Die Ergo denkt darüber nach, in der privaten Altersvorsorge aus der 100-Prozent-Beitragsgarantie auszusteigen. Das bestätigt Ergo-Chef Markus Rieß im Interview mit dem „Handelsblatt“ (Dienstag). „Wir können nicht ausschließen, uns mittelfristig von der kompletten Beitragsgarantie bei den Lebenspolicen sukzessive zu verabschieden“, wird Rieß zitiert. Die 100-Prozent-Beitragsgarantie könnte dauerhaft nicht mehr in die Zeit passen: "Die klassische Police hat sich überlebt".

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Schrittweiser Abschied von Garantiepolicen

Ohnehin hatte die Ergo in den letzten Jahren ihre Palette derart umgestellt, dass nur noch vereinzelt Produkte mit lebenslangen Garantien im Neugeschäft angeboten werden. Bereits seit dem Jahresanfang 2016 offerieren die Düsseldorfer ihre Neukunden überwiegend Verträge, die stärker auf den Kapitalmarkt setzen: etwa fondsgebundene Policen.

Rund 6,5 Millionen Altverträge mit hohen Garantiezusagen wickelt die Ergo zudem auf einer internen Run-off-Plattform ab, die gemeinsam mit dem IT-Haus IBM entwickelt wurde: auch das zeigt, wie wenig Lust der Versicherer auf Garantieverträge hat. „Warum soll ich als Lebensversicherer Produkte anbieten, von denen ich heute schon weiß, dass sie unprofitabel sind?“, hatte der damalige Leben-Chef Clemens Muth 2015 den schrittweisen Abschied von der "klassischen" kapitalbildenden Lebensversicherung begründet.

Niedrigzins lässt altes Geschäftsmodell der Leben-Anbieter obsolet werden

Die Versicherer ächzen derzeit unter dem Niedrigzins an den Kapitalmärkten: Das macht auch Garantien in der Lebensversicherung nahezu unerschwinglich. Bieten sie entsprechende Zusagen an, müssen sie Großteile der Kundenbeiträge in fest verzinsliche Papiere investieren, die aktuell kaum noch was einbringen. Das macht die Garantien teuer. Wenn sie keine entsprechenden Zusagen machen, können die Anbieter stärker von den Renditechancen an den Börsen profitieren - mit dem entsprechenden Risiko.

Die Probleme der Branche zeigt auch ein Blick auf die aktuelle Situation der Anbieter. Bei 24 von 82 deutschen Lebensversicherern reichen die 2019 erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage nicht aus, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen, so zeigt eine Analyse des Zweitmarktanbieters Policen Direkt.

Die Versicherer sind oft gezwungen, ihr Tafelsilber zu verscherbeln: Sie stoßen hochverzinste Anleihen ab, um ihre Finanzausstattung kurzzeitig zu verbessern und somit die Stabilitäts-Anforderungen der Finanzaufsicht zu erfüllen. Dann investieren sie in neue Anleihen: die deutlich niedriger verzinst sind. Ein schlechtes Tauschgeschäft.

Allianz vollzieht Abschied von 100-Prozent-Garantie

Den Abschied von der Beitragsgarantie hat auch bereits der Marktführer vollzogen: die Allianz. Per Pressetext hat der Versicherer Anfang September angekündigt, den Kundinnen und Kunden künftig nicht mehr 100 Prozent der eingezahlten Beiträge zum Ablauf eines Vertrages zu garantieren, sondern stattdessen auf "zeitgemäße Garantien" zu setzen.

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Konkret sollen bei Allianz-Vorsorgeprodukten dann nur noch 60, 80 oder 90 Prozent der gezahlten Beiträge garantiert werden. Betroffen sind die chancenorientierten Vorsorgekonzepten KomfortDynamik, InvestFlex und IndexSelect. Im Vorzeigeprodukt "Perspektive" soll es künftig eine Garantie ab 90 Prozent geben und nicht wie bisher der volle Erhalt des eingezahlten Beitrages gesichert sein.

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