2022 war auch für die Wirtschaft ein Krisenjahr: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, Chinas Corona-Politik und der damit verbundene Ausfall wichtiger Lieferketten sowie die Energiekrise setzten den Unternehmen zu. In der Folge gilt 2022 zum Beispiel als schwächstes Börsenjahr seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 – der Dax verlor mehr als 12 Prozent seines Wertes, nachdem er in 2021 noch 16 Prozent zulegte. Weit fataler – besonders mit Blick auf ETF-Investments – war zudem die Entwicklung des MDax (und damit die Entwicklung für den Index der mittelgroßen Werte): dieser verlor sogar 28,5 Prozent seines Wertes (Versicherungsbote berichtete). Wie aber wirkte sich dies auf Unternehmen der privaten Krankenversicherung aus?

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Die Inflation verteuert auch für die PKV die Kosten

Zunächst: Auswirkungen der Inflation bekommen auch private Krankenkassen zu spüren – Behandlungskosten im ambulanten und stationären Bereich steigen, ebenso Kosten für Medikamente und Behandlungsmaterialien. Zudem führt eine steigende Inflation auch zu steigenden Löhnen und Produktionskosten. Wie aber Inter- Vorstand Michael Solf gegenüber dem Versicherungsboten äußerte (unter Berufung auf das wissenschaftlichen Institut der PKV WIP), zeigen sich Auswirkungen dieser Kostensteigerungen erst verzögert in den Büchern privater Krankenversicherer.

Aus einem weiteren Grund aber könnte die Inflation die Nachfrage nach PKV-Vollversicherungen beeinflussen: wenn insbesondere Selbstständige aufgrund der Energiekrise und steigender Kosten ihre Selbstständigkeit aufgeben müssen und wieder ins Angestelltenverhältnis wechseln oder gar in die Arbeitslosigkeit, besteht die Gefahr, dass mehr Menschen aus der PKV zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln. Zahlen aber, die diese Vermutung für 2022 bestätigen oder widerlegen, sind aktuell noch nicht ausreichend verfügbar.

Langfristige Anleihen schützen vor Verwerfungen an der Börse

Die Verwerfungen an der Börse konnten private Krankenversicherer 2022 durch langlaufende Anlagestrategien gut aussitzen. Zukünftig profitieren die Versicherer zudem vom wachsenden Zinsniveau durch steigende Leitzinsen, da auch Alterungsrückstellungen und langfristige Anleihen wieder einen höheren Zins abwerfen – dieser Vorteil aber wird ebenfalls erst verzögert zu bemerken sein.

Zunächst hingegen werden Anleihen, die während des Niedrigzins-Umfelds getätigt wurden, an Wert verlieren – ihr Marktwert sinkt gegenüber dem Kaufwert, weil sie das aktuelle Marktpotenzial nicht wiedergeben. Zum Problem werden stille Lasten für Versicherer aber erst dann, wenn Anleihen nicht bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden können – etwa aufgrund einer finanziellen Notsituation.

PKV-Solvenzquoten stabiler als bei den Lebensversicherern – auch durch Prämienanpassungen

Hier sind die Risiken jedoch geringer als bei den Lebensversicherern – insbesondere das Zinsänderungsrisiko, das in der Lebensversicherung überwiegend vom Unternehmen geschultert wird, tragen in der PKV zu einem weit höheren Teil die Kunden. Können doch PKV-Unternehmen mit Beitragsanpassungen bzw. Prämienerhöhungen reagieren, wenngleich unter den strengen Vorgaben von Paragraf 203 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Hiervon machten die Anbieter zuletzt auch wiederholt Gebrauch: so kletterte das Preisniveau des privaten Krankenschutzes allein zwischen März 2020 und März 2021 um 5,3 Prozent (Versicherungsbote berichtete). Trotz stagnierender Nachfrage in der Vollversicherung konnten so zuletzt höhere Beitragseinnahmen generiert werden.

So zeigt sich die Solvenzquote der PKV-Branche auch in zweierlei Richtung stabiler:

  • So gab es in den letzten Jahren keine Häufung von Unternehmen, die mit ihrer Nettoquote unterhalb die kritische 100-Prozent-Marke rutschten (Versicherungsbote berichtete).
  • Auf der anderen Seite aber gibt es bei den Solvenzquoten auch nicht jene enorme Verbesserung, die derzeit nicht nur durch steigende Zinsen bei Lebensversicherern bewirkt wird, sondern auch durch den Rückfluss von Geldern aus der Zinszusatzreserve ins aktive Kapital (Versicherungsbote berichtete).

Dass die Schwankungen in der PKV insgesamt geringer sind als in der Lebensversicherung, sorgt aber auch dafür, dass die Lebensversicherung im Vergleich der Jahre 2021 und 2022 bisher mehr von steigenden Zinsen profitierte:

  • In der Lebensversicherung verbessert sich die Nettoquote 2022 (ohne Volatilitätsanpassung und Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen) von 246,6 Prozent auf 317,4 Prozent; die branchenweite Bruttoquote verbessert sich in der Lebensversicherung gar von 516,6 Prozent auf 711,2 Prozent.
  • Anders hingegen verhält es sich mit der Solvenzquote in der privaten Krankenversicherung: Hier sinkt der Durchschnitt sogar leicht. In 2021 wies man noch eine Netto- bzw. SCR-Quote von 521,7 Prozent; die Quote verschlechterte sich in 2022 leicht auf durchschnittlich 500,3 Prozent für den Branchenschnitt. Die Bruttoquote liegt bei durchschnittlich 524,12 Prozent, da Übergangshilfen in der PKV nur eine geringe Rolle spielen.

Bruttobeiträge wachsen erneut

Was allerdings in 2022 erneut zunimmt, sind die verdienten Bruttobeiträge der PKV-Branche. In 2021 verdiente die gesamte Branche noch insgesamt 45,21 Mrd. Euro in der Summe, der Betrag steigerte sich in 2022 auf 46,92 Mrd. Euro. Allerdings erklären sich steigende Prämieneinnahmen nicht nur durch Beitragserhöhungen, sondern auch durch eine steigende Nachfrage nach Zusatzversicherungen – hier boomt der Markt nahezu (Versicherungsbote berichtete). Die Corona-Pandemie wirkt sogar verstärkend, da Corona die Gesundheitsfürsorge wieder ins Bewusstsein der Menschen hob. Leider ist den SFCR-Berichten, die für Zahlen dieses Artikels grundlegend sind, nicht ersichtlich, ob sich gestiegene Prämieneinnahmen durch Prämienanpassungen, durch ein gestiegenes Neugeschäft in Voll- oder Zusatzversicherungen oder durch weniger Abgänge und Kündigungen erklären.

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Versicherungsbote stellt Zahlen der Marktführer vor

In seiner Bildstrecke zeigt Versicherungsbote, wie sich die verdienten Bruttobeiträge der zehn PKV-Marktführer entwickelten. Alle Zahlen sind dem aktuellen MAP-Report mit der Nummer 929 entnommen: Solvabilität im Vergleich 2013 bis 2022. Die Ausgabe des Traditionsreports kann auf der Webseite von Franke und Bornberg kostenpflichtig heruntergeladen werden.