Seit das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FISG) vor einem halben Jahr in Kraft getreten ist, darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anonyme Testkäufe bei Banken und Finanzdienstleistern durchführen. Beim sogenannten Mystery Shopping geben sich geschulte Testkäuferinnen und -käufer als ahnungslose Kunden aus, um zu sehen, ob transparent und korrekt beraten wird. Ein erster Testlauf fand nun bei Banken und Sparkassen statt. Bei rund einem Drittel der 36 Beratungen gab es hierbei „schwerwiegende Beanstandungen“, wie die BaFin per Pressetext mitteilt.

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Gesetzlich vorgeschriebene Dokumente nicht ausgehändigt

Für den Probelauf hat die BaFin drei Testkundenprofile erstellt, um damit die Mystery-Shopping-Piloten loszuschicken: für Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Dann wurden diese bei 12 Geldhäusern im gesamten Bundesgebiet vorstellig: je vier Sparkassen, Genossenschafts- sowie Privatbanken. In jedem Textkundenprofil gab es je zwölf Käufe.

„Die Fehlerquote war auf den ersten Blick auffällig: In zwölf von 36 Beratungsgesprächen – also in jedem dritten – wurden wichtige Informationsdokumente nicht übergeben“, berichtet Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz bei der BaFin. In fünf Fällen habe die Geeignetheitserklärung gefehlt: also jenes Dokument, in dem Anlageziele, Risiken und andere Merkmale der Geldanlage festgehalten werden. In vier Fällen sei auch keine Kostenerklärung ausgehändigt worden. Bei weiteren drei Testkäufen hätten sogar beide Dokumente gefehlt, und das, obwohl sie gesetzlich vorgeschrieben sind.

Besonders viele Beanstandungen bei Senioren

Mängel seien vor allem in der Kundengruppe der Seniorinnen und Senioren aufgetreten, die eine besonders verwundbare Kundengruppe im Bereich der Geldanlage sei: ohne, dass die BaFin hierzu weitere Details nennt. Hier habe es in der Hälfte aller Beratungen Beanstandungen gegeben. In den Testprofilen für Jugendliche und Berufstätige sah der Schnitt schon besser aus: jeweils zu einem Viertel wurde hier der Rat der Banken beanstandet.

Daneben gab es weitere Defizite: So seien zum Beispiel Kundenangaben mitunter fehlerhaft aufgenommen wurden. Die BaFin vermutet hier, dass dies nicht versehentlich passierte: sondern die Bankberater ein Produkt empfehlen wollten, das zu Risiko- und Kostenpräferenz der Testkäufer nicht gepasst hätte. Immerhin gab es auch bei 67 Prozent der Testkäufe „keine“ oder nur „geringfügige“ Beanstandungen.

Testkäufe sollen deutlich ausgeweitet werden

Die BaFin räumt ein, dass der erste Testlauf zu klein ist, um schon ein breites Bild über die Qualität der Anlageberatung zu erhalten. Ab 2022 soll das Mystery Shopping deutlich ausgewertet werden: und dann auch andere Berufe treffen, die zum Thema Geldanlage beraten. Dennoch sieht die BaFin Handlungsbedarf. „Die Daten erlauben zwar keine Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt, sind für mich aber ein klares Zeichen dafür, dass wir künftig bei der Anlageberatung noch genauer hinsehen müssen“, sagt Christian Bock.

Der Verbraucherschutz-Chef der BaFin kündigte an, worauf sich Anlageberater in nächster Zeit vorbereiten müssen. „Wir planen jährlich mehrere Hundert Testkäufe in allen Aufsichtsbereichen: Von Versicherungen über Bankprodukte wie Konto und Kredit bis hin zu Wertpapieren und Zertifikaten – bei all diesen Angeboten stellen sich Fragen, denen wir unter anderem mit Mystery Shopping nachgehen wollen“, so Bock. Ein Schwerpunkt soll hierbei die Restschuldversicherung sein, die oft zusammen mit Krediten vermittelt wird: eine Gattung, in der Teils sehr hohe Provisionen fließen.

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Für die Verbraucherzentralen ist die aktuelle Untersuchung eine Steilvorlage, um erneut ein "umfassendes Verbot von Provisionen" zu fordern: entsprechend positioniert sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zu der aktuellen Stichprobe. Die Untersuchung zeige, dass Transparenz als Schutzschild gegen schlechte Beratung nicht funktioniere. Für einen effektiven Verbraucherschutz am Finanzmarkt müssten Politik und Finanzaufsicht "zwei Gänge hochschalten", zitiert die Nachrichtenagentur AFP den vzbv.

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