Die ersten Kunden des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook sollen demnächst vom Staat entschädigt werden. Das berichtet das „Handelsblatt“ am Mittwoch und beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. „Die ersten Anmeldungen werden aktuell abschließend geprüft, so dass die ersten Auszahlungen unmittelbar bevorstehen“, zitiert das Blatt aus der Antwort.

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Bundesregierung rechnet mit mehr als 225 Millionen Euro Kosten

Bisher hätten sich fast 57.000 Betroffene auf dem Thomas-Cook-Portal des Bundes angemeldet, um entsprechende Ansprüche anzumelden, berichtet die Bundesregierung weiter. Die Entschädigungs-Forderungen zulasten des Steuerzahlers belaufen sich zum jetzigen Zeitpunkt auf rund 76 Millionen Euro, so schätzt das Bundesverbraucherministerium.

Doch bei dieser Summe wird es nicht bleiben. Die Regierung rechnet mit insgesamt 200.000 Anspruchsberechtigten und maximalen Kosten von 225,25 Millionen Euro. Im Gegenzug will die Bundesregierung selbst den finanziellen Schaden begrenzen, indem sie sich die Ansprüche der verhinderten Urlauber abtreten lässt, um selbst Forderungen gegen die Reiseveranstalter und die Zurich Versicherung geltend zu machen. „Die Bundesregierung wird diese Ansprüche konzentriert geltend machen, um die Einstandssumme zu reduzieren.“Auf dem Thomas-Cook-Portal des Bundes können geschädigte Reisende noch bis zum 15. November Ansprüche geltend machen.

Unzureichender Versicherungsschutz in Deutschland

Im Dezember 2019 hatte die Bundesregierung entschieden, dass sie den deutschen Kundinnen und Kunden von Thomas Cook und Tochterfirmen die Differenz zwischen den Zahlungen ersetzt, die sie vom Reiseveranstalter und der Zurich Versicherung erhalten. Für die geschädigten Pauschaltouristen war das eine gute Nachricht: Sie wären ansonsten auf einem Großteil ihrer Kosten sitzen geblieben. Am 25. September 2019 hatte Thomas Cook Insolvenz anmelden müssen - als einer der größten Reiseveranstalter der Welt.

Zwar hat die EU im Jahr 2015 mit einer Richtlinie beschlossen, dass Pauschalreisende europäischer Touristikveranstalter zu entschädigen sind. Aber ganze 110 Millionen Euro müssen die Anbieter in Deutschland bisher für den Fall ihrer Insolvenz versichern. Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern ist die Haftungssumme gesetzlich gedeckelt: So sieht es Paragraph 651r des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Im Fall von Thomas Cook ist die Zurich der Insolvenzversicherer.

Staatsfonds geplant

Dass die Bundesregierung für den Fehlbetrag nun aufkommen will, ist aber möglicherweise nicht ganz freiwillig. Stichwort Deckelung: Hat der Gesetzgeber die EU-Richtlinie für Insolvenzschutz ungenügend in deutsches Recht übersetzt, muss der Staat haften. Und hier stellt sich die Frage, ob eine Höchstsumme von 110 Millionen Euro tatsächlich ausreichend war und ist. Ein im Auftrag der Zurich Versicherung erstelltes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall eine Staatshaftung denkbar sei. Zumal bereits der Bundesrat im Jahr 2016 gewarnt hatte, die Haftung für Pauschalreisen reiche nicht annähernd aus.

Laut "Handelsblatt" will die Bundesregierung aber aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Ein Staatsfonds soll künftig einspringen, wenn Anbieter von Pauschalreisen pleitegehen. Reiseanbieter sollen nur noch Pauschalreisen anbieten dürfen, wenn sie in diesen Fonds einzahlen. Das Bundeskabinett habe ein entsprechendes Gesetz des Bundesjustizministeriums bereits auf den Weg gebracht.

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Als Thomas Cook Ende September 2019 Insolvenz beantragen musste, bestanden zu diesem Zeitpunkt laut „Bild am Sonntag“ 660.000 Reise-Buchungen im Wert von rund 500 Millionen Euro. Viele Kundinnen und Kunden waren in Vorleistung gegangen und sahen sich nun mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Reise ersatzlos gestrichen worden war. Bittere Pille für viele Reisende: Anspruch auf Entschädigung hat nur, wer eine Pauschalreise buchte und einen entsprechenden Versicherungsschein besitzt.

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