Viele Lebensversicherer konnten ihre Verpflichtungen (Altgarantien plus Zinszusatzreserve) nur noch erwirtschaften durch großzügiges Realisieren von Bewertungsreserven: In den Jahren 2012 bis 2021 wurden regelmäßig Reserven realisiert in jener Höhe, die etwa der jährlichen Zuführung der Branche zur Zinszusatzreserve entsprach. Pointiert bedeutet das: In Zeiten, in denen kaum noch Zinsen erwirtschaftet werden konnten, wurden eben Reserven aufgelöst. Das ließ zumindest die Nettoverzinsung in den Büchern der Unternehmen anwachsen (Versicherungsbote berichtete)

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Im Ergebnis entwickelten sich Nettoverzinsung (mit realisierten Reserven) und laufende Durchschnittsverzinsung aus den Kapitalanlagebeständen ( als Kennwert für Zinsen ohne Reserven) immer mehr auseinander: in 2021 lag die Nettoverzinsung bei 3,58 Prozent, die laufende Durchschnittsverzinsung der Kapitalanlagen aber nur bei 2,52 Prozent. Demnach war es weniger die Anlagepolitik, die benötigte Zinsen ermöglichte. Sondern die Unternehmen hielten sich durch ihre Bewertungsreserven über Wasser.

Bestandszusammensetzung beachten

Die Break-Even-Nettoverzinsung trifft nun Aussagen darüber, was als Nettozins überhaupt notwendig ist für einen ausgeglichenen Rohüberschuss. Allerdings sollte man bei Deutung der Zahlen auch fair sein: Die Anforderungen hängen wesentlich mit dem Bestandsportfolio der Lebensversicherer zusammen. Eine hohe Break-Even-Nettoverzinsung (und demnach eine hohe Anforderung an den Kapitalertrag) haben jene Versicherer, die in Hochzinszeiten große Wachstumserfolge im klassischen kapitalbildenden Geschäft verzeichneten: Hier sind naturgemäß auch die Garantiezins-Anforderungen besonders hoch. Ein zusätzliches Problem haben Run-off-Versicherer: Da keine neuen Policen mit geringer Abhängigkeit von Zinsen (z.B. fondsgebundene Produkte oder Produkte ohne Garantien) hinzukommen, profitieren Run-off-Versicherer auch nicht von einem Bestandsmix, der die "Altlasten" neutralisiert.

Niedrige Anforderungen an den Garantiezins hingegen haben Unternehmen mit neuem Bestand sowie mit vielen neuen (zum Beispiel fondsgebundenen) Produkten, ebenso Unternehmen mit Schwerpunkt im Risiko-Geschäft. Man sollte für den Kennzahlenvergleich aber zwei Dinge bedenken:

  • Zum einen sollte man auch weitere Töchter eines Konzerns im Blick behalten. Denn Unternehmen mit einem neuen Bestand (viele fondsgebundenen Produkte etc.) profitieren nicht selten davon, dass ein Mutterkonzern die "Altlasten" in den externen Run-off gab (wie bei der Generali Leben) oder an andere Unternehmenstöchter abgab (nach Art einer "Bad Bank").
  • Außerdem sollte man bedenken: Unternehmen mit Schwerpunkt im Risikogeschäft wirtschaften nicht mit den gleichen Herausforderungen. Dies hat schlicht damit zu tun, dass diese Unternehmen nicht die gleiche Produktpalette abdecken.

Oft tragen bestimmte Unternehmenstöchter die Lasten des Konzerns

Ein Beispiel für das ungleichmäßige Verteilen der Lasten ist die Ergo: die Ergo Group AG baute vor einiger Zeit das Leben-Geschäft um. Die Ergo Lebensversicherung AG (ehemals Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG) konzentriert sich nun auf die Verwaltung des älteren Bestands – und hat demnach alle Nachteile eines Run-off-Versicherers. Hingegen übernimmt die Ergo Vorsorge das Neugeschäft.

In der Folge ist die Ergo Vorsorge auch aus dem sprichwörtlichen "Schneider": Die Break-Even-Nettoverzinsung bringt es auf den sechstbeste Wert der Branche. Die Break-Even-Nettoverzinsung liegt sogar im negativen Bereich (minus 0,93 Prozent): Die Ergo Vorsorge müsste am Kapitalmarkt für einen ausgeglichenen Überschuss nicht mal Gewinn erwirtschaften. Das ermöglicht eine komfortable Anlagepolitik.

Ganz anders hingegen trifft es die Ergo Lebensversicherung AG (die Tochter für den internen Run-off): Diese hat den sechst-schlechtesten Break-Even-Wert der Branche. Hohe 3,06 Prozent müssten hier als Kapitalanlageergebnis erwirtschaftet werden für einen ausgeglichenen Rohüberschuss. Es wäre nun aber verfehlt, die eine Unternehmenstochter gegen die andere auszuspielen. Denn sollte die Ergo Lebensversicherung AG wirklich mal in Not geraten, existiert immer noch ein leistungsfähiger Mutterkonzern, der für Notzeiten aushelfen würde.

Schwerpunkt Risikogeschäft: Komfortabel, aber eingeschränkter Produktbereich

Viele Unternehmen, die keinen Gewinn über die Kapitalanlage erwirtschaften müssen, haben ein anderes Produktportfolio als jene "klassischen Lebensversicherer" mit schlechten Werten. Es wäre aber verfehlt, dies nun zum Vorteil umzudeuten: Zwar bleiben die Unternehmen von hohen Zinsanforderungen verschont, allerdings haben solche Unternehmen auch bestimmte Vorsorgeprodukte nicht für die Kunden abgedeckt. Pointiert: wer eine nur kleine Produktpalette anbietet, der geht natürlich auch nicht das Risiko für andere Produkte ein, die bei ihm nicht zu haben sind. Man sollte also beim "Vergleich von Äpfeln mit Birnen" einen Blick für die wichtigen Unterschiede beim Bestandsportfolio haben.

Unternehmen mit der besten Break-Even-Nettoverzinsung

Folgende Unternehmen haben eine nur geringe Break-Even-Nettoverzinsung 2021 – und sind demnach sehr unabhängig vom Kapitalanlageergebnis, weswegen sie auch ohne hohe Zinserträge einen ausgeglichenen Rohüberschuss haben:

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  1. Dialog: minus 18,94 Prozent
  2. Delta Direkt: minus 15,57 Prozent
  3. Deutsche Leben: minus 8,60 Prozent
  4. InterRisk: minus 7,40 Prozent
  5. Europa: minus 3,30 Prozent
  6. Ergo Vorsorge: minus 0,39 Prozent
  7. Hannoversche: minus 0,31 Prozent
  8. Deutsche Ärzte: 0,15 Prozent
  9. Continentale: 0,19 Prozent
  10. Cosmos: 0,33 Prozent

Unternehmen mit einer hohen Zinslast

Folgende Unternehmen haben eine hohe Break-Even-Nettoverzinsung – und müssen über ihr Kapitalanlageergebnis folglich besonders viel erwirtschaften, um einen ausgeglichenen Rohüberschuss zu haben:

  • Bayerische Beamten: 2,91 Prozent
  • Inter: 3,01 Prozent
  • Debeka: 3,05 Prozent
  • Ergo: 3,06 Prozent
  • Württembergische: 3,07 Prozent
  • neue leben: 3,09 Prozent
  • Swiss Life: 3,14 Prozent
  • Concordia oeco: 3,31 Prozent
  • PB: 3,43 Prozent
  • Victoria: 3,53 Prozent
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