Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein: Das ist ein zentrales Prinzip von Solvency II. Doch was ist wann verhältnismäßig? Über diese Frage besteht Dissens. Die deutschen Versicherer sind mit der Anwendung der Verhältnismäßigkeits-Regeln unzufrieden. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das der Verband Anfang November auf seiner Internet-Seite veröffentlicht hat (PDF, englisch).

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Darin nimmt der GDV auch Bezug auf die Ergebnisse des „Peer Review zum regulären Aufsichtsbericht“ der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Die Aufseher hätten festgestellt, dass das Proportionalitätsprinzip „bislang nur unzureichend angewendet“ worden sei, so der GDV. Die Aufseher dürften damit "offene Türen" bei den deutschen Versicherern einrennen. Der GDV pflichtete den europäischen Aufsehern bei und übte sich gleichsam in Ursachenforschung. So würden die Vorteile von verhältnismäßiger Regelanwendung unterschätzt, meint der Lobby-Verband. Dessen Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen betonte deshalb, dass Vorteile nicht nur den Versicherern zugute kämen: „Wir brauchen Regeln, die sich stärker an den realen Risiken orientieren. Davon profitieren nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Verbraucher: Die Konzentration auf relevante Risiken macht das System insgesamt stabiler.”

Weniger komplexe Berichtsregeln und Kapitalanforderungen, die zum Risikoprofil der Unternehmen passen - so wünscht es sich der GDV. Derzeit würden durch das Aufsichtsregime Ressourcen und Kapital gebunden. Und das - so der GDV - fehle dann bei wichtigen Investitionen wie dem Green Deal.

Regelerleichterung durch Automatismus

Nach Auffassung der deutschen Versicherer ließe sich das Problem mit der automatischen Anwendung klarer Kriterien für die Risikoeinschätzung lösen. Ausgangspunkt jeder Regelerleichterung müsse das individuelle Risikoprofil der Unternehmen bleiben. „Unternehmen müssen im System erlaubte Ausnahmen auch nutzen können. Wir plädieren daher für einen Automatismus: Versicherer dürfen Erleichterungen anwenden, sobald sie genau definierte Kriterien erfüllen. Ein kompliziertes Genehmigungsverfahren der Aufsicht kann dann entfallen”, so Asmussen.

Ausgehend von den Kriterien Solvenzquote (SCR), Volatilität der SCR, Anteil der Eigenmittel an der Bilanzsumme sowie der Systemrelevanz des Unternehmens sollen vereinfachte Kalkulationsregeln bei Kapitalanforderungen (Säule I), einfachere Verfahren bei der Unternehmensorganisation (Säule II) und schlankere Berichtsanforderungen (Säule III) gelten (siehe Grafik).


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Darüber hinaus hat der GDV in seinem Positionspapier drei Grundregeln für eine einheitliche und faire Anwendung der Verhältnismäßigkeit formuliert:

  1. Je besser das Risiko und die Solvabilitätssituation sind, desto größer sollte die individuelle Gestaltungsfreiheit sein.
  2. Anforderungen sollten nur dann verbindlich sein, wenn sie der Risiko- und Solvabilitätssituation eines Unternehmens entsprechen.
  3. Proportionalmaßnahmen sollten bis zur Nichtanwendung individueller Anforderungen reichen (proportionales „Wenn“).

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