Vor zirka anderthalb Jahren hatten wir in unserer Frankfurter Zentrale einen Makler zu Gast. Der Mann war bereits über 70, brachte seine Frau mit und wollte mit uns über das Thema Nachfolge sprechen. Er sei auf der Suche nach einer „Übergangslösung“ bis zum Ruhestand, teilte er mir mit. Seine Frau schien damit nicht ganz so glücklich, sagte aber nichts weiter dazu.

Anzeige

Ich fing dann an, ihm die Vorteile unserer Lebensrente vorzustellen. Ein Großteil seiner aktuellen Einnahmen ein Leben lang als Rente, Hinterbliebenenschutz für seine Frau, gut versorgte Kunden. Schnell kamen wir zum Finanziellen. Wie hoch die Rente denn nun genau sein werde, fragt er. Das hängt ganz von der Größe ihres Bestands ab, sagte ich. Es stellte sich heraus, dass die jährlichen Courtageeinnahmen des Maklers bei knapp 15.000 Euro pro Jahr liegen.

Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Als ich ihm auf dieser Basis seine Lebensrente ausrechnete, stellte der Makler erschrocken fest: „Aber dann hätte ich ja kaum mehr als 1.000 Euro Rente im Monat.“ Offensichtlich war der Bestand die einzige Altersvorsorge des Maklers. „Wie sollen wir denn davon leben?“, fragte mich der Makler gereizt.

Der Bestand ist für viele die einzige Altersvorsorge

In der Tat, wie soll man davon leben? An diesen Makler musste ich denken, als ich in diesen Tagen zum ersten Mal die Ergebnisse des Policen Direkt Maklerbarometers 2020 sah: Fast zwei Drittel der über 65-Jährigen haben ihre Nachfolge noch nicht geregelt. 60 Prozent der älteren Versicherungsmakler wollen über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterarbeiten. Auch wenn viele Makler ihren Job lieben, dürfte diese Entscheidung nicht ganz freiwillig sein. Man stelle sich mal vor, wie einfach es wäre 60 Prozent der deutschen Lehrer dazu zu bringen, im Rentenalter weiterzuarbeiten. Oder Finanzbeamte. Oder Bankangestellte. Oder die Innendienstfachkräfte eines Versicherers.

Ohne die Angst vor der Altersarmut wird man in keiner Berufsgruppe — egal, wie erfüllend der Beruf sein mag — eine solch große Zahl an Leuten motivieren können, freiwillig im Rentenalter weiterzumachen. Dies gilt insbesondere in einem so anspruchsvollen Berufsfeld wie dem des Versicherungsmaklers, wo detaillierte und ständig aktualisierte Produktkenntnis, Einfühlungsvermögen gegenüber dem Kunden und mittlerweile auch umfassende Technologiekompetenzen gefragt sind. Und Kunden zu jeder Tageszeit anrufen können, gerne auch am Wochenende.

Anzeige

Wenn 60 Prozent der Makler im Rentenalter weitermachen wollen, tun sie das vor allem, weil sie keine andere Altersvorsorge haben. Der Schuster hat also offenbar einmal mehr die schlechtesten Schuhe. Ebenjene Berufsgruppe, die ihre Kunden regelmäßig an die Wichtigkeit von Vorsorge und Absicherung erinnert, hat selbst kaum vorgesorgt.

Der Run-off ist eine Notlösung, keine Wunschlösung

Ein Bestandsverkauf ist für diese Makler keine Option und zwar nicht, weil sie nicht loslassen können oder wollen. Kleinere Makler erzielen fast nie mehr als das Zweifache ihres jährlichen Jahresumsatzes als Verkaufspreis. Und selbst wenn sie sogar das 2,5- oder Dreifache bekommen könnten, wäre es zu wenig: sie müssten ja davon dann ein Leben lang leben.

Also machen die Makler einfach weiter und lassen ihren Bestand „auslaufen“. Dies bedeutet letztlich aber nichts weiter, als dass sie bis ins hohe Alter weiterarbeiten. Kunden werden weiterhin zu unmöglichen Zeiten wegen eVB-Nummern oder Schäden anrufen. Oder sich beschweren, weil sie auf Check24 gesehen haben wollen, dass ihre Jahresprämie 27 Euro günstiger sein könnte. Oder eine Anpassung ihrer Hausratversicherung beim Makler anfragen, weil sie von einer 61 m2 in eine 71 m2 große Wohnung umgezogen sind. Diese Arbeit nimmt dem Makler auch heutzutage kein Pool und kein Technologieanbieter ab.

Anzeige

Dass der Makler-Run-off nicht nur die Lebensqualität im Ruhestand schmälert, sondern auch eine riskante Wette ist, ist den meisten Maklern natürlich ebenfalls schmerzlich bewusst. Durch oftmals lückenhafte Kundenbetreuung entstehen Haftungsrisiken und neue rechtliche Regularien wie die DSGVO sind im hohen Alter kaum umzusetzen. Und vielleicht das Schlimmste: wenn es gesundheitlich doch mal nicht mehr geht, ist niemand da, der sich um den Bestand kümmern oder ihn verkaufen könnte. Dass das ganz schnell gehen kann, wissen die Makler aus ihrem eigenen Umfeld – es wird aber gerne ignoriert.

Bestand verrenten statt auslaufen lassen

Viele haben mittlerweile mitbekommen, dass mit den Lebensrente-Modellen eine Lösung für das Problem der fehlenden Altersvorsorge bereitsteht: Hinterbliebenenschutz, regelmäßige Zahlungen, keine Kundenanrufe mehr. Mehr denn je sehen Makler in den jetzigen Krisenzeiten die Vorteile dieser Modelle. Viele, die lange gezögert haben, schreiten diesen Sommer endlich zur Tat.

Aber was ist eigentlich aus dem Makler geworden, der vor anderthalb Jahren bei uns war? Ich würde jetzt gerne schreiben, dass der Makler seinen Bestand bei uns verrentet hat und das Ganze ein glückliches Ende genommen hat. So war es aber leider nicht. Einige Woche nach dem damaligen Termin meldete sich der Makler noch einmal bei mir und meinte, dass er den Bestand gern verrenten würde, wenn wir ihm und seiner Frau 100 Prozent – „und keinen Cent weniger!“ – seiner aktuellen Courtageeinnahmen als Rente für die nächsten 30 Jahre fix zahlen, ohne Abzüge bei Bestandsabrieb, den es bei ihm ja auch sowieso nicht gibt. Auf alles andere würde er sich nicht einlassen, da es ihm keinen Vorteil verschaffen würde.

Diese Konditionen konnten wir ihm natürlich nicht bieten und mit Sicherheit auch niemand sonst da draußen. Von irgendwas muss ja auch ein Käufer leben. Der Makler lässt also vermutlich bis heute seinen Bestand auslaufen.

Anzeige

Wir haben damals vereinbart, in Kontakt zu bleiben, auch wenn wir erstmal nicht zusammenkommen konnten. Ich versuche ihn nun allerdings schon seit längerer Zeit mal wieder zu erreichen und lande immer nur beim Anrufbeantworter. Ich hoffe wirklich, dass es ihm und seiner Frau immer noch so gut geht wie an jenem Tag bei uns in Frankfurt. Sicher bin ich mir da nicht. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

Seite 1/2/

Anzeige