Das sogenannte Sozialpartnermodell in der betrieblichen Altersvorsorge hat eine lange Durststrecke hinter sich: und schien scheinbar schon verdurstet. 2016 in ein Gesetz gegossen, darf es seit 2018 den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angeboten werden. Nur: Es fand sich bis vor Kurzem kein entsprechendes Angebot. Auch deshalb, weil sich die Gewerkschaften quer stellten: Sie stört, dass bei dieser Altersvorsorge den Beschäftigten keine garantierte Rente mehr zugesichert werden darf, wie dies bisher per Leistungszusage üblich gewesen ist. Was der Ruheständler letztendlich ausgezahlt bekommt, hängt vom Erfolg am Kapitalmarkt ab. „Nahles-Rente vor dem Aus!“, titelte auch Versicherungsbote mehrfach.

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Doch nun kommt Bewegung in die Sache: Wenn auch sehr langsam. Vier Jahre dauerte es, bis die erste Betriebsrente dieser Art tatsächlich angeboten wurde. Ausgehandelt wurde es zwischen den Arbeitgebern der Energie- und Wasserwirtschaft, der Chemieindustrie und mehreren Gewerkschaften, unter anderem ver.di und der Industriegewerkschaft IGBCE. Das ist Bedingung bei der Nahles-Rente: die Tarifparteien müssen sich auf ein Modell einigen, bevor es angeboten werden kann.

Wie die ARD Tagesschau nun berichtet, ist die Nachfrage bisher noch verhalten. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) habe demnach 1.900 seiner Unternehmen angeschrieben, die im Verband organisiert sind. Von diesen hätten sich bis Anfang Dezember 50 Firmen entschieden, das Tarifpartnermodell anzubieten: eine Quote von 2,6 Prozent. Klaus-Peter Schiller, Hauptgeschäftsführer des Chemie-Verbandes, sei dennoch zufrieden. Die Betriebe hätten dank der Energiekrise gerade andere Sorgen, als ihre Renten-Systeme anzupassen. „Insofern sind die 50 Unternehmen, die bisher Ja gesagt haben, aus unserer Sicht ein sehr gutes Ergebnis“, so Schiller gegenüber der ARD.

Enthaftung der Unternehmen

Ein wichtiger Gedanke der Nahles-Rente war es, die Arbeitgeber zu enthaften. In Zeiten niedriger Zinsen litten speziell die Pensionskassen und konnten die hohen Rentenzusagen an die Beschäftigten nicht mehr erwirtschaften. Mehrere Anbieter mussten Renten kürzen und gingen in Insolvenz: etwa die Pensionskasse der Steuerberater oder der Caritas. Von einem „Sterben der Pensionskassen“ schrieb die „WirtschaftsWoche“ noch zum Jahresanfang 2022.

Ist aber eine Leistungszusage erteilt worden, haften die Unternehmen bei der „klassischen“ Betriebsrente für die Höhe der zugesagten Altersbezüge an ihre Mitarbeiter. Und das kann im Zweifel die Existenz gefährden: speziell für kleinere und mittelständische Firmen. Sie mussten den Fehlbetrag für die Renten nachschießen. Beim Sozialpartnermodell ist das anders. Nun müssen die Arbeitgeber nur noch für die Höhe der zugesagten Beitrags-Zahlungen bürgen, aber nicht mehr für die Höhe der Betriebsrente. Somit sollen vor allem kleinere Betriebe angehalten werden, eine Betriebsrente anzubieten.

Ein weiterer Vorteil der Nahles-Rente: Mit dem Wegfall der Garantien können die Beiträge auch verstärkt in Aktien und Fonds gesteckt werden statt in lang laufende Anleihen, mit denen laut Gesetz Leistungszusagen abgesichert werden müssen. Trotzdem verwehrt sich Chemie-Verbandschef Stiller gegenüber der ARD dem Vorwurf, es handle sich um eine „Zocker-Rente“. "Hier wird nicht gezockt, sondern es wird sehr verantwortungsvoll unter Beteiligung des Sozialpartners, also der Gewerkschaft, Geld angelegt“, so Stiller.

Gewerkschaften reden bei Geldanlage mit

Wie das funktionieren kann, verdeutlicht die ARD am Beispiel von Uniper: dem im Zuge der Ukraine-Krise verstaatlichten Stromversorger. Uniper zahle den Beschäftigten einen Grundfreibetrag von zwei Prozent des Bruttoarbeitslohnes. Hinzu geselle sich ein sogenannter Matching-Beitrag sowie ein Sicherheitsbeitrag in Höhe von sieben Prozent der geleisteten Beiträge. Dieser Sicherheitsbeitrag soll Marktschwankungen ausgleichen. Angeboten wird der entsprechende Pensionsfonds vom Bankhaus Metzler, das die Beiträge in Aktien, Anleihen, Immobilien und Gold investiere. Wenn auch die Höhe der Rente nicht garantiert ist, so ist doch ein Sicherheitspuffer eingebaut: in diesem Fall durch den Arbeitgeber finanziert.

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Die Gewerkschaften haben sich auch dadurch erweichen lassen, dass sie bei der Geldanlage mitreden dürfen. In einem Sozialpartner-Beirat "sitzen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, die die Kapitalanlage managen und kontrollieren", erklärt Judith Kerschbaumer, Leiterin Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bei ver.di, gegenüber der ARD. "Über die lange Zeit, gerade bei jüngeren Beschäftigten, rentiert sich das Modell unseres Erachtens auf jeden Fall", sagt sie.

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