Wenn Versicherer weniger in ihren Kapitaltöpfen haben, ist das eigentlich eine schlechte Nachricht. Nicht so im aktuellen Fall. Demnach teilt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit, dass die Zinszusatzreserve (ZZR) erstmals sinkt, seitdem sie im Jahr 2011 eingeführt wurde. Das ist ein Zeichen, dass sich die Branche erholt und stabiler dasteht.

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Sicherheitspuffer für Garantiezusagen

Konkret war die Zinszusatzreserve eine Reaktion auf die dauerhaft niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. Weil die Lebensversicherer zahlreiche Altverträge im Portfolio hatten, die einen hohen Zins garantierten und eine lange Laufzeit vorsahen, sah der Gesetzgeber ein hohes unternehmerisches Risiko bei den Anbietern. Die Sorge: Die Erträge aus den Kapitalanlagen des Versicherers reichen nicht mehr aus, um diese Pflichten gegenüber den Kunden zu erfüllen.

Aufgrund dieser Bedenken wurden die Anbieter per Gesetz verpflichtet, einen zusätzlichen Kapitalpuffer anzusparen. Wie hoch dieser Puffer ausfallen muss, orientierte sich an einem Referenzzins. Dieser bildete Umlaufrenditen von Anleihen aus öffentlicher Hand über einen Zeitraum von zehn Jahren ab.

Je länger die Niedrigzins-Phase anhielt, umso höhere Beträge mussten die Lebensversicherer ihrem Kapitalpuffer zuführen. Teilweise waren zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr notwendig, die es für die Branche extra zurückzustellen galt. Eigentlich als Sicherheit gedacht, drohte die Zinszusatzreserve einige Anbieter sogar zusätzlich zu überfordern. Sie mussten immer höhere Anteile ihres Kapitals zurückstellen, was die Bilanzen belastet hat.

Voraussichtlich drei Milliarden Euro weniger im ZZR-Topf

Doch die Europäische Zentralbank (EZB) setzte 2022 zum ersten Mal seit elf Jahren den Leitzins wieder rauf, sogar mehrfach - er stieg im September auf 1,25 Prozent. Auch die US-amerikanische FED hat den Leitzins erhöht. Experten erwarten, dass damit auch die Zinsen am Kapitalmarkt wieder dauerhaft steigen werden - und bereits gestiegen sind. Auch die Lebensversicherer erhalten nun mehr Zins, wenn sie das Geld der Kunden neu anlegen. Und das tun sie -nach wie vor- bevorzugt in Anleihen. 80 bis 85 Prozent der Wertanlagen bei Lebensversicherern bestehen aus festverzinslichen Wertpapieren, so berichtet die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV).

Damit wird auch die Zinszusatzreserve 2022 sinken - zum ersten Mal seit elf Jahren. "Die Zinszusatzreserve betrug zum Jahresende 2021 ca. 96 Milliarden Euro“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „In diesem Jahr wird sie voraussichtlich um etwa 3 Milliarden Euro auf rund 93 Milliarden Euro zurückgehen.“ Bei einem stabilen oder steigenden Referenzzins können Lebensversicherer ihre gebildete Zinszusatzreserve allmählich auflösen, berichtet der GDV weiter. Diese Gelder stünden den Kunden zu.

Der steigende Leitzins ist aber nicht der einzige Grund, weshalb die Lebensversicherer ihre Reserven teils abschmelzen können. Ob und wie schnell die Zinszusatzreserve in Zukunft verringert werden kann, hängt laut GDV im Wesentlichen von drei Faktoren ab:

  • dem allgemeinen Zinsniveau am Kapitalmarkt
  • der Höhe der garantierten Versicherungsleistungen mit einem Rechnungszins über dem Referenzzins
  • der (Rest-)Laufzeit des für die Zinszusatzreserve relevanten Bestandes an Versicherungen.

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