Gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2013, so könnte das Aus für die Private Krankenvollversicherung besiegelt sein. Ein am Montag vorgestellter Beschlusstext des SPD-Präsidiums sieht vor, das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu beenden. Gemäß den Plänen sind zukünftig alle Bürger zur Einzahlung in ein solidarisches Gesundheitssystem verpflichtet: so müssten auch Selbstständige, Freiberufler und Beamte, die derzeit vielfach privat vorsorgen, einen Beitrag zur Bürgerversicherung leisten. Auf der Homepage der SPD heißt es: „Umfassende soziale Sicherheit und gesundheitliche Versorgung gibt es nur dann, wenn alle Bürgerinnen und Bürger an der Versicherung beteiligt sind – unabhängig vom Alter, vom Einkommen und vom sozialen Status.“

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Die Privaten Krankenkassen wären die großen Verlierer der neuen SPD-Pläne. Zwar ist ihnen erlaubt, die bisherigen Mitglieder auch weiterhin zu versorgen. Auch dürfen sie gleichsam den gesetzlichen Kassen die neue Bürgerversicherung anbieten. Jedoch wäre dem Neugeschäft ein Riegel vorgeschoben, denn zukünftig dürfen keine Kunden nach dem bisherigen Prinzip einer individualisierten und kapitalgedeckten Risikovorsorge geworben werden. So entpuppt sich die private Krankenversicherung in den Plänen der SPD als Auslaufmodell. Den Privatpatienten wird zusätzlich eine Frist eingeräumt, innerhalb der sie unter Mitnahme der Altersrückstellungen in die Bürgerversicherung wechseln können.

Auf ihrer Homepage nennt die SPD drei mögliche Säulen einer Finanzierung:

Bürgerbeitrag:

Der heutige Arbeitnehmerbeitrag wird zu einem Bürgerbeitrag weiterentwickelt, den alle Bürgerinnen und Bürger auf ihre Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit prozentual entrichten. Der Bürgerbeitragssatz wird einheitlich festgelegt – zur Stärkung des Wettbewerbs bekommen die Krankenkassen jedoch die Möglichkeit, diesen anzupassen. Zusatz- und Sonderbeiträge fallen ersatzlos weg.
Für Selbstständige wird die Mindestverbeitragung auf 400,01 Euro abgesenkt. Um eine Überforderung der Mittelschicht zu vermeiden, bleibt die derzeit bestehende Beitragsbemessungsgrenze von 3712,50 Euro Monatseinkommen erhalten. Auch Miet-und Zinseinkünfte werden nicht eingerechnet.

Arbeitgeberbeitrag:
Auf die Arbeitgeber kommen Mehrbelastungen zu, da vorgesehen ist, den Arbeitgeberbeitrag prozentual auf die gesamte Lohnsumme der Beschäftigten anzurechnen. Bisher deckelte eine Beitragsbemessungsgrenze von 44.550 Euro Jahreseinkommen den Arbeitgeberanteil zur Krankenkasse: was darüber lag, war beitragsfrei. Doch diese Grenze fällt nun weg. So soll sicher gestellt werden, dass sich Arbeitgeber und Versicherte zu gleichen Teilen an der Finanzierung der Bürgerversicherung beteiligen. Das zu Zeiten der großen Koalition aufgekündigte paritätische Prinzip der Beitragserhebung wäre wieder hergestellt: Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen wieder die gleiche Summe in die Krankenversicherung ein.

Dynamisierter Steuerbetrag:
Der Steuerzuschuss in die gesetzliche Krankenversicherung wird dynamisiert oder mit anderen Worten: zukünftig sollen deutlich mehr Steuergelder zur Finanzierung der Kassen herangezogen werden. Derzeit fließen etwa 15,3 Milliarden Euro aus Steuergeldern in die Krankenversicherung, innerhalb von zehn Jahren soll dieser Betrag um weitere 5 Milliarden Euro steigen. Hierfür ist vorgesehen, die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge zu erhöhen, so dass fortan auch die Einkünfte aus Kapitalerträgen einen Beitrag zur Finanzierung der Bürgerversicherung leisten. Diskutiert wurde ein Satz von 30 Prozent, wovon sich die SPD jährliche Mehreinnahmen von circa 750 Millionen Euro verspricht.

Kritik der privaten Assekuranz

Die Bürgerversicherung der SPD kann durchaus als Angriff auf die private Krankenversicherung gewertet werden – zählt doch beispielsweise Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der wesentlich an der Entwicklung des neuen Konzeptes mitwirkte, zu den bekanntesten Kritikern der PKV. Bei öffentlichen Auftritten hatte er mehrfach die Spaltung in Privat- und gesetzlich Versicherte als „Zweiklassenmedizin“ gegeißelt.
So mag es nicht verwundern, dass die Reaktion der privaten Assekuranz deutlich ausfiel. „Die Pläne des SPD-Präsidiums für eine sogenannte Bürgerversicherung bedeuten vor allem massive Steuer- und Beitragserhöhungen“, heißt es in einer Pressemitteilung des PKV-Verbandes, der zudem argumentierte, wegen der Mehrbelastungen für Arbeitgeber könnten hunderttausende Arbeitsplätze verloren gehen. Vor allem qualifizierte Arbeitsplätze in innovativen Unternehmen sowie kleine und mittelständische Betrieben würden durch diese neue „Gesundheitssteuer“ bedroht. Auch das Argument, dass eine Gleichverteilung der Beiträge den Arbeitnehmern zugute kommt, stellt der Interessenverband in Frage: „Schließlich müssen auch die Kosten des Arbeitgeberanteils immer vom jeweiligen Arbeitnehmern erwirtschaftet werden.“

Schon gar nicht wollte die private Assekuranz den Vorwurf auf sich sitzen lassen, dass man mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft überfordert sei. Die SPD hatte argumentiert, dass mit Wegbrechen des Neukundengeschäftes die Existenzgrundlage der PKV wegfallen würde – je älter die Mitglieder der privaten Versicherungen werden und je weniger neue Kunden nachkommen, desto wahrscheinlicher sei eine Beitragsexplosion für die verbliebenen Mitglieder. Die SPD kritisierte hierbei auch die aktuelle Beitragsentwicklung in der PKV: da der Nachwuchs fehle, müssten schon jetzt die Beiträge rapide steigen.
Reinhold Schulte verwies auf die angesparten Altersrücklagen und gab die Kritik umgehend zurück – mit dem Argument, gerade ein umlagenfinanziertes Einheitssystem wie das der Bürgerversicherung würde in einer alternden Gesellschaft Probleme heraufbeschwören, da keine Rücklagen angespart werden. Er unterstellte der SPD böswillige Absicht. „Das gut funktionierende System der privaten Krankenversicherung von neun Millionen Bürgern, die mit kapitalgedeckten Altersrückstellungen eine vorbildliche generationengerechte Vorsorge getroffen haben, würde mutwillig zerstört.“

Auch die SPD debattiert

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wies die Kritik hinsichtlich einer Mehrbelastung für Arbeitgeber jedoch zurück. Um die Parität wieder herzustellen, seien Mehrbelastungen unausweichlich. „Die Arbeitnehmer bezahlen zur Zeit 60 Prozent der Gesundheitskosten, die Arbeitgeber nur 40 Prozent. Wir wollen eine echte Parität von 50 Prozent.“ Zudem betonte sie, gerade personalintensive Unternehmen könnten durch die SPD-Bürgerversicherung mit einer Entlastung rechnen, „wenn sie viele Normalverdiener beschäftigen.“ Dem entgegen werden solche Unternehmen besonders belastet, in denen viele Höchstgehälter und Boni gezahlt würden.

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Doch nicht nur von Privatversicherern und politischen Gegnern kam Kritik, auch innerhalb der SPD ist das vorliegende Konzept einer Bürgerversicherung umstritten. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, sieht ebenfalls die Gefahr, dass gerade kleineren Unternehmen Nachteile durch die finanziellen Mehrbelastungen entstehen könnten. Zwar teile er das Ziel, Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder zu gleichen Teilen an Krankenversicherungsbeiträgen zu beteiligen. Doch das Konzept müsse demnächst noch einmal im Detail diskutiert werden. „Vielleicht gibt es dann auch Streit.“, so der SPD-Politiker.

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