Immer mehr Banken und Sparkassen führen Strafzinsen für Guthaben auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein: oder auch ein sogenanntes Verwahrentgelt, wie die Banken es selbst nennen. Waren es im Juli 2019 lediglich 30 Geldhäuser, die Privatkundinnen und Kunden derart zur Kasse baten, so stieg deren Zahl bis Mitte Oktober auf 214 Kreditinstitute an. Das berichtet das Onlineportal biallo.de anhand einer aktuellen Analyse.

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Der Trend ist hierbei deutlich: Griffen anfangs vor allem Sparkassen und Volksbanken/Raiffeisenbanken zu Strafzinsen, so ziehen nach und nach auch die Privatbanken nach. Unter anderem berechnet der Branchenprimus Deutsche Bank ein Verwahrentgelt von -0,5 Prozent ab 100.000 Euro auf Girokonto, Tagesgeld- und Verrechnungskonto, wie biallo.de informiert, die Tochter Postbank ebenfalls. Und sogar Direktbanken wie Comdirect oder N26 lassen ihre Privatkundschaft nicht unverschont. Comdirekt berechnet 0,5 Prozent ab 250.000 Euro Guthaben, N26 greift bei neu eröffneten Konten bereits ab 50.000 Euro zu: mit Ausnahme des Prämium-Tarifes „Metall“.

Grund ist, dass die Institute die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) weitergeben: Auch sie müssen einen Einlagezins zahlen, wenn sie überschüssige Mittel bei der EZB lagern. So soll erreicht werden, dass Banken mehr Kredite vergeben und damit die Wirtschaft ankurbeln.

Fehlende Transparenz: Negativzins oft nicht ausgewiesen

biallo.de kritisiert, dass Kundinnen und Kunden die Informationen über Negativzinsen nicht einfach bekommen können. Denn viele Banken und Sparkassen würden das Verwahrentgelt beim Girokonto nicht in der sogenannten Entgeltinformation gemäß Zahlungskontengesetz (ZKG) ausweisen. Während die Verbraucherzentralen eine Pflicht dazu sehen, die Kontoinhaber darüber zu informieren, verweisen die Geldhäuser auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Laut Zahlungskontengesetz seien "nur die Entgelte für die repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste aufzuführen“, so ein Sprecher gegenüber dem Portal. Die Verwahrung von Einlagen gehöre nicht hierzu.

Immerhin gibt es juristische Hürden, die Bestandskunden vor einseitigen Vertragsanpassungen schützen. Das Landgericht Tübingen hat demnach 2018 entschieden, dass Negativzinsen auf Tages- und Festgelder nicht nachträglich eingeführt werden dürfen. Entsprechend sind überwiegend Neuverträge betroffen. Zugleich hob das Gericht hervor, dass Negativzinsen grundsätzlich zulässig seien.

„Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen“, erläuterte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg das Urteil. Unterlegen war im Rechtsstreit die Volksbank Reutlingen: Sie hatte entsprechende Anpassungen einfach per Aushang in der Filiale bekanntgegeben (Az. 4 O 187/17).

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Jeder dritte Mittelständler zahlt Strafzins

Ein Problem werden Strafzinsen auch zunehmend für den Mittelstand. 301 Banken berechnen von Firmenkundinnen und -kunden mittlerweile ein solches Verwahrentgelt, berichtet biallo.de. Was das bedeutet, zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Commerzbank. Fast jeder dritte Mittelständer hat demnach 2018/2019 Negativzinsen zahlen müssen, vor allem größere Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro sind betroffen.

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