Im konkreten Rechtsstreit strengte die Klägerin ein einstweiliges Verfügungsverfahren an, wie die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aus Berlin per Pressetext berichtet. Sie betrieb drei Hotels mit Gastronomie, die infolge der Corona-Pandemie auf Anweisung der Behörden ihren Geschäftsbetrieb stark reduzieren mussten. Touristische Übernachtungen anzubieten, war den Hotels untersagt worden. Lediglich nicht touristische Übernachtungen durften die Resorts noch anbieten.

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Die Nachfrage nach nicht touristischen Übernachtungen war aber ebenso gering wie nach den -ebenfalls weiterhin erlaubten- Außer-Haus-Lieferungen der Hotelrestaurants. Aufgrund der Personalstruktur konnte der Betrieb der Häuser nicht wirtschaftlich aufrecht erhalten werden. So schloss die Betreiberin die drei Hotels für die Zeit des Corona-Lockdowns. Der Versicherer aber wollte nicht zahlen: und berief sich darauf, dass der Betrieb ja in reduzierter Form hätte weiterlaufen können.

Klägerin unterliegt vorläufig, aber…

Die Hotelbetreiberin musste vor Gericht zwar vorerst eine Niederlage hinnehmen. Und trotzdem könnte dieses Urteil dazu beitragen, dass einige Vorstände bei den Versicherern nun schlechter schlafen. So zumindest aus Perspektive von Wirth Rechtsanwälte.

Dass die klagende GmbH vorerst keinen Erfolg hatte, habe nämlich daran gelegen, dass sie ihre Anspruchshöhe nicht ausreichend habe darlegen können, es deshalb an einem sogenannten Verfügungsgrund mangle, berichtet die Berliner Kanzlei. Zugleich aber stimmte das Landgericht zu, dass der Klägerin aus der bestehenden Betriebsunterbrechungs-Police grundsätzlich ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung zustehe. Dabei habe das Gericht „zu den typischen Ablehnungsgründen vieler Versicherer klare Worte“ gefunden, heißt es im Pressetext.

Individuelle Schließungsverfügung nicht erforderlich

Zum einen stellte sich die Frage, ob eine individuelle Schließungsverfügung der Behörden habe vorliegen müssen, damit ein Hotel oder ein Gastro-Betrieb Anspruch auf Entschädigung hat. Stark vereinfacht geht es hier um die Frage, ob im Unternehmen bereits ein Corona-Fall vorliegen muss, damit der Versicherer leistet - oder ob eine allgemeine und prophylaktische Anordnung der Behörden auch ausreicht, damit der Versicherungsfall eintritt.

Das Gericht habe aber klargestellt, dass eine individuelle Schließungsverfügung für die Hotels nicht notwendig gewesen sei, damit der Versicherungsfall erfüllt ist. Der theoretisch mögliche Minimalbetrieb mit Geschäftsreisenden und Gastronomie-Take-Away- oder Lieferservice stehe dem nicht im Wege: auch eine Teilschließung reiche aus. Letztlich handele es sich klar um einen faktische Schließung. Eine solche sei von der betreffenden Versicherungsbedingung umfasst, auch wenn das nicht eindeutig so darin zu finden sei.

„Es liegt eine bedingungsgemäß versicherte faktische Betriebsschließung vor“, heißt es in den Urteilsgründen. Maßstab der Auslegung der Versicherungsbedingungen sei, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss.

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„Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Versicherer, sagt das Gericht in aller Deutlichkeit. Etwas, was wir seit Beginn der Debatte auch regelmäßig herausstellen und was sich auch auf reine Gastronomiebetriebe zwanglos übertragen lässt.“, so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing von Wirth-Rechtsanwälte.

Leistungskatalog nicht abschließend

Mit ganz ähnlichen Argumenten hebelte das Gericht nach Interpretation von Wirth Rechtsanwälte nun ein weiteres Argument aus, auf das sich Betriebsschließungs-Versicherer nun berufen, um nicht zahlen zu müssen. Nämlich, dass unter Bezug auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Vertragsschluss unbekannte Erreger, wie aktuell Covid-19, nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien.

Der Hintergrund: Viele Assekuranzen argumentieren, nur jene Seuchen seien versichert, die namentlich im Vertrag genannt werden. Weil das Coronavirus Covid-19 noch neu ist, fehlt es in den Altverträgen: Es wurde erst im Januar 2020 vom Bundesgesundheitsministerium als meldepflichtige Krankheit erfasst.

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"In den meisten Fällen bedingungsgemäß erfasst"

Doch auch hier urteilte das Gericht im Sinne der Klägerin. Da der Versicherer es selbst in der Hand gehabt habe, einen eindeutig abschließenden Katalog der Erreger aufzunehmen, sei im vorliegenden Fall auch Covid-19 von der – regelmäßig - dynamischen Bezugnahme auf die Paragrafen 6 und 7 des IfSG umfasst, berichten die Berliner Juristen. Mit anderen Worten: Die aufgeführten Krankheiten in den Vertrags-Bedingungen seien nur beispielhaft, nicht abschließend.

Fachanwalt Strübing, der selbst eine Vielzahl von Betroffenen vertritt, kommentiert: „Damit liegt eine erste Entscheidung klar zugunsten des betroffenen Hotel- und Gastronomiegewerbes vor. Die eindeutigen Worte des Gerichts zu den Argumenten vieler Versicherer zeigen, was wir schon von Beginn dieser ganzen Diskussion gesagt haben: In den allermeisten Fällen besteht bedingungsgemäß Versicherungsschutz und die peinlichen Zahlungsangebote von 10, 15 Prozent, fußend auf dem bayerischen Kompromiss, sind ein schlechter Versuch", so der Jurist.

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Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht: Doch es ist ein deutliches Indiz dafür, dass viele Versicherer ihre Kundinnen und Kunden voll entschädigen müssen, wenn sie ihren Betrieb dicht machen mussten, abhängig vom jeweiligen Vertrag. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) habe seinen Mitgliedern bereits empfohlen, ihre Ansprüche zu wahren und vermeintliche Kulanzangebote der Versicherer prüfen zu lassen, so berichtet Strübing.

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