„Messen lassen müssen wir uns bei allem, was wir tun – egal, gegenüber wem – am Schutz der Belange von Versicherungsnehmern und Begünstigten“, so Exekutivdirektor Dr. Frank Grund Mitte September 2020 in seiner Rede beim Digitalkongress „Insurance Today and Tomorrow“.

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Nun lässt die BaFin diesen Worten auch Taten folgen und will die Eigenkapitalanforderungen an neugegründete Unternehmen im Versicherungssektor verschärfen. Begründet wird dieser Schritt so: Das Versicherungskollektiv sei bei jungen Digitalversicherern noch überschaubar. Das führe zu geringeren Prämieneinnahmen bei gleichzeitig hohen Investitionskosten vor allen im IT-Bereich.

InsurTechs würden ihre Existenz in der Verlustzone starten und hätten dann Schwierigkeiten, diese zu verlassen, schreibt die BaFin in ihrem Journal. Zu häufig seien die Geschäftsprognosen zu optimistisch und die Unternehmen auf Nachfinanzierungen angewiesen. Darin stört sich die Finanzaufsicht und will - natürlich um die Versicherten zu schützen - bestehende Unternehmen in der Aufbauphase sowie künftige Neugründungen „genau unter die Lupe nehmen“.

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Die Aufseher führen auch aus, was sie sich konkret darunter vorstellen: So sollen künftige Neugründungen „schon am Tag ihres Zulassungsantrags vollständig ausfinanziert sein, damit sie keine ergänzenden Finanzierungsrunden mehr benötigen.“

BaFin: „Kein blindes Vertrauen in Businesspläne“

„Blindes Vertrauen in Businesspläne kann von der BaFin nicht erwartet werden“, so Exekutivdirektor Grund bei „Insurance Today & Tomorrow“. Deshalb müssen Versicherungsunternehmen bei ihrer Zulassung einen höheren Organisationsfonds stellen als bisher. „Der Orgafonds soll so hoch bemessen sein, dass er alle erwarteten, realistisch prognostizierten Verluste von der Gründung bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Profitabilität erfasst“, heißt es von Seiten der BaFin. Bei Geschäftsplanänderungen werde die BaFin prüfen, ob ein neuer Orgafonds erforderlich ist.

Neben dem höheren Orgafonds sind auch höhere versicherungstechnische Rückstellungen vorgesehen. Die BaFin schreibt dazu: „ Unter Solvency II müssen Versicherungsunternehmen grundsätzlich ihre Aufbaukosten für die IT auch bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellung berücksichtigen. Dazu zählen unter anderem Gemeinkosten, die fällig werden, um Softwarelösungen und Apps für den Versicherungsbetrieb zu entwickeln, aber auch die Gehälter der zuständigen IT-Beschäftigten. Bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellung sollten alle Unternehmen in der Aufbauphase die Kosten überwiegend ihrem Bestandsgeschäft zuordnen. Denn das prognostizierte Neugeschäft ist in der Aufbauphase mit zu hohen Unsicherheiten behaftet, als dass man den Großteil der Kosten guten Gewissens dort verorten könnte.“

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Weniger Gründungsaktivität zu erwarten

Doch was heißt das für den InsurTech-Standort Deutschland? Versicherungsbote fragte bei Dr. Nikolai Dördrechter, InsurTech-Experte und Mitautor des InsurTech-Radar, der von Policen Direkt und Oliver Wyman veröffentlicht wird, nach: „Die BaFin-Veröffentlichung bezieht sich nur auf einen sehr kleinen Teil der InsurTechs, nämlich auf die Neocarrier, die bereits eine Versicherungslizenz haben – was in Deutschland aktuell nur etwas mehr als eine Handvoll sind – oder eine beantragt haben bzw. planen, dies zu tun. Für diese zieht die BaFin die Daumenschrauben nun deutlich an, da nicht jeder der Business Pläne im gewünschten Maße aufgegangen ist. Seit der Wirecard-Affäre steht die BaFin unter erheblichem öffentlichen Druck. Die Pleite eines Neocarriers würde den Druck noch weiter verschärfen. Es verwundert daher nicht, dass man nun besonders vorsichtig ist. Die konkrete Folge: Neocarrier mit eigener BaFin-Lizenz zu gründen, wird zukünftig deutlich mehr Kapital erfordern als bisher. Das schmälert die Rendite aus Investorensicht. Insofern ist zu erwarten, dass es hier weniger Gründungsaktivität geben wird.“

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