Transparenz ist noch zu häufig ein seltenes Gut in der Versicherungswirtschaft. Für die BU-Leistungsstudie der Experten von Franke und Bornberg aber haben sich immerhin zehn Versicherer in die Karten, oder – genauer – in wichtige Bereiche der Regulierungspraxis bei der BU-Versicherung schauen lassen. Bereit hierzu waren: die Allianz, die Dialog, die Ergo sowie die Generali, die Gothaer und die Hannoversche sowie die HDI, die Nürnberger, die Signal Iduna und die Zurich.

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In der Summe gelang es den Experten so, insgesamt 1.250 Stichproben von aktuell 160.746 BU-Leistungsfällen zu nehmen. Die untersuchten Unternehmen vereinen etwa 7,76 Millionen Versicherte und damit mehr als 60 Prozent des Marktes. Für das Jahr 2021 wurden zudem rund 35.784 Neuanmeldungen von BU-Leistungsfällen für alle untersuchten Unternehmen gezählt. Hieraus konnten wichtige Erkenntnisse zur Leistungspraxis gewonnen werden.

Die Psyche führt am häufigsten zur Berufsunfähigkeit

Ein Untersuchungsgegenstand der Experten aus Hannover betraf die Frage, welche Erkrankungen am häufigsten eine BU-Rente auslösen. Wenig überraschend bestätigte sich der Befund der letzten Jahre: Hauptursache Nummer eins für eine Berufsunfähigkeit sind psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen.

Überraschender aber als dieser nun schon oft erkannte Befund sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern:

Bei den Frauen werden hohe 35,90 Prozent aller BU-Renten durch die Psyche und durch Verhaltensstörungen ausgelöst.

Zwar sind psychische Störungen auch Hauptauslöser für Berufsunfähigkeit bei Männern. Hier aber liegt der anteilige Prozentsatz nur bei 25,60 Prozent.

Zweithäufigste Ursache für Berufsunfähigkeit bei Frauen sind bösartige Neubildungen – und damit Krebserkrankungen. Insgesamt 24,95 Prozent aller BU-Renten sind bei Frauen durch Krebs verursacht.

Hingegen ist zweithäufigste Ursache bei Männern eine Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems oder des Bindegewebes. Insgesamt 23,73 Prozent BU-Rentner erhalten ihre Rente durch diese Ursache – es bestätigt sich, dass körperliche Arbeit mit ihren Abnutzungserscheinungen den Männern noch vor dem Krebs zusetzt.

Die Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems liegen bei den Frauen, mit 17,33 Prozent aller anerkannten BU-Renten, auf Rang drei.

Auf demselben Rang liegen bei den Männern die Krebserkrankungen – mit 15,68 Prozent aller Leistungsfälle.

BU-Risiko durch Unfall oder Herz- und Kreislauferkrankungen bei Männern größer

Als Ursache einer Berufsunfähigkeit folgen bei den Frauen: „Sonstige Erkrankungen“ (eine Sammelbezeichnung für alle Krankheiten jenseits der anderen sechs Kategorien) mit 7,80 Prozent und darauf Erkrankungen des Nervensystems (wie Parkinson, Alzheimer, Epilepsie) mit 5,42 Prozent. Zu guter Letzt stellen Unfälle mit 4,46 Prozent aller BU-Renten und Erkrankungen des Kreislaufsystems mit 4,15 Prozent aller BU-Renten die anteilig kleinste Ursache bei Frauen für Berufsunfähigkeit.

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Auch hier unterscheidet sich der statistische Befund allerdings von jenem der Männer: Zwar liegen auch bei Männern „sonstigen Erkrankungen“ auf Rang vier der Auslöser für Berufsunfähigkeit; dies durch 11,28 Prozent Anteil an allen anerkannten BU-Renten. Wenn dann aber 9,80 Prozent der männlichen BU-Rentner wegen eines Unfalls ihre Renten erhalten, spricht dies für eine höhere männliche Risikobereitschaft. Hierauf folgen Herz- und Kreislauferkrankungen mit 8,86 Prozent als Ursache. Männer leiden also anteilig auch häufiger unter Bluthochdruck und ähnlichen Krankheiten, die oft durch ungesunde Lebensweise bedingt sind. Zu guter Letzt stehen dann die Nervenkrankheiten als Ursache einer „männlichen“ BU-Rente: 5,03 Prozent aller anerkannten BU-Renten der Männer werden durch Alzheimer oder Parkinson etc. ausgelöst.

Welche BU-Anträge am häufigsten abgelehnt werden

Welche Krankheiten aber führen am häufigsten zu einem abgelehnten BU-Antrag? Führt man die Geschlechter wieder zusammen und betrachtet alle Anträge, führen psychische Erkrankungen auch diese Rangliste an: 30,38 Prozent aller Anträge auf eine BU-Rente wegen psychischer Krankheit werden negativ beschieden. Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes führen am zweithäufigsten zum Misserfolg, denn hier werden 23,51 Prozent aller Anträge abgelehnt. Und auch Anträge auf eine BU-Rente wegen eines Unfalls haben mit 23,31 Prozent eine vergleichsweise hohe Ablehnungsquote.

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Erfolgreicher sind hingegen schon BU-Anträge aufgrund einer Erkrankung des Nervensystems, da hier nur 17,54 Prozent negativ beschieden werden. Krankheiten des Kreislaufsystems führen in nur 16,75 Prozent der Anträge zur Ablehnung. Die allerbesten Erfolgsaussichten auf eine BU-Rente haben allerdings Menschen, die an bösartigen Neubildungen leiden – nur 5,05 Prozent der Anträge werden hier durch die Versicherer abgelehnt.

Dass abgelehnte Anträge aber in der Minderheit sind, beweist eine andere Zahl. Denn von allen BU-Anträgen (männlich und weiblich für alle Krankheiten) in 2021 wurden 79,56 Prozent der Anträge bewilligt. Im Umkehrschluss bedeutet das: nur 20,44 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. Dies widerlegt das Vorurteil, eine BU-Versicherung würde doch eh nicht zahlen, wenn es darauf ankommt.

Die Dauer der Leistungsprüfung

Wenn Menschen aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können, brauchen sie schnelle und unbürokratische Hilfe: gesundheitliche Probleme gehen oft mit finanziellen Engpässen und Zukunftsängsten einher. Entsprechend wichtig ist es auch, dass eine private Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) schnell den Leistungsanspruch prüft. Dies nahmen die Experten von Franke und Bornberg zum Anlass, auch die Regulierungsdauer der Versicherer zu untersuchen – gemeint ist die Zeit ab Meldung bis zum Tag der Leistungsentscheidung des Versicherers.

Frühere Studien des Analysehauses deuteten hierbei unrealistische Erwartungen bei der Vermittlerschaft an, wie unter anderem eine Umfrage unter 224 Vertriebskräften zeigte: erwartet wurde eine durchschnittliche Leistungsprüfung innerhalb von 42 Tagen. Dies ist viel zu optimistisch.

Oft haben Versicherer nur begrenzten Einfluss auf die Dauer

Was nicht bedacht wird: Versicherer haben einen nur begrenzten Einfluss auf die Dauer der Leistungsprüfung. Zunächst muss ein Leistungsfall-Fragebogen an den Kunden geschickt, von diesem ausgefüllt und zurückgesandt werden… schon die Beantwortung dauert im Schnitt 35-40 Tage, die Bearbeitung beim Versicherer noch mal 14 Tage. Auch müssen komplexe Krankheitsbilder und ihre Auswirkungen auf die Berufsfähigkeit eingeschätzt werden, hierzu sind Beurteilungen und Dokumente von Ärzten und sogar von Spezialisten bestimmter medizinischer Fachgebiete notwendig.

Die durchschnittliche Gesamtregulierung hat sich folglich mittlerweile bei ca. 5-6 Monaten (2021: 159 Tage respektive 191 Tage) eingependelt – für die Experten ein guter Anhaltspunkt, den man Kunden als Erwartungswert an die Hand geben kann.

Für Ablehnungen der BU-Anträge beträgt die durchschnittliche Regulierungsdauer 167 Tage, jedoch sind bereits nach 100 Tagen 35,8 Prozent aller Ablehnungen entschieden. Wesentlich schneller ist die Ablehnung nur, wenn sie auf Ausschlussklauseln beruht. Dann kann die Ablehnung eines BU-Antrags auch schon innerhalb weniger Tage da sein. Die Regulierungsdauer für alle anerkannten BU-Anträge ist etwas kürzer – hier muss der Versicherungsnehmer durchschnittlich 155 Tage auf seine Anerkennung warten. Jedoch sind hier nach 100 Tagen immerhin 38,7 Prozent aller Anerkennungen entschieden.

Gutachten sind selten

Im Rahmen der Leistungsfallprüfung werden durch den Versicherer auch Gutachten in Auftrag gegeben, wenn sich aus den Angaben der Antragssteller, des Arztes oder aus weiteren Quellen kein abschließendes Urteil über den Gesundheitszustand der Kunden ableiten lässt. Entgegen dem Vorurteil aber, dies würde häufig vorkommen, sind derartige Gutachten selten. So erklären die Experten von Franke und Bornberg: Nur in 3,53 Prozent der Leistungsprüfungen wurden solche Gutachten durch den Versicherer in Auftrag gegeben.

Gerichtsprozesse stellen eine Ausnahme dar

Wie oft aber kommt es aufgrund eines BU-Antrags zu einer Auseinandersetzung vor Gericht? Laut Franke und Bornberg eher selten: 2021 gab es, bei 35.784 BU-Anspruchstellungen, 751 neue Verfahren. 1.521 Verfahren waren zudem noch aus den vorherigen Jahren anhängig. 602 Verfahren wurden 2021 beendet: Hier gewannen die Versicherer 159 Verfahren und die Versicherungsnehmer 54 Verfahren. Außerdem wurde 389 mal ein Vergleich eingegangen. Die Prozessquote – die Anzahl der Prozesse im Verhältnis zu den Neuanmeldungen – liegt im Schnitt der Jahre 2017 bis 2021 bei 2,15 Prozent.

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Hinweis: Der Text erschien zuerst im kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 01/2023.

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