Aktuelle Zahlen des europäischen Verbands der Gegenseitigkeitsversicherer AMICE zeigen es unmissverständlich: Die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) bauen ihren Marktanteil in Europa weiter aus. 2020 waren ca. ein Drittel der Versicherer in der EU VVaG. Gemeinsam erzielten sie ein Beitragsvolumen von 468,5 Milliarden Euro. Zwischen 2010 und 2020 ist die Prämienentwicklung stetig nach oben gewachsen.

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Dr. Rainer Reitzler, CEO der Münchener Verein VersicherungsgruppeMünchener Verein Versicherungsgruppe

In Deutschland gibt es aktuell immerhin 243 VVaG. Das entspricht einem Anteil von 46,6 Prozent aller Versicherungsunternehmen. Damit liegt Deutschland mit in der Spitzengruppe in Europa.

Was macht einen VVaG – wie auch der Münchener Verein einer ist – so attraktiv? Wie sind sie entstanden? Welche Vor- und Nachteile haben sie?

Betrachtet man die gesellschaftsrechtliche Seite, so stellen VVaG eine Sonderform im Rahmen der gängigen Gesellschaftsformen dar. Ihre rechtliche Grundlage haben VVaG in §§ 171 bis 210 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). In der rechtlichen Ausgestaltung mischen sich Vorgaben des Vereins-, des Handels- und des Aktienrechts. Getragen wird der VVaG von den Versicherungsnehmern als Vereinsmitgliedern. Es gibt keine weiteren Kapitaleigner.

VVaG haben eine jahrhundertealte Tradition, sie gelten als Urform der heutigen Versicherungsgesellschaften. Der Gegenseitigkeitsgedanke reicht bis ins Mittelalter zurück. Kaufleute und Bauern schlossen sich nach dem Motto „Einer für alle – alle für einen“ zu Schutz- oder Brandgilden zusammen, um sich gegen Feuer und Überfälle abzusichern. Die Mitglieder zahlen alle in einen Topf. Im Schadensfall erhält der Geschädigte eine Leistung aus demselben. Im Vordergrund steht der bestmögliche Schutz zu günstigen Konditionen. Die Versicherten sind als Kunden gleichzeitig Mitglieder des Vereins und auch seine Eigentümer.

Ein Vorteil des VVaG ist, dass der Shareholder-Value-Gedanke wie bei börsennotierten Aktiengesellschaften keine Rolle spielt. Das kurzfristige Profit-Denken des Kapitalmarktes erübrigt sich. Als VVaG ist es zudem ausgeschlossen, dass das Unternehmen von Interessen in- und ausländischer Aktionäre bestimmt wird. Eine „feindliche Übernahme“ ist nicht möglich. Auch Außendienstpartner und Vermittler schätzen einen VVaG sehr, ist die Partnerschaft und Zusammenarbeit viel stärker längerfristig ausgerichtet. Da oft kleinere und mittelständische Versicherer VVaG sind, spielt darüber hinaus der Familiengedanke eine wesentliche Rolle. Ein Nachteil eines VVaG ist, dass kein Fremdkapital auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden kann. Der VVaG muss also aus sich selbst heraus die nötigen finanziellen Mittel aufbringen.

Für den Münchener Verein ist Letzteres kein Nachteil. Er entstand aus der genossenschaftlichen Idee, eine wirtschaftliche Selbsthilfeeinrichtung für das Handwerk und Gewerbe zu gründen. In diesem Jahr feiern wir unser 100-jähriges Bestehen und sind stolz darauf, dass wir in dieser langen Zeit immer unabhängig und eigenständig waren.

Unser Firmenname trägt das Wort „Verein“ und daher haben wir eine besondere Verantwortung, den Vereinsgedanken für unsere Mitglieder/Kunden, Mitarbeiter und Vertriebspartner besonders ernst zu nehmen – gestern, heute und morgen. Wir werden, als Münchener Verein alles daransetzen, die Ansprüche unserer Stakeholder in Balance zu halten und über Generationen zu erfüllen. Daher werden wir auch weiterhin ein bodenständiger und eigenständiger Versicherer bleiben und können auf Basis des im Geschäftsjahr 2021 erzielten Beitragsrekords von erstmalig über 800 Millionen Euro mit großer Zuversicht in das nächste Jahrhundert blicken.

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Der Leitgedanke der Versicherungsvereine im Sinne des „Gegenseitigkeits-Respektes“ und der Wertschätzung aller Beteiligten ist dabei moderner denn je und wird uns unterstützen, unsere Ziele zu erreichen.

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