Bei den juristischen Auseinandersetzungen um die Leistungspflicht aus Betriebsschließungsversicherungen ist weder Ende, noch klare Tendenz in Sicht. Sowohl Urteile, die für den Versicherer entscheiden, als auch gegenteilige Urteile sind inzwischen bekannt. So berichtet der Branchendienst „Versicherungsmonitor“ von einem Entscheid des Landgerichts Stuttgart, der im Sinne des Versicherers endete. Ähnlich wie in vorangegangenen Verfahren war hier die Kernfrage, ob der in den Bedingungen aufgenommene Katalog von Krankheitserregern abschließend war oder nicht. In dem Fall, über den „Versicherungsmonitor“ (ohne Aktenzeichen) berichtet, gaben die Richter der 35. Kammer für Handelssachen dem Versicherer Recht und wiesen die Klage ab. Der Gastronom bleibt nun - sollte es bei dem Urteil bleiben - auf einem Schaden von über 67.000 Euro sitzen.

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Landgericht Hamburg sieht Helvetia in der Pflicht

In einem anderen Fall erkannten die Richter allerdings eine Leistungspflicht des Versicherers. Besonders interessant ist dieser Fall, weil ihm Bedingungen zugrunde lagen, die bereits von anderen Landgerichten beurteilt wurden. Es handelt sich um die Bedingungen der Helvetia. Und wieder war hier die Frage, ob die Auflistung der Krankheitserreger als abschließend zu verstehen sei. Das Landgericht Hamburg (AZ: 412HKO 91/20) widmete sich in seiner Urteilsbegründung (liegt Versicherungsbote vor) ausführlich dieser Frage.

Mehrdeutigkeit der Bedingungen

Anders als ihre Kollegen von den Landgerichten in OIdenburg, Ravensburg und Ellwangen konnte das Landgericht Hamburg keine eindeutige Lesart der entscheidenden Passage in den Bedingungen feststellen (siehe Urteilsauszug):

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Versicherungsschutz einschränken? Kunde muss aufgeklärt werden

Die Hamburger Richter erweisen sich als detailfreudige Bedingungsleser, wenn sie feststellen, dass in den AVB unter Ziffer 1.12 diverse Ausschlüsse aufgezählt werden. Darunter auch Schäden durch sogenannte „Prionenerkrankungen“ (z.B. Creutzfeld-Jacob-Syxndrom). Im Urteil heißt es dazu: „Da die Bedingungen somit einen ausdrücklichen Ausschluss von Schäden aufgrund von Prionenerkrankungen enthalten, liegt für die […] Versicherungsnehmer der Schluss nahe, dass diese JKrankheiten grundsätzlich von den Bedingungen erfadsst werden, sonst bedürfe es keines Ausschlusses. In der Liste der Krankjheiten gemäß Ziffer 1.11.2. sind sie jedoch nocht enthalten, was wiederrum zu dem Umkehrschluss führen kann, dass die Liste keine abschließende Aufzählung enthält und es stattdessen auf das Spektrum in den §§ 6,7 IFSG ankommt.“ Dort werden solche Proinenerkrankungen tatsächlich aufgeführt (unter der Bezeichnung humane spongiforme Enzephalopathie). Eine Ausnahme würde also Sinn ergeben. Die Hamburger Richter schlussfolgern daraus: „Der Haftungsausschluss bezüglich Prionenerkrankungen zeigt, dass der Verwender der Bedingungen die in Ziffer 1.11.2. vorgenommene Aufzählung für den Umfang der Leistungspflicht selbst nicht als (eindeutig) abschließend betrachtet.“

Wäre die Liste der Krankheitserreger abschließend, wie der Versicherer behauptet, so wäre dem Versicherungsnehmer nicht klargemacht worden, dass es sich „nur“ um eine Auswahl von Krankheiten handelt, die zur Betriebsschließung führen könnten. Will heißen: Die Nachteile einer solchen Regelung wären für den Kunden intransparent.

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Will der Versicherer seine Haftung aufgrund der Risikoeinschätzung enger fassen, muss er den Versicherungsnehmer darüber „zutreffend, verständlich und vollständig aufklären.“ Der Versicherte müsse die Möglichkeit haben zu erkennen, dass er für seine Prämie nur einen Teilschutz gegen Betriebsschließungen erwirbt und siuch entscheiden können, ob er das verbleibende Risiko lieber selbst trägt oder sich anderweitig versichert, so die Richter. „Der Kunde muss aber mit hinreichender Deutlichkeit erkennen können, welchen Umfang der angebotene Schutz hat, welchge Einschränkungen bestehen und welche Risiken offenbleiben“, hieß es in dem Urteil des Hamburger Landgerichts.

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