Die Bestandsprüfungen zur Grundrente sind abgeschlossen: So verkündeten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, vor wenigen Tagen. Damit verbunden ist die Botschaft, dass Anspruchsberechtigte gar nicht tätig werden mussten und müssen, um den Zuschlag zur Rente zu erhalten. Die Deutsche Rentenversicherung ermittele automatisch, ob ein Anspruch besteht und zahle das Geld entsprechend aus. „Sie müssen folglich nichts unternehmen“, so steht in Informations-Broschüren.

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Freibetrag statt Grundrente

Doch diese Passivität kann einigen Ruheständlern zum Nachteil werden, wie aktuell der Sozialwissenschaftler Werner Siepe gegenüber Versicherungsbote berichtet. Der Grund: Es gibt einen Personenkreis, der keinen Grundrentenzuschlag erhält, aber stattdessen von Freibeträgen profitieren könnte. Bis zu 251 Euro mehr im Monat sind auf diese Weise drin. Bedingung ist, dass diese Rentnerinnen und Rentner mindestens 33 Jahre an Grundrentenzeiten nachweisen können. Dafür brauchen sie eine entsprechende Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung („Anlage Grundrentenzeiten“).

In einem früheren Gesetzentwurf zur Grundrente wird die Anzahl an Grundsicherungsbeziehern, die keinen Grundrentenzuschlag erhalten, aber von dem Freibetrag profitieren könnten, auf rund 90.000 geschätzt, berichtet Siepe in einer Studie. Sie wurde bereits im November 2022 auf der Webseite vers-berater.de. veröffentlicht. Wenn diese Personen den Freibetrag nutzen, erhöht sich die Zahl der Profiteure von Freibeträgen von 110.000 auf 200.000. Damit würde immerhin jeder dritte Bedürftige mit Grundsicherung im Alter sein Einkommen steigern können.

Doch dieser Freibetrag sei wenig bekannt, bemängelt Siepe. Daraus folge die Gefahr, dass viele Rentnerinnen und Rentner zwar die Vorraussetzungen für den Freibetrag erfüllen und die erforderlichen Grundrenten-Zeiten nachweisen könnten, ihn aber gar nicht nutzen.

„Viele Bezieher von Grundsicherung im Alter bzw. von Wohngeld mit mindestens 33 Jahren an Grundrentenzeiten, aber ohne Anspruch auf den Grundrentenzuschlag, wissen von diesem Freibetrag in den allermeisten Fällen gar nichts. Ihnen entgehen durch die fehlende Bescheinigung der DRV und die fehlende Information von Hubertus Heil bis zu 251 Euro bei der Grundsicherung im Alter und rund 125 Euro beim Wohngeld“, berichtet Siepe dem Versicherungsboten.

Bedingung: mindestens 33 Jahre Grundrenten-Zeiten

Konkret ist der Freibetrag im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (§ 82a SGB XII) festgeschrieben. Er wird bei mindestens 33 Jahren an Grundrentenzeiten vom Bruttoeinkommen des Rentners abgezogen und nicht auf die Sozialhilfe angerechnet. Der monatliche Freibetrag liege bei 100 Euro plus 30 Prozent der diesen Betrag übersteigenden gesetzlichen Rente, jedoch höchstens bei 50 Prozent des Regelsatzes, schreibt Werner Siepe in seiner Studie. Da der Regelsatz 2023 beim Bürgergeld 502 Euro für Alleinstehende ausmache, sei ein maximaler Freibetrag von 251 Euro möglich.

Zu den mindestens 33 Jahren, die an Grundrente-Zeiten nachgewiesen werden müssen, zählen:

  1. Pflichtbeitragszeiten aus Erwerbstätigkeit. Hierbei sind auch Minijobs eingerechnet, sofern man sich nicht von der Versicherungspflicht hat befreien lassen.
  2. Pflichtbeitrags- und Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung (bis zum 10. Geburtstag des jüngsten Kindes)
  3. Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege
  4. Zeiten des Bezugs von Kranken-, Übergangs-, Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld
  5. Ersatzzeiten (z.B. Zeiten der politischen Haft in der ehemaligen DDR)

Explizit nicht zu den Grundrentenzeiten zählen hingegen Zeiten von Arbeitslosigkeit, Zeiten mit freiwilligen Beiträgen sowie Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrentnern.

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Werner Siepe weist darauf hin, dass dieser Freibetrag auch für Witwen und Witwer gelten kann, sofern der Ehepartner die erforderlichen Grundrente-Zeiten angesammelt hat. Und bereits seit 2018 ist es Grundsicherungs-Empfängern möglich, Freibeträge geltend machen, wenn sie zusätzlich eine Riester-Rente oder Betriebsrente abgeschlossen haben bzw. freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisteten. Die entsprechenden Regeln hierfür sind in § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII festgeschrieben.

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