Wer sind die Spitzenreiter in Sachen Lobbyismus? Seit Januar 2022 soll das sogenannte Lobbyregister des Bundestags Aufschluss darüber geben, wer versucht, mit welchen Mitteln Bundestags-Abgeordnete bei politischen Entscheidungen zu beeinflussen. Jahrelang sperrten sich die Parteien gegen ein solches Register, zuletzt kam Widerstand vor allem von den Unions-Parteien. Erst der Skandal um fragwürdige Maskendeals, bei denen einzelne Unions-Politiker für die Vermittlung überteuerter Schutzausrüstung eine hohe Provision erhielten, ließ auch CDU und CSU umdenken.

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Das Lobbyregister hat nach wie vor Lücken. Unter anderem verrät es nicht, wer direkten Zugang zur Bundesregierung hat und wer vor Gesetzgebungs-Verfahren tätig wurde: auch sind bestimmte Organisationen von der Veröffentlichungspflicht befreit. Und doch erlaubt es eine ungefähre Orientierung, wer wie stark auf die Politik Einfluss nimmt. Ganz vorn dabei ist die private Versicherungswirtschaft, wie eine Auswertung des Bürgervereins Finanzwende zeigt. Der Dachverband GDV ist sogar Spitzenreiter bei den Lobbyausgaben.

GDV ist größter Einzel-Lobbyist im Bundestag

Im Jahr 2021 hat der GDV demnach gut 15 Millionen Euro für Lobbyismus im Bundestag ausgegeben, berichtet der Verein. „Zwischen 141 und 150 Lobbyisten ziehen für den GDV die Strippen. Das sind drei Lobbyisten für jedes Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag. Darunter befinden sich einige Seitenwechsler aus der Politik, von deren Insiderwissen und Kontakten der GDV profitiert“, schreibt die Bürgerbewegung in ihrer Studie.

Hierbei gilt es zu bedenken, dass die einzelnen Versicherer selbst wiederum Lobbyisten beim Bundestag platzieren können und weitere Verbände die Interessen der Branche vertreten. So landet der Verband der Privaten Krankenversicherung mit knapp 1,6 Millionen Euro Ausgaben auf Rang neun der größten Lobby-Gruppen.

Bei den Versicherern gibt es eine Überraschung. Hier ist die R+V Versicherung Spitzenreiter, genossenschaftlicher Anbieter der Volksbanken Raiffeisenbanken. 1,495 Millionen Euro ließ sich der Konzern mit Sitz im hessischen Wiesbaden seine Lobbyarbeit im Bundestag kosten, das bedeutet Rang zehn im Feld der größten Einzel-Geldgeber.

Bürgerbewegung Finanzwende

Zusammen gaben die Top-10-Konzerne und Verbände der Finanzbranche, wo auch Versicherer dazu zählen, 42,5 Millionen Euro im Jahr 2021 für Kontaktpflege aus. Das ist Rekord. Die Bürgerbewegung Finanzwende berichtet: „Keine andere Branche ist in den Top 100 des Lobbyregisters mit den größten Lobbybudgets so stark vertreten wie die Finanzbranche. Elf der 100 finanzstärksten Lobbyakteure sind Banken, Versicherungsunternehmen und Investmentgesellschaften. Dagegen ist die mächtige Autolobby mit nur sechs Einträgen unter den Top 100 vertreten, die zweitstärkste Branche, der Energiesektor, mit neun“.

EU-Lobbyismus: Qatar Airways unter den Spitzenreitern

Der Bundestag ist nicht die einzige Stelle, an der Interessengruppen und Konzerne Lobbyarbeit betreiben. In Deutschland funktioniert das auch auf der Ebene von Bundesländern und Kommunen. „Dabei ist die Lobbyarbeit in Brüssel, auf Ebene der Bundesländer und gegenüber Aufsichtsbehörden im Lobbyregister noch nicht einmal erfasst", beklagt die Bürgerbewegung Finanzwende: Sie liege nicht im Anwendungsbereich des Registers.

Wer auf EU-Ebene das größte Budget für Lobbyarbeit in die Hand nimmt, darüber gibt das Europäische Transparenzregister Auskunft. Auch hier ist der sogenannte legislative Fußabdruck freiwillig: Die Verbände und Konzerne müssen folglich nicht angeben, ob und wie sie an Gesetzgebung und Richtlinien mitwirken. Die Werte beruhen auf eigenen Schätzungen der Lobbyisten.

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Das Datennetzwerk „Statista“ hat sich diesbezüglich angeschaut, wer in Brüssel das meiste Geld in die Hand nimmt. Die Spitzenreiter dürften teils nur Branchen-Insidern ein Begriff sein. Die Fluggesellschaft Qatar Airways ist in Deutschland durch Fernsehwerbung bekannt - und belegt mit mindestens 10 Millionen Euro im Jahr 2022 einen Spitzenplatz (Stand November). Ähnlich viel Geld nahmen das University College London, das Londoner Beratungshaus TWI Limited und die Nichtregierungs-Organisation The Climate Group in die Hand. Auch sie liegen bei Lobbyausgaben von mindestens 10 Millionen Euro im Jahr.

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