Ist die Rente sicher? Dieser Frage widmet sich Bert Rürup, Ökonom und einer der Ideengeber der Rentenreformen unter Altbundeskanzler Gerhard Schröder, in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ (Freitag). Er sieht gravierende Probleme auf das Umlagesystem zukommen - und verteidigt es zugleich. Ein Auslaufmodell sei sie nicht.

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Reformpläne der Ampel-Koalitionäre "dürftig"

Zunächst äußert sich Rürup zu den Rentenplänen von SPD, Bündnis 90/die Grünen und FDP. Trotz der Aktienrenten-Pläne, wonach mit einem Startkapital von zehn Milliarden Euro ein zusätzlicher Kapitalstock gebildet werden soll, laufen die Pläne auf ein „weiter so“ hinaus, kritisiert Rürup.

Rürup zitiert aus dem Sondierungspapier: „Eine gute und verlässliche Rente nach vielen Jahren Arbeit ist für die Beschäftigten wichtig“, weil es darum gehe, mit eigener Arbeit eine gute Absicherung zu schaffen. „Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent sichern. Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben.“

Abgerückt sei die FDP hingegen von den Plänen, zwei Prozentpunkte des Rentenbeitragsaufkommens zum Aufbau einer aktienbasierten Kapitalreserve zu nutzen, berichtet der Ökonom. Aus seiner Sicht sei das ohnehin eine „krude Idee“, da das Geld dann zur Finanzierung der laufenden Renten fehlen würde. Die zehn Milliarden Euro, welche nun für einen Kapitalstock der Rentenkasse bereitgestellt werden sollen, hält er hingegen für „völlig ungenügend“. Das entspreche den Ausgaben der Rentenversicherung von -gerade einmal- elf Tagen. Selbst bei einer Rendite von durchschnittlich fünf Prozent könnten damit der Rentenbeitrag nicht einmal um ein Zehntelpunkt gesenkt werden.

Vakant bleibt folglich, wie die Rentenzusagen der angehenden Koalitionäre finanziert werden sollen: Auch, weil schon bald viele Babyboomer in Rente gehen. Rürup spricht von einem „massiven Alterungsschub“, der bevorstehe. Er verweist auf eine Studie des arbeitgebernahen ifo-Institutes, wonach der Rentenbeitrag von derzeit 18,6 Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2050 steigen müsste.

Auch immer höhere Steuerzuschüsse des Bundes seien keine Lösung: im selben Jahr müssten laut ifo-Prognose bereits 60 Prozent des Bundeshaushalts für Renten und Pensionen aufgewendet werden. Geld, das dann z.B. nicht mehr für Investitionen zur Verfügung steht. Auch das Wirtschaftswachstum werde sich langfristig abschwächen: unter anderem infolge des sinkenden Arbeitsangebots. Damit könne weniger Geld umverteilt werden.

Mehr Umverteilung innerhalb des Rentensystems gefordert

Selbst unter den jetzigen Bedingungen würde speziell in Ostdeutschland steigende Altersarmut drohen, argumentiert Rürup weiter. Er verweist darauf, dass das Rentenniveau nichts mit den tatsächlich zu erwartetem Verhältnis von eigener Rente zu dem letzten Nettoeinkommen zu tun habe. Der Grund: Das Rentenniveau ist eine fiktive Kennziffer, mit der abgebildet wird, welche Rente ein Durchschnittsverdiener nach mindestens 45 Beitragsjahren erreicht. Viele in Ostdeutschland schaffen das aber nicht: Sie arbeiten kürzer und verdienen weniger. Schuld sind unter anderem brüchige Erwerbsbiographien in den Nachwende-Jahren, als sich viele Ostdeutsche in der Arbeitslosigkeit wiederfanden. Selbst die Grundrente helfe vielen nicht, weil sie die geforderten 33 Beitragsjahre nicht erfüllen würden, gibt Rürup zu bedenken.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Prognosen von Rürup überwiegend pessimistisch: Doch welche Lösung schlägt er vor, um das Umlagesystem letztendlich doch zu verteidigen? Und wie kann das Rentensystem besser gegen Altersarmut schützen? Rürup will an das Grundprinzip der gesetzlichen Rente ran: nämlich, dass jene, die viel und lang in die Rentenkasse einzahlen, auch umso mehr Altersrente zu erwarten haben. Dieses sogenannte Äquivalenzprinzip zementiere den sozialen Status während der Erwerbsphase auch im Alter. Keine neue Forderung, denn auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat unter anderem schon eine Abkehr vom Äquivalenzprinzip gefordert. Und darauf verwiesen, dass Menschen mit geringerem Einkommen auch eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung haben, folglich kürzer Rente beziehen.

Es brauche folglich einen neuen Umverteilungsmechanismus in der gesetzlichen Rente: ohne, dass die Gesamtausgaben steigen. Ein Vorbild hierfür findet der 77jährige in Österreich. Demnach solle das Niveau der Zugangsrenten angehoben werden: Menschen mit kleinem Einkommen folglich bessergestellt werden. Zugleich sollen sich künftige Rentenanpassungen nicht mehr an der Lohnentwicklung orientieren, sondern an den Verbraucherpreisen. Das Ergebnis: Die Kaufkraft der Renten bleibe konstant, aber die Rentnerinnen und Rentner partizipieren nicht mehr an Lohnfortschritten. Sozialer Ausgleich inklusive.

Es geht nicht ohne zusätzliche Kapitaldeckung

Weil die Renten weniger stark steigen, wären Gutverdiener auch eher bereit, mehr Geld in eine kapitalgedeckte Zusatzvorsorge zu stecken, argumentiert Rürup weiter. Hier sieht er eine weitere wichtige Stellschraube, um das gesetzliche Rentensystem zukunftsfest zu machen: Die private Altersvorsorge soll verpflichtend werden und besser staatlich gefördert. Auffallend ist, dass der Ideengeber für die Rürup-Rente in seinem Kommentar weder Riester noch Rürup anspricht. Stattdessen solle ein „flexibles und kostengünstiges Instrument für jedermann“ angeboten werden. Rürup nennt mehrere Konzepte, die sich inhaltlich nahestehen, aber Unterschiede im Detail aufweisen: Das Vorsorgekonto, ins Spiel gebracht von der Rentenversicherung Baden-Württemberg. Oder die Deutschland- und Aktienrente.

"Die umlagefinanzierte gesetzliche Rente steht zweifellos in den kommenden 20 Jahren vor gravierenden Problemen – ein Auslaufmodell ist sie aber nicht", so das Fazit von Rürup. Sofern die -aus seiner Sicht- notwendigen Reformen angestoßen werden. Hierfür sei es aber notwendig, langfristig zu denken: und nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode.

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