Die Hochwasserkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr hat auch unzählige private Immobilien beschädigt. Viele Häuser waren nicht mit einer Elementarschadenversicherung geschützt, die bei Starkregen und Überschwemmung zahlt.

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Kurz nach den verheerenden Geschehnissen waren die Schreie nach Staatshilfen und einer Pflichtversicherung wieder besonders laut zu hören. Im August 2021 nahm sich die Bundesregierung diesem Thema an. So solle geprüft werden, ob eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden eingeführt werden soll. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor.

Eigentlich sollte der verpflichtende Schutz bereits in der folgenden Justizministerkonferenz der Länder im November besprochen werden. Sieben Monate später steht nun die nächste Justizministerkonferenz an. Diese findet am 1. und 2. Juni statt. Das Thema Elementarschadenpflichtversicherung steht auf der Agenda. Bisher wurden das heiße Eisen stets ergebnisoffen debattiert und regelmäßig vertagt. Spätestens nach der nächsten Naturkatastrophe wurde das Thema wieder hochgespült.

BdV will kollektives Pflichtsystem

Deshalb machen nun die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten e. V. (BdV) mobil. „Der gefährlichen Logik des Klimawandels begegnet man nicht mit individueller Anpassung und vor allem nicht mit reaktiver Nachsorge“, sagt Stephen Rehmke, Vorstand des BdV. „Politik, Versicherungswirtschaft und Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer müssen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Bloße Gummistiefelpolitik bringt uns nicht weiter.“

In einem Positionspapier fordert der BdV ein kollektives Pflichtsystem, das die Bundesländer zusammen mit der Versicherungswirtschaft als Poollösung bereitstellen und durch einen Zuschlag auf die Grundsteuer finanzieren könnte. Demnach würden alle Gebäudeeigentümer mit höheren Grundsteuern belastet, mit denen ein von den Ländern organisierter Risikopool finanziert werden könne. Diejenigen, die eine private Versicherung für Elementarschäden nachweisen könnten, würden dann von dieser Steuer befreit.

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„Die Situation bei der Elementarschadenversicherung entspricht der klimapolitischen Gesamtlage. Es ist kurz vor knapp. Deshalb braucht es eine verpflichtende Lösung, die den Einzelnen für eine individuelle Vorsorge weiterhin belohnt und den Staat gleichzeitig verbindlich in die Pflicht nimmt“, sagt Rehmke.

Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen fällt auf Niveau vor Ahr-Flut zurück

Unwetter mit Sturm, Hagel, Blitz und Starkregen haben den Versicherern im Jahr 2021 Schäden in Höhe von 12,7 Milliarden Euro beschert. Derweil sind im Bundesgebiet lediglich 50 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung versichert, so berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei bestehen regional große Unterschiede. Während in Baden-Württemberg 94 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren versichert sind, haben in Bremen gerade einmal 28 Prozent einen entsprechenden Schutz. Die hohe Versicherungsdichte in Baden-Württemberg hat historische Gründe. Schließlich bestand bis zum Jahr 1993 eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden.

Im vergangenen Jahr war direkt nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal die Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen spürbar gestiegen. Während im dritten Quartal 2021, also unmittelbar nach der Ahr-Sturzflut, noch 400.000 neue Verträge geschrieben worden, waren es von Anfang Januar bis Ende März 2022 nur noch 125.000 Policen. Vor der Juli-Flut verzeichneten die Versicherer zwischen 50.000 und 100.000 neue Verträge je Vierteljahr.

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„Wir haben schon häufiger beobachtet, dass sehr viele Menschen direkt nach einer Naturkatastrophe das Bedürfnis haben, sich abzusichern“, Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Leider nimmt das Interesse, wie auch in diesem Fall, mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Ereignis wieder ab.“ Seit dem Hochwasser im Ahrtal ist die Zahl der Elementarschadenversicherungen insgesamt um rund vier Prozentpunkte gestiegen. „Das bedeutet: Immer noch haben nur etwa 50 Prozent aller Hausbesitzer in Deutschland diesen für sie existentiell wichtigen Versicherungsschutz. Das ist viel zu wenig“, so Asmussen.

GDV sieht mildere Mittel als eine Pflichtversicherung

Vor diesem Hintergrund werben die Versicherer für das von ihnen im vergangenen Herbst vorgelegte Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung. „Wir schlagen einen anderen Weg vor als eine singuläre Pflichtversicherung.“, sagt Asmussen. Ziel sei eine Absicherung aller Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken. Dazu könnten beispielsweise Überschwemmungsschäden obligatorisch in neuen privaten Wohngebäudeversicherungen enthalten sein. Bestehende Verträge ohne Elementarschutz könnten zu einem Stichtag auf eine Absicherung mit Elementarschutz umgestellt werden. Hausbesitzer, die diesen Schutz auch zukünftig nicht wollen, könnten aktiv widersprechen und somit frei entscheiden. „Es wäre ein milderes Mittel, als sie staatlich zu einer Versicherung zu zwingen“, so Asmussen weiter.

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Überdies sieht das GDV-Gesamtkonzept vor, dass Bund, Länder und Kommunen nachhaltig umsteuern in Richtung mehr Prävention und Klimafolgenanpassung. Dies könne unter anderem über Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten, eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen und den besseren Schutz bestehender Gebäude geschehen. „Es muss klar sein: Eine Versicherung allein rettet kein Menschenleben, verhindert keinen einzigen Schaden. Wir müssen uns als Gesellschaft gegen mehr Extremwetter rüsten und vor allem auch mehr vermeidbare Schäden verhindern“, so Asmussen.

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