Die europäische Finanzaufsicht fordert von den deutschen Banken, dass sie bis Mitte Juni 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent nachweisen – mit diesem Kapitalpolster sollen die Geldhäuser für Krisenzeiten besser gerüstet sein. Beim letzten Stresstest im Dezember hatte die Bankaufsicht jedoch Probleme bei der Finanzierung prophezeit: Sechs deutsche Geldhäuser wiesen insgesamt eine Lücke von 13 Milliarden Euro auf, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Es war bereits spekuliert worden, ob Banken auf neue Staatshilfen angewiesen sein könnten.

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Doch nun gibt die Bafin vorerst Entwarnung. „Aus den Plänen, die uns die Institute vorgelegt haben, geht hervor, dass es ihnen gelingen sollte, die von der EBA empfohlene Kapitalisierung aus eigener Kraft zu erreichen“, sagte Elke König, die neue Präsidentin der Finanzaufsicht, am Donnerstagabend in Frankfurt. Sie begrüßte zugleich das Vorgehen vieler Banken, Risiken abzubauen statt neues Kapital aufzunehmen. Gerade beim nicht-strategischen Geschäft, etwa der kurzfristigen Spekulation mit Wertdifferenzen, zeigen sich die Banken derzeit vorsichtiger. Probleme könne es nur geben, falls der allzu exzessive Abbau von Risiken dazu führe, dass die Banken auch ihre Kredite an Unternehmen deutlich zurückfahren – Doch aktuell seien keine Anzeichen für eine Kreditklemme zu erkennen, erklärte König.

Schattenbanken unter Aufsicht stellen

Zugleich kündigte Elke König an, stärker gegen Schattenbanken vorgehen zu wollen. Anlässlich des Neujahrsempfangs der Bafin argumentierte sie, die strengeren Eigenkapitalregeln nach Basel III würden nur für scheinbare Sicherheit sorgen, solange sich der Schattenbankensektor weitestgehend einer Regulierung entziehen könne. Notwendig seien stattdessen weltweite Standards für Hedgefonds, Geldmarktfonds und die Wertpapierleihe.

Experten machen das Schattenbankensystem für den Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 mitverantwortlich. Für Hedgefonds und Kapitalgesellschaften gelten bisher nicht die strengen Regulierungskriterien der Finanzaufsichtsbehörden, viele Unternehmen haben sich in Steueroasen angesiedelt. Mitunter muss nicht einmal die Eigentümerstruktur bekannt gegeben werden, um ein Finanzunternehmen in einer Steueroase zu gründen, schon eine Briefkastenadresse ist ausreichend. 85 Prozent aller weltweiten Hedgefonds sind beispielsweise in George Town angesiedelt, Hauptstadt der karibischen Cayman-Inseln - einer Stadt mit 30.600 Einwohnern, deren Hauptexportgüter Muscheln und Schildkröten sind.

König: Solvency II zu kompliziert

Auch zur Versicherungswirtschaft äußerte sich Elke König. Sie betonte, dass das Versicherungsgeschäft vom Bankgeschäft grundsätzlich zu unterscheiden sei. „Im klassischen Versicherungsgeschäft kann ich ein systemisches Risiko, das mit dem des Bankengeschäfts vergleichbar wäre, nicht erkennen“, zitiert das Handelsblatt die neue Bafin-Präsidentin. Etwa sei der US-Versicherer AIG nicht wegen seines traditionellen Versicherungsgeschäftes in eine Schieflage geraten, sondern aufgrund des Finanzgarantiegeschäftes.

König forderte, die Eigenkapitalregeln nach Solvency II für Versicherer zu verbessern – das Regelwerk sei schlichtweg zu komplex und würde besonders kleinere Versicherungsunternehmen belasten, weil die Verhältnismäßigkeit zwischen bürokratischem Aufwand und Nutzen nicht gewahrt sei.

Sind große Versicherungskonzerne also weniger systemrelevant als die Banken? Eine Auffassung, die zumindest diskussionswürdig ist: Eine Studie der Wissenschaftler James Glattfelder, Stefano Battiston und Stefania Vitali von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hatte im Oktober 2011 ergeben, dass unter den weltweit größten transnationalen Unternehmen viele Versicherungskonzerne sind, etwa die französische Axa. Gerade die enge Verflechtung von Banken und Versicherern könne demnach ein Risiko bergen: Die Konzerne sind durch Beteiligungen miteinander verbunden, oft auch durch Kredite, Kreditausfallversicherungen (CDS) und andere spekulative Finanzinstrumente.

Versicherungsexpertin an der Spitze der Bafin

Elke König, die zum 01. Januar 2012 bei der Bafin die Amtsgeschäfte ihres Vorgängers Jochen Sanio übernahm, ist die erste Frau an der Spitze der Finanzaufsicht und stammt selbst aus der Versicherungsbranche.

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In ihrem bisherigen Werdegang war die promovierte Diplom-Kauffrau unter anderem Vorstandsmitglied der Hannover Rückversicherung AG, Mitglied des International Accounting Standards Board (IASB) in London sowie Direktorin bei der internationalen Wirtschaftprüfungsgesellschaft KPMG, wo sie Versicherungsunternehmen beriet und prüfte. Zwischen 1990 und 2002 arbeitete sie für die Münchener Rück als Mitglied der Direktion und Leiterin des Rechnungswesens.

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