In der letztjährigen Vertriebswege-Studie des Beratungsdienstleisters WTW konnten sich die Banken überraschend erstmals als führender Vertriebsweg in der Lebensversicherung positionieren. Das lag auch daran, dass sie das nach wie vor stark nachgefragte Einmalbeitragsgeschäft dominierten, während die großen Versicherer mit ihren Vertriebswegen dieses gezielt zurückfuhren. Jeder dritte Euro Beitrag im Neugeschäft kam von den Banken, insgesamt vereinten sie 34 Prozent des Annual Premium Equivalent (APE) auf sich: Das APE ergibt sich aus der Summe der laufenden Beiträge für ein Jahr und zehn Prozent der Einmalbeiträge. Versicherungsvertreter und -makler hatten das Nachsehen.

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Einmalbeitrag schwächelt: Banken verlieren Anteile

Aber im Geschäftsjahr 2022 konnten die Banken diesen Coup nicht wiederholen: Sie fallen wieder hinter die Einfirmenvertreter und die Versicherungsmakler zurück. Ihr Anteil am Neugeschäft sank von 34 Prozent auf 28 Prozent des APE. Ein Grund hierfür ist, dass mit den steigenden Zinsen am Kapitalmarkt und der hohen Inflation die Bürgerinnen und Bürger weniger Einmalbeitrags-Policen abschließen. Bei den Einmalbeiträgen war der hohe Rückgang im Neuzugang insbesondere für die Banken derart signifikant, dass sie sehr hohe Anteilsverluste hinnehmen mussten.

„Jene Anbieter, die in den letzten Jahren die höchsten Zuwächse beim Neugeschäft von Einmalbeiträgen über Banken verzeichneten, sind nun von deren hohen Rückgängen betroffen“, sagt Henning Maaß, Director Insurance Management Consulting bei WTW in Deutschland. „Der rapide Zinsanstieg und die Inflation haben die Einmalbeiträge 2022 nach Jahren des Höhenflugs mit einem Rückgang um 6,5 Milliarden Euro wieder auf das Niveau des Jahres 2018 fallen lassen. Dennoch betrugen sie immerhin noch beachtliche 21 Milliarden Euro“, sagt Maaß. „Zinsanstieg und Inflation haben jedoch auch dazu geführt, dass der Anteil von rein fondsgebundenen Versicherungen gestiegen ist.“

Einfirmenvertreter wieder stärkster Vertriebsweg

Mit dem Abrutschen der Banken können nun wieder Einfirmenvertreter den Spitzenplatz des stärksten Neugewinn-Bringers für sich beanspruchen. Ihr Anteil am gesamten APE stieg von 30,5 Prozent im Vorjahr auf 33,6 Prozent im Jahr 2022. Ebenfalls mehr Anteil am Neugeschäft vereinen Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter auf sich. Von 28,8 Prozent ging es auf 30,1 Prozent hinauf: Das bedeutet Rang zwei der Leben-Vertriebswege. Erst dahinter platzieren sich die Banken mit 28,0 Prozent. Der Direktvertrieb kann in dieser beratungsintensiven Sparte mit 2,8 Prozent erneut nur einen kleinen Teil des Neugeschäfts auf sich vereinen und verlor sogar gegenüber dem Vorjahr (3,4 Prozent).

WTW Studie Lebensversicherung 2022

Gleichwohl zeigen die Zahlen auch: Die drei führenden Vertriebswege liegen eng beisammen. In den letzten Jahren wechselte wiederholt die Spitzenposition: Im Jahr 2020 hatten sogar die Versicherungsmakler die Neugeschäfts-Krone auf.

Grundsätzlich weniger Neugeschäft

Mit Blick auf die gesamte Lebensversicherungs-Branche lässt sich sagen: 2022 war kein gutes Jahr. 2022 betrug das APE-Neugeschäft aus neu eingelösten Versicherungsscheinen 6 Milliarden Euro und somit 900 Millionen Euro bzw. 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Dazu hat das Neugeschäft mit laufenden Beiträgen jedoch nur mit einem Minus von 250 Millionen Euro beigetragen. Der Löwenanteil dieses Rückgangs entfiel mit 650 Millionen Euro APE auf das Neugeschäft mit Einmalbeiträgen.

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Wie bereits erwähnt, sind die Banken im Geschäft gegen Einmalbeitrag besonders dominant: Sie spüren die Krise bei diesen Produkten umso stärker. 2022 vereinten sie 42,9 Prozent des Einmalbeitrags-APE auf sich, gefolgt von den Einfirmenvertretern mit 26,8 Prozent und Versicherungsmaklern und Mehrfachvertretern, die auf 19,3 Prozent des Neugeschäfts kamen. Vertriebsexperte Maaß verweist auf unterschiedliche Produktschwerpunkte im Einmalbeitrags-Geschäft. „Die Einmalbeiträge der Banken stammen nur aus Produkten der privaten Altersvorsorge sowie aus Restschuldversicherungen. Bei den Einfirmenvermittlern und den Maklern und Mehrfachagenten kommen sie ausschließlich aus den Produkten der privaten und betrieblichen Altersvorsorge“, so Maaß.

WTW Studie Lebensversicherung 2022

Auch im Neugeschäft gegen laufenden Beitrag verlieren die Banken überproportional

Das Neugeschäft gegen laufenden Beitrag war hingegen weniger stark rückläufig: Es sank 2022 um etwa sechs Prozent. „Aber am geringsten waren davon die Einfirmenvermittler betroffen, deren Neugeschäft mit laufenden Beiträgen nur um 3 Prozent sank. Bei Maklern und Mehrfachagenten sahen wir Rückgänge von 5 Prozent und bei Banken um 13 Prozent“, fasst Maas die Ergebnisse zusammen. Auch hier erweist sich folglich der Bankvertrieb als großer Verlierer.

Betrachtet man das Neugeschäft gegen laufenden Beitrag über einen längeren Zeitraum, so ist festzustellen: Einfirmenvermittler sowie Makler und Mehrfachagenten haben zusammen recht stabil einen Anteil am Neugeschäft von knapp 75 Prozent, Banken von knapp 20 Prozent. „Hier sind die Produktunterschiede noch diverser: Bei Banken sind Produkte der privaten Altersvorsorge klar dominant, weit führend vor Produkten der betrieblichen Altersvorsorge“, sagt Maaß. „Bei Maklern und Mehrfachagenten sind die Produkte der privaten und betrieblichen Altersvorsorge gleichauf führend, aber auch Produkte der Invaliditätsabsicherung machen nahezu ein Fünftel des Neugeschäfts aus.“ Der Schwerpunkt der Einfirmenvermittler liege wiederum eindeutig auf den Produkten der privaten Altersvorsorge. Erst danach folgten Produkte der betrieblichen Altersvorsorge sowie jene der Invaliditätsabsicherung.

WTW Studie Lebensversicherung 2022

Und der Ausblick? Ist vorerst wenig optimistisch. Das Neugeschäft 2023 liege bisher unter den Werten des Vorjahres, berichtet Maaß. „Die Inflation ist weiterhin hoch und wirkt ebenso bremsend auf die Lebensversicherung wie die Angebote der Banken für Tagesgeld und Festzins“, so der Vertriebsexperte. „Dennoch: Unter diesen Voraussetzungen erwarte ich bei den laufenden Beiträgen, wie in den Vorjahren, Zuwächse in der betrieblichen Altersvorsorge und der Invaliditätsabsicherung.“

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