Nie zuvor haben Naturgefahren deutschen Versicherern so hohe Kosten verursacht wie 2021. Größtes Unglück war die Katastrophe durch Sturmtief Bernd mit 186 Todesopfern in Deutschland (davon 133 allein im Landkreis Ahrweiler) und einer Schadenlast für die Versicherungswirtschaft in Höhe von 8,2 Mrd. Euro. Aber auch weitere Hagel- und Sturmereignisse verursachten Schäden in Milliardenhöhe, so dass das Jahr 2021 laut Gesamtverband der Versicherungswirtschaft als teuerstes Naturgefahrenjahr seit Beginn der Statistik Anfang der 1970er-Jahre gilt (Versicherungsbote berichtete).

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Dies schlägt sich erwartungsgemäß besonders in den Bilanzen der Wohngebäudeversicherer nieder, wie der aktuelle Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung 2016-2021 der V.E.R.S. Leipzig GmbH zeigt. So steigt die Schadenquote über 50 Versicherer hinweg von 62,08 Prozent auf bedrohliche 99,74 Prozent. Die Kennzahl gibt die Brutto- Direktaufwendungen in Prozent der verdienten Bruttoprämien an, ohne weitere Kosten (z.B. Verwaltungs- und Abschlusskosten) zu bedenken. Schon allein die Ausgaben für Schäden nähern sich damit bedrohlich den Prämieneinnahmen.

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25 Versicherer mit Schadenquoten über 100 Prozent

Mehr noch: Die Hälfte der Branche übersteigt – schon bei der Schadenquote – die kritische Markte von 100 Prozent. Diese Versicherer geben schon allein für Schäden mehr aus, als sie durch Prämien einnehmen. Auswirkungen von Sturmtief Bernd zeigen sich hierbei besonders bei Versicherern, die in den betroffenen Gebieten besonders engagiert sind:

  • Bei der DEVK VVaG steigt die Schadenquote von 53,26 Prozent in 2020 auf 134,81 Prozent in 2021. Die DEVK erklärte die durch Sturmtief "Bernd" ausgelöste Unwetterkatastrophe zum teuerste Schadenereignis in 135 Jahren DEVK-Historie.
  • Bei der Gothaer Allgemeine steigt die Schadenquote von 69,46 Prozent auf 135,25 Prozent. Auch die Gothaer erklärte: Durch ein hohes Engagement in den betroffenen Gebieten kam es durch Sturmtief Bernd zu einem der schwersten Schadenereignisse in 200 Jahren Geschichte des Unternehmens.
  • Die Versicherungsgruppe Die Bayerische erklärte, dass durch Sturmtief Bernd Schadenaufwendungen gegenüber dem Vorjahr um 1.430 Prozent stiegen. Betroffen u.a. die Bayerische Allgemeine: Hier stieg die Schadenquote von guten 66,02 Prozent auf verheerende 146,47 Prozent.
  • Am härtesten traf es aber die Provinzial. So meldete das Handelsblatt: Sturmtief Bernd führte zum größten Schaden der Geschichte mit mehr als 33.000 Schäden für den Sparkassenversicherer und mit mehr als 761,3 Millionen Euro Schadenkosten. In der Wohngebäudeversicherung macht sich das an einer stark steigenden Schadenquote von guten 61,90 Prozent auf verheerende 178,75 Prozent bemerkbar.

37 Versicherer schreiben rote Zahlen

Wenn schon die Schadenquoten für die halbe Branche über 100 Prozent schnellen, lässt dies auch für die Schaden-Kosten-Quoten nichts Gutes erwarten. Bei 89,50 Prozent lag die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote (über 50 Unternehmen hinweg) noch in 2020, klettert nun aber über die ungünstige 100-Prozent-Marke – auf 127,57 Prozent. Demnach gibt die Branche im Schnitt mehr für Schadenaufwendungen und weitere Kosten aus, als sie über Prämien einnimmt: Die Verbundene Wohngebäudeversicherung ist mit Abstand der unprofitabelste Zweig der gesamten Kompositsparte.

Insgesamt 37 von 50 Versicherern sind es in 2021 (und damit 74 Prozent der Branche), die mehr für Schadenaufwendungen und weitere Kosten ausgaben, als sie einnehmen konnten. Auch hier trifft es wieder jene Versicherer am härtesten, die sich in den Schadengebieten von Sturmtief Bernd besonders engagieren:

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  • Die DEVK VVaG verschlechtert in 2021 ihre Combined Ratio (CR) von 82,55 Prozent auf 164,17 Prozent.
  • Die Gothaer Allgemeine verschlechtert ihre CR von 100,62 Prozent auf 167,51 Prozent.
  • Die Barmenia Allgemeine verschlechtert ihre CR von 106,62 Prozent auf 169,65 Prozent.
  • Die Bayerische Allgemeine verschlechtert ihre CR von 106,62 Prozent auf 187,59 Prozent.
  • Am schlimmsten aber trifft es wieder die Provinzial. Zwischen 2016 und 2020 musste die Provinzial nicht ein einziges Mal eine CR von über 100 Prozent hinnehmen – bisher also wirtschaftete das Unternehmen aus Düsseldorf immer auskömmlich. Durch Sturmtief Bernd aber schnellt die CR auf unglaublich ungünstige 201,25 Prozent – die Provinzial musste also etwa doppelt so viel für Kosten ausgeben, wie sie einnahm.

Auch versicherungstechnisches Ergebnis im Minus

Der negative Befund wirkt sich natürlich auch auf das versicherungstechnische Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) aus: Das durchschnittliche Ergebnis über alle Versicherer lag in 2020 noch bei plus 2,47 Mio. Euro und damit im positiven Bereich. In 2021 aber schlossen die 50 größten Wohngebäudeversicherer im Schnitt mit einem versicherungstechnischen Ergebnis von minus 23,77 Mio. Euro ab. Am schlimmsten trifft es hier die R+V Allgemeine (Ergebnis von minus 136,88 Mio. Euro), die Allianz (Ergebnis von minus 179,81 Mio. Euro) sowie erneut die Provinzial (Ergebnis von minus 435,16 Mio. Euro).

Hintergrund: Die Zahlen sind dem "Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung 2016 -2021" entnommen, der soeben durch die V.E.R.S. Leipzig GmbH veröffentlicht wurde. Der Monitor deckt 95 Prozent der Wohngebäudeversicherer ab und kann mit weiteren Ausgaben des Analyseinstruments kostenpflichtig auf der Webseite der Experten bestellt werden.

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