„Auf den Tag genau vor 126 Jahren haben Landwirte aus Münster die LVM Versicherung gegründet: einen unabhängigen Verein, der seine Mitglieder gegen landwirtschaftliche Risiken absichert. Heute zählt die LVM zu den zwanzig führenden Versicherern in Deutschland, mit einem Rundum-Angebot für die gesamte Bevölkerung. Diese Entwicklung wäre ohne das Engagement der Landwirte im Jahr 1896 nicht möglich gewesen. Nach wie vor gehören die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland zu unseren wichtigsten Kunden. Wir wollen auch in Zukunft unseren Beitrag dazu leisten, die zahlreichen Familienbetriebe vor allem gegen existenzielle Risiken abzusichern.“ - Mit diesen Worten wurde LVM-Vorstandsvorsitzender Dr. Mathias Kleuker anlässlich des LVM-Landwirtschaftstags am 6. Oktober 2022 zitiert. Doch nur wenige Wochen später ist die wichtige Zielgruppe der Bauern und Landwirte verärgert und droht mit Kündigungen.

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Anlass dafür war ein Posting des Versicherers. Darin informierte die LVM darüber, dass sie am Vaganuary teilnimmt. Konkret bedeutet das: Die LVM bietet in ihrer Kantine zusätzliche fleischlose Kost an. Auf Instagram wurde zudem unter Bezug auf Zahlen der Harvard University und der Vegan Society UK vorgerechnet, welche Auswirkungen zu erwarten seien, wenn sich 1 Million Menschen einen Monat lang vegan ernähren würden: So wurde beispielsweise darauf verwiesen, dass 3,4 Millionen Tiere nicht geschlachtet werden müssten und 6,2 Mio. Liter Wasser gespart würden.

Die Reaktionen der Bauernschaft waren heftig. So zitiert der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband Bauernpräsident Hubertus Beringmeier: „Wir sind empört und massiv verärgert über die ‚Veganuary‘-Kampagne des LVM und haben dies der Vorstandsspitze des Hauses umgehend und unmissverständlich klar gemacht. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir unverzüglich eine Distanzierung und Klarstellung der LVM zu den verbreiteten Falschinformationen fordern.“
Die ‚Freien Bauern‘, Interessenvertretung der bäuerlichen Familienbetriebe in Deutschland, setzten dem Versicherer sogar ein Ultimatum. Die LVM sollte eine von den Bauern formulierte Erklärung unterzeichnen. Diese Erklärung ist auf der Webseite der Freien Bauern nachzulesen und lautet: „Die bäuerliche Tierhaltung in Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherung. Ohne Tiere könnten viele pflanzliche Rohstoffe nicht verwertet werden, die Folge wären Hunger und Elend. Tierhaltung ist klimaneutral, da den Treibhausgasen der Tiere die CO2-Bindung durch die Fotosynthese der Futterpflanzen gegenüber steht. Bäuerliche Tierhaltung geht verantwortungsvoll mit den ihr anvertrauten Geschöpfen um. Wir entschuldigen uns bei allen Bäuerinnen und Bauern für die Beteiligung des LVM am Veganuary.“

Noch am 6. Januar reagierte die LVM mit einem Schreiben an ihre Kunden und löschte den ‚Veganuary‘-Beitrag. In dem Schreiben heißt es u.a.: „Leider haben wir aber dabei offenbar den Eindruck erweckt, eine rein vegane Ernährung zu unterstützen. Das ist selbstverständlich nicht so. Noch dazu haben wir das Thema schlecht aufbereitet und diskussionswürdige Zahlen zitiert. Dafür entschuldigen wir uns nachdrücklich.“

Doch den Freien Bauern reicht die Bitte um Entschuldigung nicht aus. Auf der Webseite ‚Moderner Landwirt‘ nennt Alfons Wolff, Bundessprecher der Freien Bauern, die Gründe: Das Schreiben der LVM enthalte nämlich kein Bekenntnis zur bäuerlichen Tierhaltung. „Wenn man erst über die sozialen Medien Milch, Fleisch und Eier als ungesund und umweltschädlich diffamiert und dann nur hinterherschiebt, dies sei nicht als Empfehlung für einen bestimmten Lebensstil zu verstehen, kann ich darin keine zukünftig vertrauenswürdige Unternehmenskultur erkennen“, zitiert ‚Moderner Landwirt‘ den 62jährigen Ackerbauern aus Sachsen-Anhalt.

Zudem werden in dem Beitrag konkrete Beispiele für kündigungswillige Landwirte genannt und Wolff gibt sich kämpferisch: „Angesichts wahrheitswidriger Kampagnen gegen die Landwirtschaft, insbesondere gegen die Tierhaltung, sollten wir uns allerdings der eigenen Stärke bewusst werden. Wenn große Konzerne wie VW oder LVM sich im hippen Lifestyle urbaner Eliten suhlen, müssen sie halt auf uns und unsere Freunde als bodenständige Kundschaft verzichten.“

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Die Freien Bauern warfen in der Vergangenheit bereits den Schauspielern Hannes Jaenicke und Sky du Mont vor, „primitive Hetze“ gegen den Berufsstand der Bauern zu verbreiten. Die beiden Schauspieler kritisierten in einer Talkshow die Zustände in der industriellen Massentierhaltung.

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