Bei einem Belastungs-EKG misst der Arzt die elektrische Aktivität des Herzens, während der Patient sich körperlich betätigt. Die Lebensversicherer freilich agieren bereits unter einer Dauerlast. Die Fakten sind bekannt: Wie kaum eine andere Branche krankt die Lebensversicherung an den Null- und Minuszinsen.

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Teure Altgarantien, die in besseren Zeiten vertraglich zugesichert wurden, lassen sich nicht mehr erwirtschaften. Zudem hängt die Lebensversicherung noch immer am Tropf der Zinsen: Hohe 83,2 Prozent der Einnahmen legten Lebensversicherer auch 2020 noch in festverzinslichen Anlagen an, weil gesetzliche Vorgaben dies erzwingen (Versicherungsbote berichtete).

Da ist es gut, dass der Gesetzgeber schon ab 2011 vorsorgen ließ. Wenn die Versicherer im Niedrigzinsumfeld bestehen, ist dies auch wesentlich der Zinszusatzreserve (ZZR) als obligatorischen Kapitalpuffer zu verdanken.

Zinsen im Sinkflug erfordern hohe Reserven

Gesetzliche Grundlage ist Paragraf 5 der Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) in Verbindung mit Paragraf 341f des Handelsgesetzbuchs (HGB). Seit dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) von 2014 orientieren sich Referenzzins und damit auch Zinszusatzreserve am Niveau von Null-Kupon-Euro-Zinsswapsätzen mit einer Laufzeit von zehn Jahren.

Und je tiefer die Zinsen sinken, desto mehr muss in die Reserve fließen – der maßgebliche Zins liegt 2021 bei 1,57 Prozent. Für Garantien, die darüber liegen, muss nachreserviert werden.

Seit 2018 bleibt für das Nachreservieren für Altgarantien zwar mehr Zeit – damals wurde eine Korridor-Methode eingeführt, die den Referenzzins nur noch um einen Maximalwert vom Vorjahr abweichen lässt – er kann sich nur noch innerhalb eines bestimmten Korridors bewegen (Versicherungsbote berichtete). Dennoch stieg die notwendige Reserve zuletzt wieder an – von sechs Milliarden Euro, die 2018 nachreserviert werden mussten, auf elf Milliarden Euro in 2020.

Auch 2021, so die Experten von Assekurata, wird ein Betrag von elf Milliarden Euro zur Nachreservierung nötig sein.

Ertragspuffer lässt kaum noch Spielraum

Die Zinszusatzreserve ist für viele Anbieter also noch immer eine hohe Last. Insgesamt wurden bisher – seit Einführung des des obligatorischen Puffers bis Ende 2020 – bereits rund 86 Mrd. Euro nachreserviert. Die Experten erklären: Dies entspricht knapp dem Fünffachen des marktweiten bilanziellen Eigenkapitals (rund 18 Mrd. €).

Wie wenig Spielraum durch Altgarantien und Zinszusatzreserve bleibt, veranschaulicht eine Grafik. So fällt der Ertragspuffer aus der Kapitalanlage gegenüber den Rechnungszinsanforderungen immer geringer aus – er liegt bei kargen 0,37 Prozent in 2020:


Sind aber die Lebensversicherer fit genug, solchen extremen Belastungen standzuhalten? Aussagen hierüber gibt eine Kennzahl, die sich die Experten aus Köln geschaffen haben: Die EKG-Quote. Jenseits des Sprachbilds aus der Medizin steht die Abkürzung „EKG“ für „Ertragskraft-Garantie-Quote“. Die Quote zeigt die wirtschaftliche Widerstandskraft eines Unternehmens an und errechnet sich durch folgende Formel:

EKG-Quote (in %) = [Kapitalanlageergebnis gesamt + Risikoergebnis + übriges Ergebnis + 0,5 * Bewertungsreserven + freie RfB] in % der Rechnungszinsanforderung (inkl. ZZR)

Hat ein Anbieter zum Beispiel die EKG-Quote von 300 Prozent, dann reicht das verfügbare Ertragsprofil dieses Anbieters theoretisch aus, um die im Bilanzjahr bestehenden Rechnungszinsanforderungen dreifach zu finanzieren – sofern neben den vereinnahmten Ergebnissen auch die Hälfte der bestehenden Bewertungsreserven sowie die freie Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (freie RfB) komplett aufgelöst würden.

Freilich: Ein solches Handeln wäre nur im äußeren Notfall gerechtfertigt und hätte gravierende Auswirkungen (zum Beispiel auf die Überschussbeteiligung der Kunden). Gerade deshalb eignet sich die EKG- Quote aber als Standhaftigkeits-Kennziffer, erklären die Experten aus Köln.

Bewertungsreserven für Bilanzen immer wichtiger

Die durchschnittliche EKG-Quote des Marktes liegt in 2020 bei 553,28 Prozent: Sie hat sich gegenüber 2019 um 40,79 Prozentpunkte verbessert. Wie aber setzt sich die durchschnittliche EKG-Quote des Marktes zusammen, wenn man sie in ihre Bestandteile zerlegt?

Auffallend ist: Eine Ertragsquelle gewinnt immer mehr Dominanz – der prozentuale Anteil der Bewertungsreserven. Bei einer durchschnittlichen EKG-Quote des Marktes in Höhe von 553,28 Prozent machen Bewertungsreserven allein 331,80 Prozent aus.

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Dahinter rangiert das Kapitalanlageergebnis mit 113,98 Prozent vor dem Anteil der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB) mit 83,53 Prozent. Der Anteil des Risikoergebnisses beträgt zudem 20,32 Prozent. Hinzu kommt das übrige Ergebnis mit einem Anteil von 3,65 Prozent.

Unternehmen mit guten und schlechten EKG-Quoten

Wie aber schneiden die einzelnen Lebensversicherer bei ihrem Ertragskraft-Garantie-Check ab? Auffallend ist: Die einzelnen Werte der Versicherer streben sehr auseinander. Denn die beste Quote beträgt 3543,51 Prozent, die schlechteste hingegen 329,80 Prozent.

Hierzu ist aber eine Ergänzung notwendig. Denn die Quote bevorteilt Versicherer mit Produktschwerpunkt im Risikogeschäft. Risikoversicherer – zum Beispiel die Deutsche Leben oder die Delta Direkt – haben demnach schon aufgrund ihres Produkt-Portfolios eine hohe Ertragskraft gegenüber einer vergleichsweise geringen Rechnungszinsanforderung – und damit eine weit über dem Durchschnitt liegende EKG-Quote.

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Die Versicherer mit den besten Quoten

Folgende Lebensversicherer verfügen über eine hohe Widerstandskraft und führen das Ranking mit den EGK-Quoten 2020 an:

  • Delta Direkt: 3543,51 Prozent
  • Deutsche Leben: 3147,41 Prozent
  • Dialog: 1877,42 Prozent
  • Europa: 971,71 Prozent
  • Ergo Vorsorge: 878,06 Prozent
  • Interrisk: 844,36 Prozent
  • Ideal: 818,56 Prozent
  • Targo: 809,15 Prozent
  • Allianz: 809,15 Prozent
  • LV1871: 689,05 Prozent

Die Versicherer mit unterdurchschnittlichen Quoten

Auf der anderen Seite des Rankings aus dem EKG-Check 2021 aber befinden sich Versicherer, bei denen eine eher geringe Ertragskraft einer eher hohen Rechnungszinsanforderung gegenüber steht. Diese Unternehmen können mit ihren Kennzahlen unterhalb des Marktschnitts weniger überzeugen. Zu bedenken ist bei Deutung der Zahlen aber dennoch: All diese Versicherer finanzieren ihre Rechnungszinsanforderungen auch unter den simulierten Bedingungen mindestens dreifach:

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  • myLife: 402,17 Prozent
  • Signal Iduna: 400,01 Prozent
  • Itzehoer: 400,01 Prozent
  • VRK: 379,61 Prozent
  • WWK: 362,14 Prozent
  • Credit Life: 352,43 Prozent
  • Barmenia: 348,54 Prozent
  • Concordia oeco: 348,05 Prozent
  • Huk-Coburg: 329,80 Prozent

Weitere Kennzahlen zur Lebensversicherung haben wir unter einer neuen Rubrik zusammengefasst.

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