In der sozialpolitischen Debatte werden hohe Abschlusskosten häufig mit Vertriebsexzessen gleichgesetzt. Dies geschieht nicht zu Unrecht, wie ein historisches Beispiel zeigt: Vor rund 20 Jahren stellte die damalige Bundesregierung fest, dass sich durchschnittliche Abschlusskosten (brutto) in der PKV nahezu verdoppelt hatten – von etwa 3.000 Euro im Jahre 2000 auf mehr als 6.000 Euro in 2012. Sogar Provisionen in Höhe von 7.660 Euro wurden von einem Versicherer regelmäßig bezahlt – zum Beispiel für Vermittlung einer niedergelassenen Ärztin, die eine private Krankenvollversicherung abschließt (Versicherungsbote berichtete).

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Kabinett Merkel II führte den Provisionsdeckel ein

Die damalige Regierung unter Kabinett Merkel II erkannte, dass Provisionen in dieser Höhe zum Selbstzweck werden – Vermittler werden verleitet, Kunden in unpassende und teure PKV-Verträge umzudecken. Aus diesem Grund wurde ein gesetzlich verankerter Provisionsdeckel eingeführt für substitutive Krankenversicherungen. Gesetzliche Grundlage ist Paragraf 50 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG): Abschlussprovisionen oder sonstigen Vergütungen dürfen seither maximal 3 Prozent der Bruttobeitragssumme des Neuzugangs betragen (Versicherungsbote berichtete).

Trotz Deckel und Corona: Abschlusskosten sinken nur leicht

Trotz der Deckelung aber: Abschlusskosten in der PKV bleiben seit Jahren auf hohem Niveau. Und das, obwohl die Provisionsexzesse gestoppt sind. Denn eigentlich müsste in wachstumsschwachen Zeiten von Corona auch der Abschlusskostensatz sinken. Jedoch: Die branchenweite Quote gibt nur um schwache 0,12 Prozentpunkte nach – von 6,41 Prozent in 2019 sinkt sie auf 6,29 Prozent in 2020.

Bedeuten hohe Quoten aber immer noch, in der PKV würde zu viel Geld für Provisionen und Werbung ausgegeben? Laut MAP-Chefredakteur Reinhard Klages ist zwar dieses Argument „nicht zu unterschätzen“ und „bei Umdeckungen zutreffend“. Dennoch warnt der Experte vor vorschnellen Deutungen.

Bei der Deutung der Zahlen ist Vorsicht angebracht

Grund eins: Ein Quoten-Vorteil für große Versicherer. Gibt doch die Abschlusskostenquote die Abschlussaufwendungen in Prozent der verdienten Bruttobeiträge an. Das bedeutet aber auch: Unternehmen mit hohen Beitragseinnahmen weisen tendenziell niedrigere (und damit bessere) Quoten aus, wohingegen kleinere und mittlere Unternehmen zu höheren (und damit schlechteren) Kennzahlen für ihre Abschlusskosten neigen. Die hohen Quoten kleiner Versicherer – beispielsweise könnte die Quote der Concordia von 12,29 Prozent in 2020 genannt werden – verwundern deswegen nicht.

Zudem hängt die Abschlusskostenquote stark von der Vertriebsstruktur und dem Produktportfolio ab. Als Beispiel: Die schlechteste Abschlusskostenquote aller Versicherer hat die Ergo – mit 18,82 Prozent. Das jedoch hat seinen guten Grund – die Ergo ist auf Zusatzversicherungen spezialisiert, wodurch sich Prämieneinnahmen und Abschlussaufwendungen in ein ungünstiges Verhältnis setzen – Zusatzversicherungen bringen schlicht nicht so hohe Prämien ein.

Hinzu kommt: Man könnte Abschlusskosten auch als Investition in die Zukunft betrachten, da sie dem Bestand eines Unternehmens neue Versicherungen zuführen. Gerade in wachstumsschwachen Zeiten erscheinen demnach hohe Quoten von Unternehmen mit gutem Neugeschäft in neuem Licht. Das zeigt ein Beispiel: Die HanseMerkur weist die drittschlechteste Abschlusskostenquote der Branche in Höhe von 12,83 Prozent aus. Und liegt damit fast doppelt so hoch wie der Branchenschnitt.

Allerdings konnte HanseMerkur auch 11.058 Versicherungen im Bestand hinzugewinnen. Dieser hohe Zugewinn ist ebenfalls eine – jedoch positive – Ausnahme gegenüber der Branchensituation und wurde einzig vom Marktführer Debeka noch übertroffen. Die meisten Unternehmen nämlich kämpften in 2020 mit Bestandsschwund (Versicherungsbote berichtete).

Abschlusskosten fließen auch in den Umdeckungskampf

Dass hinter einfachen Kennzahlen komplexe Zusammenhänge stehen, wird durch den Umdeckungskampf in der PKV besonders bewusst. Denn glaubt man einem Artikel des Vertriebsexperten Matthias Beenken im "Versicherungsmagazin", dann lässt sich Wachstum in der privaten Krankenvollversicherung seit vielen Jahren nur noch realisieren, indem man seinen Konkurrenten die Bestandskunden abjagt. Gerade Bestandsgewinner wie die HanseMerkur investieren demnach viel Geld in den Umdeckungskampf: Man wächst auf Kosten der Konkurrenz, die Vollversicherte an Unternehmen wie HanseMerkur verliert (Versicherungsbote berichtete).

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Eine Kennzahl allein ist nicht aussagekräftig

Viele Zusammenhänge müssen demnach beim Deuten der Quoten beachtet werden. Aus diesem Grund gilt wie stets: Eine Kennzahl allein ist nicht aussagekräftig, weitere Zahlen sind hinzuzuziehen. Der aktuelle MAP-Report mit der Nummer 920 kann auf der Webseite von Franke und Bornberg kostenpflichtig erworben werden.