Damit Versicherer ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden dauerhaft erfüllen können, schreibt das Solvency-Aufsichtsregime vor, auch für wirtschaftlich schwere Zeiten genügend Eigenmittel als Polster vorzuhalten. Zentral hierfür sind die Solvenzquoten (SCR-Quoten). Für diese Quoten ist nicht der „Normalbetrieb“ relevant, sondern die Simulation eines wirtschaftlichen Extrem-Ereignisses, das alle 200 Jahre auftritt. Erreicht ein Versicherer eine Quote von mindestens 100 Prozent, hat er genügend Eigenmittel, um eine solche Situation zu stemmen.

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Dokumentiert werden die Solvenzquoten in den Berichten zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR). Diese werden durch die Unternehmen jährlich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgelegt – und müssen auch für die Verbraucher veröffentlicht werden. Ein Grund für Rating-Experten, sich ebenfalls die Berichte zur Brust zu nehmen und jährlich auszuwerten. Nach Assekurata widmet sich nun auch der traditionsreiche MAP-Report den Solvenzquoten der Unternehmen.

MAP-Report 934 analysiert Lebens- und Krankenversicherer

Die neueste Ausgabe des Rating-Pioniers mit der beeindruckenden Nummer 934 („Solvabilität im Vergleich“) analysiert Solvenzquoten von Lebensversicherern und Krankenversicherern; zudem werden zusätzliche Kennzahlen zu Prämieneinnahmen und werden Einzelanalysen der Unternehmen über einen längeren Zeitverlauf (2014 bis 2023) präsentiert. Versicherungsbote stellt im Folgenden ausgewählte Ergebnisse für die Solvenzquoten privaten Krankenversicherer vor.

Private Krankenversicherer: durch die Bank solvent

Wie schon in der Vergangenheit zeigen private Krankenversicherer durch die Bank solide Solvenzquoten. Dies liegt auch daran, dass die Unternehmen in den langen Zeiten der Null- und Minuszinsen durch Beitragsanpassungen reagieren konnten – während Lebensversicherer für ihre früheren hohen Zinsgarantien quasi allein hafteten, ermöglicht die PKV-Kalkulation einen weit größeren Ausgleich des Zinsrisikos, wenngleich freilich auch zulasten der Kunden. Zudem haben private Krankenversicherer bessere Möglichkeiten, eine schlechte Risikosituation innerhalb und zwischen den Tarifwerken zu kompensieren, erklärt MAP-Redakteur Reinhard Klages. Somit blieben schon in der Vergangenheit Verwerfungen wie in der Lebensversicherung aus.

PKV-Basisquote der Branche mit leichter Verbesserung (aber 21 Unternehmen mit Verschlechterung)

Die Basis-Solvenzquote der PKV-Branche – die durchschnittliche Quote ohne Übergangshilfen über 37 Anbieter hinweg – liegt 2023 bei 527,4 Prozent: dies bedeutet eine Verbesserung um 5,7 Prozentpunkte. Somit kann jeder PKV-Versicherer eine wirtschaftliche Extremsituation durchschnittlich fünf Mal mit seinen Eigenmitteln stemmen. Allerdings kann der bessere Durchschnitt nicht darüber hinwegtäuschen, dass 21 private Krankenversicherer ihre Basisquoten gegenüber 2022 verschlechtern.

Geht man nach Prozentpunkten (absolut), sind von einer Verschlechterung der Solvenzquote besonders betroffen:

  • die Landeskrankenhilfe (Verschlechterung der Basisquote um 187,4 Prozentpunkte; doch mit 588,7 Prozent in 2023 immer noch über dem Branchenschnitt);
  • die Inter (Verschlechterung um 156,9 Prozentpunkte auf eine Basisquote von 480,2 Prozent in 2023).

Bei den anderen 19 Unternehmen liegt die Verschlechterung unter 100 Prozentpunkten; zudem haben sechs dieser Unternehmen dennoch überdurchschnittlich gute Quoten. Grund für verschlechterte Werte kann u.a. ein leicht gesunkenes Zinsniveau sein – so lag beispielsweise die Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen Ende 2023 bei 2,03 Prozent, während sie ein Jahr zuvor noch bei 2,56 Prozent rentierte (Versicherungsbote berichtete).

Solche Schwankungen sollten allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Zeit der Null- und Minuszinsen dennoch aktuell überwunden ist. Demnach gilt auch für die PKV: Unternehmen profitieren von besseren Bedingungen für das Anlageergebnis, dies wirkt sich mildernd auf den Anpassungsdruck der Beiträge aus.

Breite Streuung der Quoten

Ähnlich wie in der Lebensversicherung sind auch in der privaten Krankenversicherung die Quoten breit gestreut:

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  • So liegt die schlechteste Basis-Solvenzquote bei 192,5 Prozent: betroffen ist die Ergo. Allerdings reicht diese Basisquote dennoch aus, um das simulierte Extremszenario fast zwei Mal mit Eigenmitteln zu stemmen.
  • Die beste Quote weist die UKV aus: diese liegt bei 1.047,3 Prozent.

Folglich liegen hohe 854,8 Prozentpunkte zwischen der besten und der schlechtesten PKV-Solvenzquote.

Hilfsmaßnahmen spielen in der PKV fast keine Rolle

Wie sehr sich die Situation zwischen Lebensversicherung und PKV doch noch unterscheidet, zeigen die Übergangshilfen. Die durchschnittliche Basisquote der Lebensversicherer liegt mit 320,8 Prozent bereits 206,6 Prozentpunkte niedriger als die durchschnittliche Basisquote in der PKV. Demnach werden in der Lebensversicherung die Hilfen auch viel, in der PKV hingegen kaum genutzt.

Zur Erinnerung: bis Ende 2031 können die Unternehmen noch verschiedene Hilfsmaßnahmen bei Berechnung ihrer Solvenzquoten nutzen. Die so errechnete Bruttoquote kann wesentlich von der Netto- bzw. Basisquote abweichen:

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  • Paragraf 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ermöglicht die Volatilitätsanpassung (VA): Anleihen dürfen höher bewertet werden, wenn sie nur vorübergehend an Wert verlieren – etwa, weil sie zu einem festen Wert später wieder verkauft werden.
  • Paragraf 351 VAG ermöglicht eine Maßnahme für risikofreie Zinssätze: Versicherungsunternehmen dürfen eine vorübergehende Anpassung der maßgeblichen risikofreien Zinskurve vornehmen. Diese Maßnahme spielt allerdings die geringste Rolle und wird 2023 von nur einem einzigen Lebensversicherer (der Credit Life) sowie von keinem PKV-Unternehmen genutzt.
  • Und Paragraf 352 VAG ermöglicht Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (Ü): Die BaFin kann Versicherern die Genehmigung erteilen, ihre Rückstellungen nicht sofort auf Grundlage von Solvency II zu bewerten, sondern erst nach und nach mit mehrjähriger Verzögerung. Dies ist die wirkungsvollste Maßnahme. MAP-Autor Reinhard Klages hierzu: "Vielfach beträgt der Unterschied zwischen der Basisquote (ohne Hilfsmaßnahmen) und dem aufsichtsrechtlichen Nachweis mehr als 300 Prozentpunkte, nicht selten sogar weit über 500 bis hin zu 1.100 Prozentpunkten."

Übergangshilfen: Vergleich Kranken- und Lebensversicherung

  1. Von den 80 im MAP-Report untersuchten Lebensversicherern nutzten 50 in 2023 sowohl die Übergangsmaßnahmen gemäß Paragraf 352 VAG als auch die Volatilitätsanpassung (und damit nutzten 62,5 Prozent aller Lebensversicherer beide Übergangshilfen). Im Schnitt verbesserte dies die Quote um hohe 342,8 Prozentpunkte – von einer Basisquote in Höhe von 320,8 Prozent auf eine aufsichtliche Quote von 663,6 Prozent.
  2. 19 Lebensversicherer nutzten nur die Volatilitätsanpassung (23,75 Prozent der Unternehmen).
  3. Drei Unternehmen nutzten nur die Übergangsmaßnahmen nach Paragraf 352 VAG.
  4. In der Summe aber wenden 90 Prozent der Lebensversicherer Übergangshilfen an; nur zehn Prozent der Lebensversicherer verzichten ganz auf Hilfsmaßnahmen.
  1. Bei den privaten Krankenversicherern wendeten nur zwei Unternehmen sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangsmaßnahmen an: Die Gothaer verbesserte so die Basisquote von 371,0 Prozent auf 530,9 Prozent; die Allianz verbesserte in der PKV ihre Basisquote von 329,4 Prozent auf 389,4 Prozent.
  2. Sieben PKV-Anbieter (18,92 Prozent der Unternehmen) nutzten die Volatilitätsanpassung, aber keine weiteren Hilfsmaßnahmen.
  3. Demnach verzichteten 28 PKV-Anbieter (75,68 Prozent der Unternehmen) gänzlich auf Hilfsmaßnahmen nach dem VAG.

PKV: Die besten Basis-Solvenzquoten 2023

Welche PKV-Unternehmen aber haben in 2023 die besten Basis-Solvenzquoten – also die besten Solvenzquoten ohne Übergangshilfen? Folgende Unternehmen erreichen 2023 die Spitzenplätze:

  1. UKV: Basisquote von 1.047,3 Prozent
  2. Münchener Verein: Basisquote von 997,1 Prozent
  3. Alte Oldenburger: Basisquote von 996,3 Prozent
  4. Universa: Basisquote von 968,1 Prozent
  5. Württembergische: Basisquote von 830,7 Prozent
  6. VGH Provinzial: Basisquote von 802,1 Prozent
  7. Bayerische Beamtenkranken: Basisquote von 669,4 Prozent
  8. Signal Iduna: Basisquote von 644,4 Prozent
  9. LVM: Basisquote von 642,4 Prozent
  10. DEVK: Basisquote von 637,0 Prozent

PKV: Die schlechtesten Basis-Solvenzquoten 2023

Bevor die schlechtesten Basis-Solvenzquoten vorgestellt werden, gilt es, zu relativieren. Denn alle genannten Unternehmen erfüllen die Anforderungen von Solvency II dennoch; die letztplatzierte Ergo kann noch fast zwei Mal das simulierte Extremszenario mit Eigenmitteln stemmen.

Auch haben es natürlich kleine Krankenversicherer schwerer, Risiken über die Tarifwerke auszugleichen. Von denen finden sich einige in der Liste: die Vigo zum Beispiel ist drittkleinster Krankenversicherer, die Ottonova zweitkleinster Krankenversicherer der Branche (gemessen an verdienten Bruttobeiträgen). Auch Faktoren wie der Einfluss der Bestandsgröße oder die Größe des Zusatz-Geschäfts neben den Krankenvollversicherungen sollten also bei Bewertung der Zahlen beachtet werden.

Folgende Unternehmen stehen bei den Basisquoten am Ende der Solvenzquoten-Tabelle (sortiert nach absteigender Reihenfolge):

  • Gothaer: Basisquote von 370,9 Prozent
  • Allianz: Basisquote von 329,4 Prozent
  • Debeka: Basisquote von 325,7 Prozent
  • HUK-Coburg: Basisquote von 317,2 Prozent
  • Vigo: Basisquote von 316,8 Prozent
  • Generali: Basisquote von 313,5 Prozent
  • HanseMerkur Speziale: Basisquote von 300,5 Prozent
  • FAMK: Basisquote von 249,7 Prozent
  • Ottonova: Basisquote von 232,7 Prozent
  • Ergo: Basisquote von 192,5 Prozent

Hintergrund: Alle Zahlen sind dem MAP-Report mit der Nummer 934 entnommen – der aktuellen Ausgabe des Traditionsratings mit dem Titel "Solvabilität im Vergleich 2014 bis 2023". Auf insgesamt 119 Seiten bietet der Report viele Kennzahlen zur Analyse des PKV- und Lebensversicherungsgeschäfts und kann kostenpflichtig auf der Webseite der Herausgeber Franke und Bornberg bestellt werden.

Ergänzt werden muss: die Durchschnittswerte des MAP-Report für die Lebensversicherung unterscheiden sich von jenen, die in unseren letzten Artikeln zu dem Thema genannt werden (zum Beispiel hier). Zum einen lagen bei den älteren Artikeln noch nicht alle Werte der Lebensversicherer vor. Zum anderen hat der MAP-Report auch die Werte der Ager Lebensversicherung AG und der Zurich Life Legacy Versicherung AG neu aufgenommen.

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Bei der Ager handelt es sich just um jene neu gegründete Leben-Gesellschaft, die den Verkauf des Run-Off-Bestands der Axa an Athora ermöglichen sollte. Nach Platzen des Deals will nun die Axa ihren Altbestand selber abwickeln. Auch die Zurich Life Legacy ging aus einem gescheiterten Deal zwischen der Zurich-Gruppe und Viridium hervor und dient der Abwicklung des Altbestands. Die Aufnahme der Unternehmen verändert natürlich Durchschnittswerte gegenüber den Zahlen anderer Quellen.

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