Die Zeiten des Nullzinses sind vorerst vorbei: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwei Erhöhungen des Leitzinses in Aussicht gestellt, im Juli soll er um 0,25 Prozent steigen. Im September könnte eine weitere Erhöhung um 0,5 Prozent kommen. Damit kostet es auch die Banken wieder mehr, sich Geld von der EZB zu leihen. Im Umkehrschluss erhalten sie aber auch wieder einen Zinsertrag, wenn sie Gelder von Kundinnen und Kunden bei der EZB parken.

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Das beschert den Banken und Versicherern nun möglicherweise ein Comeback von Geldanlage-Formen, die in den letzten Jahren wegen fehlender Erträge eine Flaute erlebten. So berichtet das Finanzportal biallo.de, dass einige Banken ihre Festgeldzinsen deutlich erhöht haben. Die schwedische Klarna-Bank zahle für ein Jahr Laufzeit zum Beispiel 1,30 Prozent Festgeldzins. Bei zwei Jahren Laufzeit würden sogar 1,60 Prozent per annum zugesichert.

Das ist zwar deutlich mehr, als was Banken im Schnitt bereit sind für Festgeld in Aussicht zu stellen. So liegen die durchschnittlichen Zinsen für einjähriges Festgeld bei gerade einmal 0,22 Prozent, berichtet das Finanzportal. Doch auch andere Institute hätten nachgezogen. Die Renault Direkt Bank biete 1,20 Prozent Festgeldzins per annum für eine zweijährige Laufzeit, die Creditplus Bank ebenfalls 1,20 Prozent. Hier könnten andere Anbieter nachziehen.

Um die aktuell sehr hohe Inflation aufzufangen, reicht der Ertrag aber bei Weitem nicht. Diese erreichte in der Eurozone im Juni eine Rekordhöhe von 8,6 Prozent, in Deutschland lag sie laut Statistischem Bundesamt bei voraussichtlich 7,6 Prozent. Mit einer Entspannung der Lage ist vorerst nicht zu rechnen.

Lebensversicherung: kein Comeback „klassischer“ Produkte erwartet

Etwas anders sieht es hingegen bei Lebensversicherungen aus. Kunden klassischer Lebensversicherungen können nach Einschätzung von Branchenexperten trotz der Zinswende am Kapitalmarkt vorerst nicht mit höheren Zinsen im großen Stil rechnen. Laut Lars Heermann, Experte der Kölner Ratingagentur Assekurata, sei aktuell keine schnelle Erhöhung der Überschussbeteiligung zu erwarten. Ein Grund: Diese haben das Geld der Kundinnen und Kunden zum Großteil in festverzinsliche Anlagen mit langer Laufzeit investiert, mehr als 77 Prozent der Kundengelder stecken in derartigen Festpapieren.

Zudem leiden die Lebensversicherer unter einer schwächelnden Nachfrage, weil die Bürgerinnen und Bürger die extrem hohe Inflation auch in ihrem Portemonnaie merken. So hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auch seine Erwartungen für das Geschäftsjahr 2023 mit Blick auf das Leben-Geschäft deutlich nach unten korrigieren müssen: das nominale Wachstum bei den Beiträgen werde voraussichtlich im Branchenschnitt nur 0,2 Prozent betragen.

Der Grund für die schwächelnden Nachfrage nach Leben-Produkten: eben die hohe Geldentwertung durch zum Beispiel steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten. Das mindert auch die Bereitschaft, aktuell in die Altersvorsorge zu investieren. „Langfristige Vorsorge und Absicherung werden in Krisenzeiten tendenziell in die Zukunft vertagt“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versicherer-Verbandes.

Der anhaltende Niedrigzins an den Kapitalmärkten hatte in den letzten Jahren dazu geführt, dass klassische kapitalbildende Lebensversicherungen - stark vereinfacht mit Garantiezins- de facto im Neugeschäft nicht mehr angeboten werden. Denn diese Garantien sind teuer. Nicht nur müssen sie mit vielen Eigenmitteln unterlegt werden - die Versicherer sind hier auch gezwungen, das Geld der Kundinnen und Kunden überwiegend in festverzinsliche Papiere mit langer Laufzeit zu stecken. Das lohnte sich zuletzt weder für die Assekuranzen noch für deren Kundschaft.

Nebendarstellerin in hybriden Verträgen

Nach Ansicht des Leben-Experten Ronald Felsner hat die klassische Lebensversicherung aber einen Platz als Nebendarstellerin in hybriden Verträgen gefunden. „Etwa als Parkplatz für Einmalanlagen oder Zuzahlungen zwecks sukzessiver Umschichtung in Fonds oder auch um Kapital abzusichern kann der Deckungsstock einen Mehrwert für den Anleger liefern“, sagte Felsner gegenüber AssCompact.

Laut Assekurata nutzt der steigende Zins aber auch den Lebensversicherern. Sie werden beim Aufbau der Zinszusatzreserve entlastet (ZZR): stark vereinfacht der Kapitalstock, den die Anbieter seit 2011 aufbauen müssen, um auch langfristig die Zinsgarantien an Kundinnen und Kunden zu sichern. 2021 flossen hier branchenweit 10 Milliarden Euro rein. In diesem Geschäftsjahr aber dürfte die Branche erste Rückflüsse aus dem Kapitalpuffer erhalten.

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Diese Rückflüsse aus der ZZR werden die Versicherer aber zunächst nutzen, um stille Lasten in der Bilanz abzubauen, vermuten die Experten. Und auch bei der Neuanlage von Kundengeldern dürften sich steigende Zinsen positiv auswirken - da die Lebensversicherer noch immer viel Geld in festverzinsliche Papiere stecken.

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