Wer Mitglieder für eine Gruppenversicherung anwirbt und dafür eine Vergütung erhält, braucht unter Umständen eine Zulassung als Versicherungsvermittler. Das hat mit einem aktuellen Urteil der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Auf das Urteil macht Rechtsanwältin Judith John aus Bonn in der aktuellen Mitgliederzeitschrift des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) aufmerksam (Urteil des I. Zivilsenats vom 15.12.2022 - I ZR 8/19).

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Im konkreten Rechtsstreit verklagte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein nicht namentlich genanntes Unternehmen. Dessen Geschäftsmodell bestand darin, dass es Werbeagenturen beauftragte, Verbrauchern eine Mitgliedschaft in einer Gruppenversicherung anzubieten. Mitglieder hatten den Anspruch darauf, nach einer Erkrankung im Ausland oder nach einem Unfall Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Das Unternehmen unterhält selbst eine Gruppenversicherung bei einem Versicherer, welche für Kunden den Versicherungsschutz einer Auslandsreisekrankenversicherung gewährt. Weder das Unternehmen selbst noch die beauftragten Werbeunternehmen verfügen über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung nach § 34 d der Gewerbeordnung.

IHK sieht keine erlaubnisbedürftige Tätigkeit

Der Rechtsstreit entpuppte sich als kompliziert. Die zuständige Industrie- und Handelskammer teilte dem Unternehmen noch schriftlich mit, dass sich bei dem Geschäftsmodell nicht um eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nach § 34 d Absatz 1 Satz 1 der Gewerbeordnung handle: Sie also nicht als Versicherungsvertreterin agiere. Zu derselben Ansicht kam auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Mit dem Geschäftsmodell werde weder ein Versicherungsgeschäft betrieben, was eine entsprechende Zulassung der BaFin als Versicherer erfordern würde, noch betätige sich der Konzern als Versicherungsvermittler.

Der Dachverband der Verbraucherzentralen sah dies hingegen anders. Sehr wohl betreibe das Unternehmen eine Versicherungsvermittlung und erwecke zudem unzutreffenderweise selbst den Eindruck, Erbringer der zugesicherten Versicherungsleistungen zu sein. Damit handle man wettbewerbswidrig. Eine Unterlassungserklärung war die Folge - diese wollte das Unternehmen aber nicht unterzeichnen. Das Landgericht entschied zunächst im Sinne der Verbraucherzentralen, das Oberlandesgericht wies die Klage hingegen ab. Ein Argument: Sie könne nur Versicherungsvermittlerin sein, wenn sie selbst weder Versicherungsnehmerin noch Versicherer sei. Nach der eingelegten Revision musste der Bundesgerichtshof entscheiden.

Europäischer Gerichtshof entscheidet mit

Der Bundesgerichtshof wiederum rief den Senat des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) an. Dieser sollte die Frage klären, ob es die Tätigkeit des Anbieters tatsächlich unter den Begriff der Versicherungsvermittlung falle. Das europäische Gremium bestätigte dies. Unter den Begriff „Versicherungsvermittler“ bzw. „Versicherungsvertreiber“ falle laut EU-Richtlinie eine „juristische Person, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, für die sie von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen namentlich im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigt.“ Hierbei bezog sich der EuGH auf die Richtlinien 2002/92/EG und (EU) 2016/97 (Urteil vom 29. September 2022, C-633/20).

Dem Urteil der Luxemburger Richter schloss sich der Bundesgerichtshof an. Die EU-Richtlinie 2002/92/EG definiere Versicherungsvermittler „als jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt“, erklärt Juristin Judith John in ihrem Fachaufsatz. Die mit Vergütung gemeinte Gegenleistung könne finanzieller Art sein - oder die Form eines wirtschaftlichen Vorteils haben, der zwischen beiden Vertragsparteien vereinbart werde. Als Versicherungsvermittlung werde das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung definiert.

Der BGH stellt klar: "Der Begriff "Vergütung" wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie (EU) 2016/97 dahin definiert, dass er alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nicht finanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden, erfasst", heißt es im Urteilstext. Dies sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil jede Zahlung im Rahmen der Gruppenversicherung auch eine Zahlung an das verklagte Unternehmen bewirke. Explizit hob der BGH hervor, dass diese Vergütung nicht in Form einer Provision erfolgen müsse.

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Es sei darüber hinaus unerheblich, dass das verklagte Unternehmen nicht den Abschluss von Versicherungsverträgen anstrebe, sondern den freiwilligen Beitritt ihrer eigenen Kunden gegen eine an sie erfolgende Vergütung zu einem Gruppenversicherungsvertrag, den sie zuvor mit einem Versicherer abgeschlossen hat. Eine solche Tätigkeit ist mit der vergüteten Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers oder eines Versicherungsvertreibers vergleichbar, betont der BGH - und deshalb erlaubnispflichtig.

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