Beim Blick auf andere politische Risiken wurde im Vortrag deutlich, dass hier sehr genau differenziert werden muss. Lokale zivile Unruhen, im Rückversicherungs-Bereich auch als SRCC-Risiken bekannt (Strike/Riot/Civil Commotion), sind zum Beispiel in Deutschland vornehmlich im Unternehmenskunden-Segment gedeckt. Privatkunden genießen aber hierzulande in der Regel keinen Schutz: abgesehen von einzelnen Leistungs-Bausteinen in Premiumprodukten. Das unterscheidet Deutschland wiederum von vielen anderen Staaten, in denen Versicherer zivile Unruhen standardmäßig in Allgefahrenversicherungen abgesichert haben oder als Zusatz zur Sachversicherung anbieten. Dies hängt aber auch von der jeweiligen Region ab: dort, wo häufiger Unruhen stattfinden, ist die Deckung oft beschränkt oder ausgeschlossen. Die Häufigkeit von zivilen Unruhen sei in den letzten Jahren ebenfalls angestiegen, gab Golling anhand von Statistiken zu bedenken.

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Ebenfalls teilweise versicherbar seien Schäden durch Terrorismus, wie Golling weiter hervorhob. Dies betreffe aber vornehmlich Schäden durch „konventionellen“ Terrorismus, etwa durch Explosion oder Feuer - wobei hier ein hohes Änderungs- und Irrtumsrisiko bestehe. Hingegen seien Schäden durch sogenannten NBCR-Terrorismus nicht oder nur sehr eingeschränkt versicherbar. Die Abkürzung „NBCR“ steht hierbei für „Nuclear, Biological, Chemical and Radiological“: gemeint sind also zum Beispiel mögliche Anschläge durch Nuklearwaffen oder chemische Kampfstoffe.

Naturgefahren: „Kerngeschäft eines Rückversicherers“

Als letztes systemisches Risiko standen Naturgefahren auf dem Programm - bzw. Risiken, die durch den Klimawandel vermehrt auftreten. „Naturgefahren sind das Kerngeschäft eines Rückversicherers“, ließ Golling an der grundlegenden Versicherbarkeit keinen Zweifel. Aber der Klimawandel könne dazu führen, dass manche Risiken systemisch werden - und folglich nur noch eingeschränkt versicherbar sind. Bereits ein geringer Anstieg der Durchschnittstemperaturen habe dazu beigetragen, dass die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen stark angestiegen sei. Als Beispiel nannte der Experte Extremwetter-Ereignisse wie etwa großflächige Waldbrände in Nordamerika und Europa, Rekordhitzen mit damit verbundenen Dürren oder der Taifun Hagibis in Japan, der 2019 rund vier Milliarden US-Dollar zusätzliche Schadenkosten verursacht hat.

Auch in Deutschland sei der Schadenaufwand durch Naturgefahren gestiegen: 2021 sei das bisher teuerste Jahr für die Versicherungswirtschaft gewesen. Das betreffe nicht nur Elementarschäden, sondern zum Beispiel auch Schäden durch Sturm und Hagel. Zwar steige die Versicherungsdichte mit Blick auf Elementar-Deckungen auch hierzulande an, es sei ein positiver Trend zu beobachten: doch noch immer verfüge weniger als jedes zweite Gebäude über solch einen Schutz.

Um die Versicherunsdichte in Deutschland zu erhöhen, sprach sich Golling für ein Opt-Out-Modell und gegen eine allgemeine Versicherungspflicht aus. Soll heißen, den Hausbesitzern soll eine Elementar-Deckung standardmäßig im Rahmen von Wohngebäude-Policen angeboten werden: Diese sollen sie aber aktiv abwählen können. „Die Pflichtversicherung für Elementarschäden ist ein starker Eingriff in die Grundrechte – die aktuellen Vorschläge aus der Politik enthalten hohe Selbstbehalte und verfehlen damit das eigentliche Ziel, weitere Staatshilfen zu vermeiden“, führte Golling zur Begründung aus. Wichtig sei es, dass die Versicherungsprämie risikoadäquat berechnet werde und bestehende Risikomodelle fortlaufend aktualisiert werden. Das erfordere auch hochgranulare Modelle für „Non-peak Perils“ gemäß der aktuellen Klimaforschung: stark vereinfacht die Frage, wie sich das erhöhte Gefahrenpotential durch den Klimawandel auf die durchschnittlichen Schadenkosten auswirkt.

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Grundsätzlich sei aber Vorsorge besser als Nachsorge, so plädierte Golling zum Abschluss seines Vortrages. Laut einer Munich Re-Expolation spare jeder investierte Euro für Prävention zehn Euro Schadenkosten in der Zukunft ein. Hier könne die Versicherungsbranche eine aktive Rolle für bessere Präventionsmaßnahmen einnehmen. Wichtig sei etwa, dass der Klimawandel im Bauordnungsrecht verankert werde und entsprechende Schutzziele formuliert würden. In stark bedrohten Gebieten solle es klare Bauverbote geben. Ein bundesweites Naturgefahrenportal mit Unterstützung der Versicherer könne zudem helfen, regional vor Unwettern zu warnen.

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