Seit 2021 untersuchen das Analysehaus Morgen & Morgen aus Taunus und Zielke Research gemeinsam, ob und wie deutsche Versicherer das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigen. Morgen & Morgen hat die erste Studie hierzu bereits 2018 vorgelegt. Bisher war die Studie als CSR-Ranking bekannt: nun wird sie in ESG-Unternehmensranking umbenannt. Die Berichte der Gesellschaften werden hinsichtlich ihrer Zielsetzungen in den Bereichen Environment (Umweltschutz), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) bewertet.

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Das Ranking orientiert sich sowohl an den Transparenzpflichten, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Versicherern in Sachen Nachhaltigkeit auferlegt. Darüber hinaus wird auch die gerade entstehende europäische Nachhaltigkeitsberichtserstattung , wie sie gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgesehen ist, berücksichtigt. „Wir kennen sowohl die aktuellen Anforderungen als auch die kommenden und lassen das in unsere Bewertungsrichtlinien einfließen. Die Gesellschaften sollten schon heute ihre Weichen richtig stellen, damit sie nicht in Zukunft nochmal ran müssen“, sagt Carsten Zielke, Geschäftsführer von Zielke Research und ein Autor der Studie.

Anforderungen an ESG-Berichterstattung nehmen zu

Die Anforderungen an eine aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichterstattung nehmen hierbei ständig zu, berichten die Studienmacher per Pressetext. Schon für 2022 müssen erstmals Angaben zur Taxonomiefähigkeit gemacht werden: stark vereinfacht müssen die Versicherer Ziele erfüllen, die im Rahmen des „Green Deal“ von der Europäischen Union festgesetzt wurden.

Die EU-Taxonomieverordnung 2020/852 sieht hierfür ein einheitliches und rechtsverbindliches Klassifizierungssystem vor. Wirtschaftliche Aktivitäten werden dabei als ökologisch nachhaltig (= „taxonomiefähig“) eingestuft. Das beinhaltet nicht nur Ziele des Klimaschutzes, sondern zum Beispiel auch etwa die Einhaltung von Menschenrechten und der Arbeitssicherheit. Mit der CSRD-Berichterstattung in 2025 werden die Anforderungen an die Konzerne dann deutlich ausgeweitet.

Stark vereinfacht müssen die Versicherer ihren ökologischen Fußabdruck mit Berechnungstools abbilden, deren Kategorien als sogenannte Scopes geläufig sind. Hierbei werden drei Kategorien unterschieden: Scope 1 bildet die direkten Treibhausgas-Emissionen des eigenen Unternehmens ab. Scope 2 die indirekten Ressourcen, die im Unternehmen verbraucht werden: etwa zugekaufter Strom und Wärme für den Eigenverbrauch. Scope 3 umfasst die Emissionen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette. Das beinhaltet bei den Versicherern auch die Frage, wie Kundengelder angelegt werden - und welche Risiken versichert.

Aussagekräftigere Daten zu Scope 3 erwünscht

Während die Versicherer bei den ersten Kategorien gut aufgestellt sind, macht vor allem Scope 3 Probleme. Viele Versicherer sind langfristig in fossilen Energien wie Kohle und Gas investiert - und versichern sie auch. „Herausfordernd wird dabei, die indirekten Emissionen – also Scope 3 – kurzfristig auch auf die Kapitalanlagen auszuweiten. Mittelfristig wird das ebenfalls für die versicherungstechnischen Risiken gelten. Dies ist ein evolutionärer Prozess, der in der Analyse begleitet wird“, heißt es hierzu folglich im Pressetext zur Studie.

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Die Studie bezieht sich auf das Geschäftsjahr 2021, insgesamt wurden 50 Versicherer ausgewertet. Hier stellen die Analysten fest, dass trotz verschärfter Kriterien die Ergebnisse der Branche besser geworden sind. „Es gibt schon noch Unterschiede zwischen denjenigen, die möglichst viel bewegen wollen und denen, die eher als Follower agieren. Der Großteil ist aber auf dem richtigen Weg. Jedoch sind wir noch ein weites Stück davon entfernt, beurteilen zu können, ob die Versicherer auf dem 1,5 Grad-Pfad angekommen sind. Hierzu erwarten wir vor allem mehr Scope 3-Angaben in den nächsten Berichten", resümiert Zielke.

Deutliche Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr

Doch wie sehen nun die konkreten Ergebnisse aus? Grundsätzlich zeigen sich die Analysten mit dem Trend der Branche zufrieden. Obwohl die Kriterien verschärft wurden, konnte 2021 über die drei Bereiche Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung eine deutlich höhere Durchschnitts-Punktzahl erzielt werden. Im Jahr 2020 wurde noch eine Note von 1,48 vergeben: nun sind es durchschnittlich 2,81 Punkte. Die Bewertungsskala reicht hierbei von minus 4,67 bis plus 5,25 Punkte.

Im Schnitt höhere Punktzahlen in allen Bereichen

Vor allem im Bereich "Soziales" gab es gegenüber dem Vorjahr eine deutlich höhere Punktzahl: 2021 erreichten die Versicherer im Schnitt 3,17 Punkte gegenüber 1,47 Punkten bei der vorherigen Studie. Verbesserungen gab es auch in den Bereichen „Governance" bzw. Unternehmensführung mit 3,02 Punkten (Vorjahr: 1,92). Für die „Umwelt“ wurden im Durchschnitt 2,26 Punkte vergeben - hier hatten die Versicherer zuvor 1,1 Punkte im Branchenschnitt erzielt. Alle drei Kategorien werden in der Studie gleich gewichtet.

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Im Rankingbereich Soziales hätten die Versicherer an Transparenz gewonnen. Zwei Gesellschaften erreichen hier erstmals sogar die Höchstwertung. Doch das gilt nicht für alle: In den Teilbereichen Kinderbetreuung, Familienbeihilfe und Gesundheitsmanagement seien rückläufige Tendenzen zu beobachten.

Auch im Bereich guter Unternehmensführung ließen sich positive Tendenzen beobachten: Nachhaltigkeit habe in der Führung an Priorität gewonnen, 78 Prozent der Gesellschaften hätten sie mittlerweile fest ins Unternehmen integriert.

Doch nicht alle Versicherer untermauern ihr Handeln damit, dass sie auch eine externe Kontroll-Instanz darauf schauen lassen, zum Beispiel Wirtschaftsprüfer. Was auffällt: 47 Prozent der Unternehmen, die auf eine externe Verifizierung ihrer Scopes verzichten, konnten ihr Ergebnis im Bereich Umwelt in diesem Jahr laut Studie verbessern. Bei den verifizierten Versicherungsgesellschaften ergibt sich ein gegenteiliges Bild. Dort ist der CO2-Ausstoß pro Mitarbeitenden gestiegen. „Die Gesellschaften sollten in Erwägung ziehen, ihre CO2-Emissionen verifizieren zu lassen, um einen Greenwashing-Verdacht nicht erst aufkommen zu lassen“, fordert Zielke.

Der Blick auf einzelne Versicherer: Axa mit der höchsten Punktzahl

Die einzelnen Versicherer konnten sich im Ranking eine goldene, silberne und bronzene Platzierung verdienen. Eine goldene Platzierung wird für mehr als 3,9 Punkte, eine silberne für 2,75 – 3,89 Punkte und eine bronzene für 1,6 – 2,74 Gesamtpunkte vergeben.

Insgesamt erreichten zwölf Versicherer den Gold-Status. Die höchste Punktzahl im Gesamtklassement konnte hierbei die Axa mit 5,05 Punkten erzielen. Folgende Versicherer wurden mit Gold ausgezeichnet:

  1. AXA 5,05
  2. Zurich Insurance Group 4,99
  3. Gothaer 4,71
  4. Helvetia 4,64
  5. Sparkassen Versicherung Sachsen 4,60
  6. Prisma Life 4,45
  7. Baloise 4,33
  8. Talanx Gruppe 4,28
  9. Wüstenrot & Württembergische (WW AG) 4,15
  10. SV SparkassenVersicherung 4,13
  11. Debeka 4,12
  12. Die Bayerische 4,00

Continentale, Vereinigte Hannoversche und Württembergische Gemeinde Versicherung mit den wenigsten Punkten

Aber es gibt auch Versicherer, die mit Blick auf ESG weniger gut performen und sich am Ende der Skala einfinden. Die niedrigste Punktzahl erreicht hierbei die Continentale mit minus 0,22 Punkten. Doch beim Schlusslicht sei ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar: im Vorjahr hatte die Punktzahl noch bei minus 2,45 Punkten gelegen. Die Analysten gehen deshalb davon aus, dass der Versicherer die rote Laterne bald abgeben könnte.

Auf dem vorletzten Platz findet sich Vereinigte Hannoversche Versicherung Gruppe (VHV) ein, die 0,11 Punkte erreicht. Auch sie hat sich gegenüber dem Vorjahr verbessert: da lag ihre Punktzahl noch bei minus 1. Die Württembergische Gemeinde Versicherung (WGV) erzielt die drittschlechteste Punktzahl mit 0,19 Punkten.

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Ebenfalls schlecht schneidet die HUK-Coburg ab. Sie landet mit 0,34 Punkten auf dem viertletzten Platz. Während die zuvor genannten Versicherer ihre ESG-Bilanz verbessern konnten, habe die HUK sogar noch verloren, weil sie im Vergleich zum Vorjahr noch weniger transparent gewesen sei. Die Ergebnisse der Studie und die Platzierung aller teilnehmenden Versicherer finden sich auf der Webseite von Zielke Research. Die Versicherer dürfen die Siegel gegen Entgelt nutzen, um damit um Kundinnen und Kunden zu werben.

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