Das Analysehaus Morgen & Morgen hat sein aktuelles BU-Rating veröffentlicht. Insgesamt wurden 639 Tarife und Tarifkombinationen von 60 verschiedenen Anbietern unter die Lupe genommen. Nimmt man die Auswertung des Unternehmens aus Hofheim am Taunus zum Maßstab, dann sind in der Sparte BU-Versicherung mehrheitlich ausgezeichnete Angebote auf dem Markt. Gleich 537 Tarife dürfen sich als Klassenprimus fühlen, da sie mit der Bestnote „Fünf Sterne“ ausgezeichnet wurden. Mehr als acht von zehn Policen (84,0 Prozent) wurden entsprechend bewertet. Folglich hätten 51 Versicherer mindestens einen Tarif mit einer 5-Sterne-Bewertung. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor.

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Teilkriterien: Bedingungswerk, Kompetenz, Beitragsstabilität und Antragsfragen

Die Untersuchung der BU-Tarife setzte sich aus insgesamt vier Teilbewertungen zusammen. Das Bedingungswerk wurde mit 40 Prozent anhand von 31 Leistungskriterien gewichtet. Im Vergleich zur Untersuchung aus dem Vorjahr wurde die Systematik beibehalten. Lediglich im Teilrating Beitragsstabilität seien bei den Komponenten Bilanzen und Solvency II die Benchmarks an veränderte Marktniveaus der Kennzahlen angepasst worden.

Zu 30 Prozent floss die „BU-Kompetenz“ in die Bewertung ein. Hierbei werden anhand interner Unternehmensdaten zum Beispiel die Schaden-, Regulierungs- und Prozessquoten ausgewertet. Dazu seien rund 50.000 Daten der Jahrgänge ab 2000 herangezogen worden. Im Kern geht es dabei darum, wie sich der Versicherer im Leistungsfall verhält. Auch die BU-Leistungsfallprüfung und BU-Antragsprüfung werden hinsichtlich Fairness und Professionalität unter die Lupe genommen.

Weitere 20 Prozent wurden für die Beitragsstabilität des Unternehmens vergeben, zum Beispiel mit Blick auf die Überschusssenkungen, Bilanzen oder Daten zu Solvency II. Grundlage des Teilratings seien öffentlich zugängliche sowie abgefragte Daten. Die letzten zehn Prozent wurden für die BU-Antragsfragen vergeben. So werde etwa bewertet, ob der Versicherungsnehmer klare Hinweise und Informationen erhält. Auch die Klarheit und zeitliche Befristung der Antragsfragen wurde ausgewertet.

So mussten Tarife für eine Bewertung mit fünf Sternen beispielsweise folgende Merkmale erfüllen:

  • Der Prognosezeitraum wird auf sechs Monate verkürzt.
  • Der Versicherer verzichtet auf sein Recht auf Kündigung oder Vertragsanpassung nach § 19 VVG, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
  • Der Versicherungsschutz besteht weiter, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer ins Ausland verzieht.
  • Der Versicherer leistet, wenn die Berufsunfähigkeit infolge von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall eingetreten ist.
  • Die Beiträge werden auf Antrag ab dem Zeitpunkt der Leistungsmeldung bis zur endgültigen Entscheidung über die Leistung gestundet.

Für eine Bewertung mit vier Sternen mussten Tarife mindestens folgende Merkmale erfüllen:

  • Bei einem verspätet gemeldeten Versicherungsfall wird ohne Einschränkung rückwirkend geleistet.
  • Bei einer bereits sechs Monate andauernden ununterbrochenen Erwerbsunfähigkeit wird rückwirkend von Beginn an geleistet.
  • Der Versicherer verzichtet altersunabhängig und eindeutig auf sein Recht auf abstrakte Verweisung.
  • Der Versicherer leistet die versicherte Rente ab einer Berufsunfähigkeit von 50 Prozent.
  • Der Versicherer verzichtet bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit auf sein Recht auf abstrakte Verweisung.
  • Der Versicherer verzichtet auf unübliche Einschränkungen bzw. Klauseln, die nicht zu den ratingrelevanten Sachverhalten gehören.

Insgesamt befinden sich die Leistungsbedingungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau, konstatieren die Studienmacher. Viele essenzielle Schutzmechanismen, wie etwa die sogenannte Krebsklausel, seien inzwischen fester Bestandteil zahlreicher Tarife. Doch während sich das Niveau stabil zeigt, nimmt der Spielraum für substanzielle Neuerungen merklich ab. Versicherer müssen heute mehr denn je kreativ werden, um Differenzierungsmerkmale zu schaffen, ohne die Kollektivsolidarität aus den Augen zu verlieren.

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Ein Element ist beispielsweise die Krebsklausel, die bei vielen Anbietern mittlerweile zur Grundausstattung zählt. Sie erlaubt im Fall einer Krebserkrankung für einen definierten Zeitraum – meist 15 oder 18 Monate – eine vereinfachte Leistungsprüfung. Auch Nachversicherungsmöglichkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei zeigen sich Verbesserungen etwa in Form verlängerter Fristen (bis zu zwölf Monate) zur Anpassung der BU-Rente nach bestimmten Lebensereignissen. Auch die Erhöhung der jährlichen Rentenobergrenzen über die bisher gängigen 30.000 Euro hinaus markiert einen wichtigen Schritt. Ergänzend dazu etabliert sich mit der sogenannten „Karrieregarantie“ ein neues Merkmal. Diese erlaubt es, den Versicherungsschutz bei beruflichem Aufstieg ohne erneute Gesundheitsprüfung zu erhöhen. Im Zuge einer stärker personalisierten Tarifierung fließen heute zudem immer mehr individuelle Risikofaktoren in die Prämienkalkulation ein. Das gilt beispielsweise für das Rauchverhalten oder differenzierte Berufsgruppeneinstufungen.

Nur wenige schwache BU-Tarife

Ein spannender Punkt ist der Verzicht auf die konkrete Verweisung oder die Umorganisationsprüfung. Inzwischen verzichten einige Versicherer ganz darauf. Zwar kann dies für einzelne Kunden einen echten Mehrwert bedeuten, doch birgt diese Entwicklung auch Risiken für das Versicherungskollektiv. Da es sich bislang um Ausnahmen handelt, wird dieser Aspekt derzeit in gängigen Ratings nicht berücksichtigt. Dennoch bleibt die Frage: Wie viel Individualisierung verträgt ein solidarisch finanziertes System?

Ein weiterer langjähriger Trend ist die Ausrichtung der Versicherer auf spezielle Zielgruppen. Die Augen vieler Gesellschaften richten sich zunehmend auf junge Menschen. Damit stehen Schüler, Auszubildende und Berufseinsteiger stärker im Fokus der Produktentwicklung. Überdies beobachten die Studienmacher eine wachsende Nachfrage nach entsprechenden Tarifen in ihren Point-of-Sale-Analysen. Gerade hier würden flexible Nachversicherungsoptionen eine entscheidende Rolle spielen, um die spätere Lebensrealität abzubilden und den Versicherungsschutz anpassen zu können.

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„Die meisten BU-Tarife decken heute alle wesentlichen Leistungsmerkmale ab – teils besser, teils schwächer. Der Wettbewerb konzentriert sich daher vermehrt auf zusätzliche Leistungen, die zwar interessant, aber nicht zwingend notwendig sind. Teilweise gehen sie sogar zulasten des Versichertenkollektivs und treiben die Preise in die Höhe oder verschlechtern die Zugänglichkeit für bestimmte Berufsgruppen“, sagt Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse bei Morgen & Morgen. Der Bestand an BU-Verträgen sei indes konstant geblieben: Rund 14,5 Millionen Verträge liegen in den Beständen der Versicherer.

Insgesamt 537 mal und damit 45 mal mehr als im Vorjahr konnte das Ratinghaus die Höchstbenotung von fünf Sternen vergeben, und das bedeutet ein „ausgezeichnet“. Trotz der detaillierten Auswertung ist die Summe an Bestbewertungen auffallend. "Das Angebot wächst vor allem im Top-Segment. Wir verzeichnen in diesem Jahr 45 Tarifkombinationen mehr mit einer Fünf-Sterne-Bewertung", erklärt Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & Rating.

Manche Anbieter können sogar mit teilweise deutlich über 20 Fünf-Sterne-Tarifen glänzen. Während die Allianz stolze 38 Tarife in der besten Kategorie hat, wird die Versicherer Axa beispielsweise mit jeweils 31 Bestbewertungen belohnt. Hier alle Tarife mit Bestbewertung aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Die Ergebnisse können auf der Webseite des Ratinghauses eingesehen werden. Nur noch 24 Tarife erhielten 4 Sternchen zugesprochen und damit eine „sehr gute“ Bewertung. Im vergangenen Jahr waren es noch 33 Tarife. Im Mittelfeld finden sich insgesamt 71 Tarife und damit 11,1 Prozent der untersuchten Tarife.

In Summe seien nur sieben Tarife als "schwach" oder "sehr schwach" eingestuft worden. Das ist ein Anteil von gut 1,1 Prozent der geprüften Tarifvarianten. In diesem Jahr wurde keiner der durchleuchteten Tarife mit einer "schwachen" Bewertung ausgezeichnet. Gleichzeitig seien dafür sieben Tarife mit nur einem Stern benotet worden. Je drei Tarife der Mecklenburgischen sowie der Württembergischen und ein Tarif der InterRisk wussten nicht zu überzeugen und erhielten die schlechteste Einstufung.

Diese Tarife wurden als "sehr schwach" eingestuft:

  • InterRisk: BU S-M.A.R.T.
  • Mecklenburgische: bAV-BUZ, BUZ und BUZ (RiLV)
  • Württembergische: SBU (ArA, Unfall), SBU (AU, Unfall) und SBU (Unfall)

    Kritik zu Testergebnissen von Versicherungen

    Wegen der vielen positiven Ratings von Versicherungs-Policen gibt es immer wieder Kritik. Im April 2015 hatte sich die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen dazu eine Untersuchung vorgenommen. In einer Stichprobe hatten die Verbraucherschützer eine wahre Flut an besten Bewertungen ausgemacht. Dabei wurde den Ratinghäusern auch ein gewissen Eigeninteresse unterstellt. Schließlich würden viele Unternehmen mit Testsiegeln gutes Geld verdienen. Versicherer, die mit dem Original-Signet um Kunden werben wollen, müssen oft Lizenzgebühren zahlen. Locker einige tausend Euro kann es beispielsweise kosten, das Logo von Focus Money oder der Stiftung Warentest zu verwenden.

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    Auch Morgen & Morgen verlange eine Schutzgebühr, wenn ein Versicherer mit den Testergebnissen werben wolle. Diese sei aber niedrig, die Unabhängigkeit des Analysehauses gewahrt. Die genaue Höhe der Gebühr wollte die Sprecherin nicht nennen.

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