Auf Widerstand stieß Bäte hierbei auch bei den Vorständen der Länder-Organisationen und den eigenen Vermittlern. Viele hätten gern am Status Quo festgehalten - auch, weil sie befürchteten, selbst dem Umbau zum Opfer zu fallen. Wiederholt wurde an Bäte der Vorwurf geäußert, er würde seine Digitalreform zu radikal und gegen die Interessen der eigenen Beschäftigten durchsetzen. So hatte zum Beispiel die Allianz Direct Startprobleme - Altkunden des Vorgängers „Allsecur“ beschwerten sich Anfang 2020, dass Verträge trotz Kündigungen weitergeführt wurden und der Service mangelhaft sei. Es drängte sich der Verdacht auf, der Digitalversicherer wurde auf die Reise geschickt, obwohl die Technik noch nicht marktreif gewesen ist. Mittlerweile sind die Probleme beim digitalen Flaggschiff aber behoben.

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In der nun bekannt gewordenen Rede attackiert Bäte auch jene, die seinem Erneuerungsprozess scheinbar im Weg stehen. „Jeder will seinen alten Crap in die neuen Systeme übertragen“, sagte er laut „WirtschaftsWoche“. Und er nimmt die Position der Kundinnen und Kunden ein, wenn er sich beklagt, Kritik an der Komplexität von Produkten und Prozessen würden mit „Bullshit-Antworten“ abgetan. Er greift auch eigene Führungskräfte an. Die Allianz müsse mehr „Manager einstellen und befördern, die gut darin sind, Dinge zu erledigen, anstatt darüber zu reden“.

Angriff auf US-Finanzaufsicht

Ein weiteres Thema im Vortrag waren die Milliardenstrafen, die der Versicherer im Zuge des Skandals um Structured-Alpha-Fonds leisten musste. Die Allianz wurde 2021 mit dem Vorwurf konfrontiert, in den USA hochspekulative Geldanlagen als sichere Altersvorsorge für institutionelle Investoren beworben zu haben. Während der Corona-Krise machten diese Fonds mit Termingeschäften enorme Verluste und mussten teilweise eingestampft werden. Nach einer Einigung mit mit dem U.S.-amerikanischen Justizministerium (DOJ) und der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) bekannte sich die Allianz-Investmenttochter Allianz Global Investors des Wertpapierbetrugs für schuldig. Die Allianz musste deshalb umgerechnet sechs Milliarden Euro als Strafe zahlen.

Doch in seiner Rede relativiert Oliver Bäte die eigenen Verfehlungen - und greift die US-Finanzaufsicht an. So würde zwar in den offiziellen Dokumenten stehen, dass die interne Kontrolle der Aufgabe nicht gewachsen gewesen sei. „Ich kann sagen: Das stimmt nicht“, widerspricht der Vorstandschef. Zwar hätte man Dinge besser machen und kontrollieren können - unter anderem hätten die Fondsmanager gefälschte Berichte verschickt. Doch die verhängten Strafen empfindet Bäte als zu hart. Er macht auch die US-Behörden dafür verantwortlich: „Ich sage das mit allem Respekt für das Ministerium und die SEC: Wären wir ein amerikanischer Konzern, wären die Dinge vielleicht ein bisschen anders gelaufen“.

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Hier schwingt der Vorwurf mit, dass die US-Behörden ausländische Firmen strenger beaufsichtigen und bestrafen als einheimische. Die WirtschaftsWoche macht darauf aufmerksam, dass die US-Dokumente gleich mehrere Verfehlungen der Allianz-Tochter aufführen. Unter anderem hätte die Revision nicht geklappt - und niemand habe überprüft, ob die verantwortlichen AGI-Manager ihre Börsendeals wie versprochen absicherten. Auch seien Hinweise der Investoren auf mögliches Fehlverhalten nicht ernst genommen wurden. Dies habe dazu beigetragen, dass ein Teil der Fonds Milliarden verlor.

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