2007-2009.

Die Ungleichverteilung lässt sich in den untersuchten Städten in unterschiedlichem Ausmaß nachweisen: am wenigsten in Frankfurt/Main, München, Stuttgart, Karlsruhe sowie Oberhausen und Mainz. Im Mittelfeld liegen Düsseldorf, Heidelberg, Koblenz, Mannheim, Nürnberg und Saarbrücken. Am stärksten konnte die Ungleichverteilung in Berlin, Bremen, Dortmund, Hamburg, Halle, Köln und Leipzig beobachtet werden.

Armut an den Stadtrand gedrängt?

Ein Ergebnis der Studie: In fast allen Städten gebe es Stadtteile, in denen die Kinderarmut entgegen der allgemeinen Entwicklung noch weiter ansteigt. Diese Stadteile liegen meist am Stadtrand und sind durch eine Bebauung mit Großwohnsiedlungen oder Gebäuden der 1950er-/1960er-Jahre gekennzeichnet.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich die Aufwertung von Stadtteilen derzeit vor allem innerstädtisch vollzieht, so dass etwa steigende Mieten in den Zentren zu einer Verdrängung ärmerer Familien beitragen. Zugleich aber gewinnen die Innenstädte für Besserverdienende an Attraktivität. Noch vor wenigen Jahren warnten Soziologen vor einem massiven Leerstand gerade in den Zentren. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass am Stadtrand auch die Arbeitslosigkeit höher ist. Während Ungleichverteilung und Spaltung im Zusammenhang mit Kinderarmut teilweise weiter ansteigen, konnten im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit oft Angleichungen der einzelnen Stadtteile festgestellt werden.

Plädoyer für politisches Eingreifen

Für die Politik geben die Soziologen mehrere Handlungsempfehlungen. So sei es notwendig, die aktuellen Entwicklungen künftig laufend zu beobachten, mögliche Negativentwicklungen frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzusteuern. Gebiete, in denen der Anteil benachteiligter Menschen konstant hoch ist bzw. weiter steigt, würden eine dauerhafte Förderung benötigen – nicht zuletzt, weil sie eine Integrationsleistung für die Gesamtstadt erbringen. Ein wirksames Instrument könnte Programme der Städtebauförderung sein – Etwa das Projekt „Soziale Stadt“, mit dem die Bundesregierung seit 1999 gefährdete Stadtteile fördert.

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Zudem müsse mit Blick auf die Gesamtstadt bezahlbarer Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bereitgestellt werden, um der Konzentration von Armut in einzelnen Stadtteilen sowie der Verdrängung armer Menschen an den Stadtrand entgegenzuwirken.

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