Im Jahr 2010 stieg die Zahl der bundesweiten Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen auf 53,5 Millionen an. 2001 waren es dagegen noch 33,6 Millionen Fehltage. Damit ist die Zahl der Fehltage in den letzten Jahren um 59 Prozent angestiegen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte umgehend Gegenmaßnahmen an. So soll es Grenzwerte geben, um die Belastung der Arbeitnehmer zu messen, erklärte die Ministerin in der ARD. Von der Leyen weiter: "Die meisten Arbeitgeber wollen etwas ändern, und wissen nur nicht wie". Deshalb sollten den Unternehmen Instrumente an die Hand gegeben werden, um Lösungen zu schaffen.

Gleichzeitig stieg, nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums, der Anteil der psychischen Erkrankungen an allen Arbeitsunfähigkeitstagen von 6,6 auf 13,1 Prozent. Auch die Zahl der Neuzugänge in der Erwerbsminderungsrente kletterte bei Männern von 19.000 im Jahr 2000 auf ungefähr 31.700 im Jahr 2010. Das sind knapp 66 Prozent Zuwachs. Bei den Frauen explodierte die Zahl von ca. 20.000 auf 39.000.

Als Ursachen für den enormen Anstieg der psychischen Erkrankungen und damit verbunden auch der Arbeitsunfähigkeitstage werden immer wieder Druck, wachsende Anforderungen und erhöhte Verantwortung genannt. Speziell für Leiharbeiter werden immer wieder die schlechten Rahmenbedingungen angeführt. An dieser Stelle treten nun viele Politiker auf den Plan. Pünktlich zum Wahlkampfstart für die Bundestagswahlen 2013 warten einige aktuell mit griffigen Slogans auf. „Stress auf der Arbeit müsse wirksam reduziert werden“ oder „Leiharbeit und befristete Arbeit müsse minimiert werden, um den psychischen Druck von den Arbeitnehmern zu nehmen“. Verbunden mit dringenden und schnellstmöglichen Forderungen der Umsetzung werden besonders die Hinterbänkler im Bundestag auffällig.

Doch was steckt hinter dem Begriff Burnout? Ein genaues Krankheitsbild gibt es diesbezüglich nicht. Ausgebrannt zu sein - dieses Gefühl hat jeder Arbeitnehmer schon einmal erlebt. Nach einer anstrengenden Woche oder einem größeren Projekt sind meist Kopf und Akku leer. Benötigt einer dringend Erholung! Meist reicht da ein Wochenende oder ein Urlaub. Für viele Deutsche ist Burnout mittlerweile zur Modekrankheit und zum passenden Alibi geworden. Für den Allgemeinmediziner ist es nur schwer erkennbar, ob der Patient echte psychische Probleme hat oder diese nur vorgaukelt, um zwei Wochen blau zu machen.

Gerade ältere Menschen argumentieren diesbezüglich, dass es Druck, Stress und hohe Verantwortung auch früher gegeben hat und auch keiner zum Arzt gerannt ist. Tatsächlich sind die Zahlen der psychischen Erkrankungen erst in den vergangenen Jahren nach oben geschnellt. Was die Argumente der Zweifler eher festigt. Auch die Argumentation bezüglich der Ungewissheit in Sachen Zukunft bei Leiharbeitern oder befristeten Angestellten ist nicht immer haltbar. Gerade wenn man die aktuellen Entwicklungen in deutschen Großunternehmen betrachtet, wie etwa Schlecker, Ergo, Barmer GEK, Qcells oder Neckermann. Aus unterschiedlichen Gründen planen die Unternehmen Umstrukturierungen gepaart mit einem größeren Stellenabbau oder mussten sogar Insolvenz beantragen. Für den Arbeitnehmer in einer unbefristeten Anstellung ist zwar der Kündigungsschutz und die betreffenden Fristen ein wichtiger Aspekt. Vor Entlassungen und damit vor einer ungewissen Zukunft ist dieser Arbeitnehmer jedoch auch nicht gefeit.

Doch wie will man der Problematik der vielen Neuerkrankungen im psychischen Bereich entgegentreten? Den Stress, Druck oder die Arbeitsbedingungen eines Maurers oder Straßenbauers in Messwerten oder Tabellen auszudrücken und diese mit anderen vergleichen zu wollen, wirken hilflos, fragwürdig und am Thema vorbei. Viel mehr sieht das wie blinder Aktionismus kurz vor den Wahlen aus. Eine schnelle und gleichzeitig gute Lösung kann und wird es diesbezüglich vermutlich nicht geben. Auf der einen Seite müsste eine Kontrolle vor Missbrauch des Krankheitsbildes beim Arzt geschaffen werden. Dies ist jedoch genauso unrealistisch wie durchführbar. Auf der anderen Seite müssten die Arbeitsbedingungen spürbar verbessert werden. Was auf Grund der finanziellen Zwänge in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen schlichtweg nicht machbar ist. Vielleicht ist es dann doch notwendig und auch angemessen, einfach mal „krankzufeiern“.

Björn Bergfeld